Versandhandel:Neckermann wird entrümpelt

Lesezeit: 2 min

Die neue Führung von Neckermann greift hart durch. Etliche Jobs werden dem Reformeifer wohl zum Opfer fallen. Dafür will der Versandhändler ab 2010 wieder Geld verdienen.

Caspar Dohmen

Martin Lenz krempelt bereits nach wenigen Wochen als Geschäftsführer den Frankfurter Versandhändler Neckermann kräftig um. Das Sortiment soll entrümpelt und Stellen abgebaut werden. Entsprechend äußerte sich das Unternehmen am Mittwoch nach einer vorangegangenen Aufsichtratssitzung in Frankfurt.

Neckermann-Zentrale: Die neuen Herren greifen hart durch. (Foto: Foto: AP)

Die Firma will schon im laufenden Jahr 50 Millionen Euro einsparen und ab dem Jahr 2010 wieder Geld verdienen. Der Abbau von "Arbeitsplätzen scheint unerlässlich", teilte das Unternehmen mit. In den kommenden Wochen sollen Gespräche mit dem Betriebsrat stattfinden. Eine Entscheidung über den möglichen Stellenabbau erwartet das Management bis Ende Mai.

Neckermann beschäftigt 5000 Mitarbeiter, davon 3500 in Deutschland. Die Durchsicht des eigenen Sortiments brachte ernüchternde Erkenntnisse. So zeigte sich, dass Neckermann bei dem Verkauf von mehreren Tausend Artikeln Geld verliert. Nun will Lenz das Angebot einschränken.

Bessere Kundenkenntis soll Aufschwung bringen

Einsparpotenzial sieht er auch in einer anderen Organisation der Verwaltung. So wird das europäische Geschäft künftig vom Hauptsitz in Frankfurt aus gesteuert. Große Hoffnungen setzt Lenz auf das Versandgeschäft über das Internet, vor allem in Ost- und Mitteleuropa.

Insgesamt will der Versandhändler den Anteil des über das Internet georderten Geschäfts bis zum Jahr 2010 von momentan 50 Prozent auf mindestens 70 Prozent steigern. Schon bislang gilt das Unternehmen im Internet als gut aufgestellt.

Eine große Diskrepanz sieht das Unternehmen selbst bei einem Drittel seiner Kundschaft angesichts eines Werbeaufwands von 30 Millionen Euro und einem Ordervolumen von gerade einmal 1,3 Millionen Euro. Eine bessere Kundenkenntnis soll hier Abhilfe schaffen.

Der 57-Jährige Lenz hatte erst im März die Führung übernommen, nachdem die amerikanische Private-Equity-Firma Sun Capital Ende des vergangenen Jahres 51 Prozent von Neckermann übernommen hatte. Seitdem hält der Warenhauskonzern Arcandor nur noch 49 Prozent am dem Versandhaus. Die Essener wollen ihren Anteil verkaufen, wenn Neckermann an die Börse geht. Geplant ist dieser Schritt in drei bis vier Jahren.

Millionenverlust

Neckermann, hinter Otto und Quelle der drittgrößte Versandhändler in Deutschland, verliert schon seit Jahren Geld. Zuletzt machte die Firma bei einem Umsatz von 1,4 Milliarden Euro einen Betriebsverlust in zweistelliger Millionenhöhe.

Wie desolat die Lage war, zeigte sich als Arcandor anders als geplant seine Anteile ohne Gegenleistung an Sun Capital abgegeben musste. Sun Capital mit Sitz in Boca Raton/Florida ist eine der weltweit größten Private-Equity-Gesellschaften. Sie hält vor allem Beteiligungen an Unternehmen aus der Konsumartikel-, Bekleidungs- und Möbelindustrie.

Josef Neckermann hatte das gleichnamige Unternehmen im Dritten Reich gegründet. In der Nachkriegszeit blühte es auf. Nach einer Schieflage Anfang der 70er Jahre übernahm der Essener Warenhauskonzern Karstadt das Kommando bei dem Unternehmen. Karstadt heißt mittlerweile Arcandor. Mit der Fusion von Karstadt und der Schickedanz-Gruppe zum Karstadt-Quelle-Konzern im Jahre wurden die beiden Versandhändler Quelle und Neckermann Schwestergesellschaften. Sie beäugten sich eifersüchtig.

Mehrere Management-Generationen mühten sich vergeblich, ein gemeinsames Konzept für die beiden Unternehmen zu entwickeln. Sowohl Werner Piotrowski, Christoph Achenbach, Arwed Fischer, Harald Pinger und Harald Gutschi schafften die Wende nicht.

© SZ vom 17.04.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: