Verkehrswende:Kanzleramt will E-Mobilität massiv fördern

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Strom statt Benzin: Ein Elektroauto von Mercedes wird betankt. (Foto: Jan Woitas/dpa)
  • Eine Million Elektroautos sollen nach Regierungsplänen 2020 auf deutschen Straßen fahren.
  • Das Ziel ist in Gefahr: Bislang sind nur 30 000 E-Autos auf hiesigen Straßen unterwegs. Darum wird nun Kanzlerin Merkel aktiv.

Von Markus Balser, Berlin

Für Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt war es ein wichtiger Moment: Als der CSU-Politiker im September bei Ingolstadt drei Schnellladestationen für Elektroautos an Autobahnraststätten in Betrieb nahm, sollte davon sogleich ein Zeichen ausgehen. "Künftig ist es möglich, mit einem Elektrofahrzeug von der Nordsee bis an die Zugspitze zu fahren", sagte Dobrindt und versprach binnen zwei Jahren insgesamt 400 solcher Zapfsäulen entlang der Autobahnen. Bislang allerdings ist es bei gerade mal acht geblieben.

Die Ziele sind gewaltig, die Ergebnisse mau. So ist das bisher oft beim Ausbau der Elektromobilität in Deutschland. Eine Million Elektroautos sollen nach Regierungsplänen eigentlich 2020 auf deutschen Straßen fahren. Das Ziel: Deutschland und seine Autokonzerne sollten zu führenden Akteuren des neuen Weltmarkts werden. Doch der Autoindustrie und der Politik ist inzwischen längst klar: Das Ziel ist in Gefahr. Verläuft die Umstellung des Verkehrs weiter so langsam, wird die Politik ihre prestigeträchtige Zielmarke verfehlen. Erst 30 000 E-Autos sind auf hiesigen Straßen unterwegs. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte deshalb in Sorge um die Ziele schon für das vergangene Jahr eine neue Förderoffensive angekündigt. Passiert ist seither jedoch nichts.

Druck auf die Ministerien

Jetzt aber kommt Bewegung in den stockenden Umbau des deutschen Verkehrssektors. Denn nach Informationen der Süddeutschen Zeitung erhöht das Bundeskanzleramt den Druck auf eine rasche Einigung der Bundesministerien über ein neues Förderprogramm. Bereits am 18. Januar sollen sich dazu Staatssekretäre aus dem Verkehrs-, dem Wirtschafts-, Umwelt- und Finanzministerium im Kanzleramt treffen, um über Förderinstrumente und deren Finanzierung zu beraten. Schon im Februar, heißt es in Regierungskreisen weiter, solle dann eine Einigung etwa über Abschreibungsmodelle oder Kaufanreize stehen. Dann soll der Kanzlerin ein Papier vorliegen, das die Elektromobilität in Deutschland "signifikant" voranbringt.

Angestoßen hat die neue Bewegung offenbar heftige Kritik aus den Reihen der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE), eines Beratungsgremiums der Bundesregierung, in dem Industrie, Wissenschaft, Politik, Gewerkschaften und Verbände gebündelt sind. In Telefonaten, unter anderem mit Kanzlerin Merkel, soll der NPE-Vorsitzende Henning Kagermann im Dezember ultimativ auf die versprochene Förderung gedrängt haben. Wie die aussehen soll, dafür liegen Konzepte zwar bereits seit Monaten in den Schubladen der Ministerien. Doch der vertrauliche Zehn-Punkte-Plan einer interministeriellen Arbeitsgruppe wurde bislang nicht umgesetzt. Die empfohlenen Maßnahmen wie Kaufprämien für Elektroautos, eine Elektroauto-Quote, steuerliche Abschreibungsvorteile und ein weiterer Ausbau der Ladepunkte kosten viel Geld. Der Plan sieht einen Finanzbedarf von deutlich mehr als zwei Milliarden Euro für die kommenden Jahre vor.

Die Finanzierung der Maßnahmen ist bisher völlig offen. Gegen die vorgeschlagenen Finanzierungsmodelle wie eine Art Umwelt-Strafgebühr für die Käufer klimaschädlicher Fahrzeuge, aus denen Elektroautoprämien gezahlt werden könnten, oder eine Erhöhung der Energiesteuer, wehren sich Autohersteller und ihre Zulieferer, aber auch das Finanzministerium. Laut Koalitionsvertrag sei eine Steuererhöhung ausgeschlossen, sagte am Freitag ein Sprecher im Bundesfinanzministerium. Das Haus von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) befürwortet bislang solche Maßnahmen, die die öffentliche Hand nichts kosten - wie etwa kostenlose Parkplätze.

Der Bundesverkehrsminister äußerte sich zurückhaltend zu den Gesprächen: Eine Arbeitsgruppe aus Kanzleramt, Verkehrs-, Finanz- und Wirtschaftsministerium und den Fraktionsvorsitzenden der Koalition berate derzeit über ein Programm, um der E-Mobilität einen weiteren Schub zu geben, sagte er. "Weder direkte Kaufprämien noch Mineralölsteuererhöhung oder Bonus-Malus-Regelungen stehen dabei zur Debatte", sagte Dobrindt.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks favorisiert hingegen direkte Prämien. Sie hatte im Dezember bereits einen Anreiz von 5000 Euro für den Kauf klimafreundlicher Elektroautos angeregt. Die Opposition warnt vor einer andauernden Hängepartie. "Das Regierungshandeln in diesem Zusammenhang als "Schneckentempo" zu bezeichnen, wäre eine Beleidigung für jede Spezies dieser Art", ätzt etwa Stephan Kühn, Sprecher für Verkehrspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion. "Bundeskanzlerin Merkel hat nicht Wort gehalten.

Ihrer Ankündigung auf der Internationalen Automobilausstellung im Herbst, finanzielle Anreize für den Kauf von Elektroautos noch 2015 auf den Weg zu bringen, sind keine Taten gefolgt." Verstärkte Nachfrage könne aber nur mit einem Marktanreizprogramm für den Kauf von Elektroautos gelingen. Eine Sonderabschreibung reiche nicht aus, weil sie privaten Autokäufern wenig nutze. Die aber müssten Ziel eines solchen Programms sein.

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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