Versandhandel:Neckermann wird amerikanisch

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Die Beziehung mit Neckermann hat 30 Jahre gehalten, doch jetzt verkauft der Handels- und Touristikkonzern Arcandor seine Mehrheitsbeteiligung an dem Traditionshaus an einen US-Investor.

Stefan Weber

Die Bindung hielt mehr als 30 Jahre, aber Freude hatten die beiden Partner selten aneinander. Jetzt ist die Trennung perfekt: Der Handels- und Touristikkonzern Arcandor (früher Karstadt-Quelle) verkauft eine Mehrheitsbeteiligung am Versandhändler Neckermann an den amerikanischen Finanzinvestor Sun Capital Partners.

Thomas Middelhoff präsentierte vor zwei Jahren als Aufsichtsratsvorsitzender der Neckermann Versand AG, den neuen Namen des Konzerns, Neckermann.de. Jetzt wird das traditionsreiche Unternehmen amerikanisch. (Foto: Foto: dpa)

Eine entsprechende Absichtserklärung haben beide Unternehmen bereits unterschrieben. Der Vertragsabschluss werde noch in diesem Monat erfolgen, teilte Arcandor am Freitag mit. Nach Prüfung der Kartellbehörden soll der Eigentümerwechsel zum 1. Januar 2008 wirksam werden.

Offen ist, mit welchem Anteil der US-Investor bei der Neckermann-Gruppe einsteigt. Marc Sommer, der im Vorstand von Arcandor das Versandgeschäft verantwortet, hatte vor kurzem in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt, sein Unternehmen werde zunächst lediglich 51 Prozent der Anteile abgeben.

Möglicherweise wird sich Arcandor aber doch in größerem Umfang zurückziehen, heißt es in unternehmensnahen Kreisen. Ein Komplettverkauf gilt jedoch als ausgeschlossen. "Arcandor bleibt mit einer Minderheitsbeteiligung dabei", betonte am Freitag ein Unternehmenssprecher.

Sun Capital mit Sitz in Boca Raton/Florida ist eine der weltweit größten Private-Equity-Gesellschaften. Die Firma hält vor allem Beteiligungen an Unternehmen aus der Konsumartikel-, Bekleidungs- und Möbelindustrie. Zum Kaufpreis machte Arcandor keine Angaben.

Nach Einschätzung von Sommer wird der neue Mehrheitseigentümer Neckermann in drei bis vier Jahren an die Börse bringen. Dann werde sich auch Arcandor vollständig zurückziehen, hatte er im SZ-Interview angekündigt. Diese Lösung verspreche für den Essener Konzern einen höheren Erlös als der vollständige Verkauf zum jetzigen Zeitpunkt.

Sommer zufolge wird Neckermann seinen Umsatz von zuletzt 1,1 Milliarden Euro in diesem Jahr um knapp zehn Prozent steigern und damit sehr viel besser abschneiden als die meisten Mitbewerber. Dennoch werde noch einmal ein Verlust in Höhe eines kleinen zweistelligen Millionenbetrages anfallen. "Aber in zwölf bis 18 Monaten verdient Neckermann Geld", ist der Versand-Chef überzeugt.

Arcandor konzentriert seine Aktivitäten im Universalversand künftig auf die gemessen am Umsatz dreimal größere Tochter Quelle, die nach langer Durststrecke erstmals im Geschäftsjahr 2007/08 (zum 30.9.) wieder ein positives Ergebnis erwartet. Dass sich Neckermann unter neuer Regie und Quelle künftig in nennenswertem Umfang Kunden abjagen werden, hält Sommer für abwegig: "Der Markt ist groß genug für beide. Außerdem sind die Zielgruppen unterschiedlich." Quelle spreche vornehmlich Frauen mittleren Alters an, während Neckermann vor allem bei Männern jüngerer Jahrgänge eine gefragte Einkaufsadresse sei.

Eifersüchtige Schwestern

Neckermann gehört seit 1976 zum Einflussbereich von Arcandor. Der Karstadt-Konzern - die Schickedanz-Gruppe mit dem Versender Quelle gehörte noch nicht dazu - hatte sich damals im Rahmen einer Kapitalerhöhung zunächst mit 51 Prozent an dem Versandhändler beteiligt. Diese Beteiligung wurde fünf Jahre später auf 94 Prozent aufgestockt; 1984 erfolgte der Rückzug von Neckermann von der Börse.

Mit der Fusion von Karstadt und der Schickedanz-Gruppe zum Karstadt-Quelle-Konzern 1997 wurden Quelle und Neckermann Schwestergesellschaften und beäugten sich eifersüchtig. Mehrere Management-Generationen mühten sich vergeblich, ein gemeinsames Konzept für beide Unternehmen zu entwickeln. Mit Blick auf den Anteil der Bestellungen, die über das Internet erfolgen, gilt Neckermann derzeit als besser positioniert als Quelle. Denn bei dem Frankfurter Unternehmen erfolgt bereits weit mehr als jede zweite Order auf diesem Wege. Und der 1960 kreierte Werbespruch "Neckermann macht's möglich" besitzt immer noch Zugkraft.

© SZ vom 10./11.11.2007/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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