Verbraucherschutzgesetz:Halbgare Informationen

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Ab Anfang Mai sollen die Kontrollen von Lebensmitteln oder Spielzeug transparenter werden - Verbraucherschützer halten das Gesetz aber für eine Mogelpackung.

Daniela Kuhr

Es klingt toll: Wenn es um Lebensmittel, Kosmetika, Textilien oder Kinderspielzeug geht, haben Verbraucher vom 1. Mai an einen gesetzlichen Anspruch auf Information. Sie können also grundsätzlich bei Behörden anfragen, was die Kontrollen durch die zuständigen Stellen ergeben haben. Damit setze man "neue Maßstäbe für mehr Transparenz", sagte Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer über das Verbraucherinformationsgesetz (VIG), das nach mehr als sechs Jahren Vorarbeit in Kraft tritt.

Mogelpackung? Ab Mai erhalten Verbraucher erweiterten Zugang zu Produktinformationen - es gibt jedoch viele Ausnahmen. (Foto: Foto: dpa)

Doch diese Ansicht teilt nicht jeder. Gerd Billen vom Bundesverband der Verbraucherzentralen nennt das VIG eine "verpasste Chance". Und Greenpeace hält es gar für eine "Mogelpackung".

Kein umfassendes Informationsrecht

Die neuen Vorschriften würden es der Öffentlichkeit nicht leichter machen, an Informationen über Lebensmittel zu gelangen, meint Rechtsanwältin Michèle John, die im Auftrag von Greenpeace ein Gutachten über das VIG erstellt hat. Es gebe viel zu viele Ausnahmetatbestände, die den Behörden ermöglichten, eine Auskunft zu verweigern. "Wir müssen feststellen, dass dieses Gesetz schon zum Start reformbedürftig ist", sagt Martin Hofstetter, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace. "Die meisten Informationen werden auch in Zukunft unter Verschluss bleiben."

Wer sich beispielsweise über die Pestizidbelastung von Gemüse informieren wolle, habe nur dann einen unumstößlichen Anspruch auf Auskunft, wenn die festgestellte Pestizidbelastung über den gesetzlichen Höchstgrenzen lag. "Lagen die Rückstände darunter, muss das Amt erst das betroffene Unternehmen fragen, ob es etwas gegen die Weitergabe der Information hat", sagt Hofstetter. "Und die Antwort kann man sich in dem Fall ja denken."

Gebühren können fällig werden

Der Antrag auf Auskunft muss schriftlich, per Mail oder per Fax erfolgen, "ein Telefonanruf genügt nicht", sagt Anwältin John. Nur wenn die Behörde bei ihrer Kontrolle einen Rechtsverstoß festgestellt habe, müsse sie Auskunft geben. Ansonsten könne sie die Beantwortung ablehnen, wenn sie andernfalls das Dienstgeheimnis verletze, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des betroffenen Unternehmens offenbare oder wenn es sich um "sonstige wettbewerbsrelevante Informationen" handele. "Bei diesen vielen Ausnahmen ist abzusehen, dass die Ämter im Zweifelsfall eher die Auskunft verweigern werden", sagt John. "Schließlich droht ihnen sonst viel Ärger mit den betroffenen Unternehmen."

Die Behörden dürfen für die Beantwortung "kostendeckende Gebühren und Auslagen" erheben. Um böse Überraschungen zu vermeiden, sollten Verbraucher in ihrem Antrag einen Betrag nennen, ab dem sie vor der Bearbeitung benachrichtigt werden möchten, rät John. Auskünfte über Rechtsverstöße seien aber immer kostenlos. Wichtig sei auch, sich an die richtige Stelle zu wenden. Denn die Ämter müssen nur solche Informationen herausgeben, über die sie auch verfügen. "Daher sollte man immer reinschreiben, dass die Behörde den Antrag im Zweifelsfall an die zuständige Stelle weiterleiten möge", sagt John.

In anderen Ländern Europas längst Standard

Agrarexperte Hofstetter weist darauf hin, dass es in Deutschland ja nicht nur die Gammelfleisch-Skandale gegeben habe. "Wir wissen beispielsweise, dass einige Pommes-Buden zum Frittieren heimlich Öl aus Gensoja verwenden, weil es billiger ist." Das sei ordnungswidrig, trotzdem erfahre die Öffentlichkeit bislang so gut wie nie etwas davon. Außerdem hätten in der Vergangenheit viele Restaurants, die auf ihrer Karte ein teures Seezungen-Filet angeboten haben, in Wahrheit billigen Pangasius serviert.

Während in anderen Ländern die Bürger schon seit Jahren von den Behörden Auskunft verlangen könnten, sei die deutsche Verwaltung nach wie vor von "einer Tradition des Amtsgeheimnisses geprägt", stellt Manfred Redelfs von Greenpeace fest. Daran werde auch das VIG nichts ändern. Greenpeace fordert, alle Untersuchungsergebnisse und Beanstandungen der Behörden regelmäßig im Internet zu veröffentlichen, wie es beispielsweise in Dänemark bereits praktiziert werde. Dort würden die Kontrolleure fünf verschiedene Smileys vergeben: Sei die Überprüfung einwandfrei verlaufen, gebe es ein breit strahlendes Gesicht. Je mehr beanstandet worden sei, umso mehr würden die Mundwinkel nach unten sinken.

"Bäcker, Fleischereien oder Restaurants müssen die Smileys gut sichtbar aushängen", erklärt Redelfs. Auch im Internet würden sie veröffentlicht. "Wer beispielsweise in Kopenhagen in eine Pizzeria gehen will, kann sich vorher im Internet über die Bewertung informieren und schauen, wie oft sie in letzter Zeit kontrolliert wurde."

© SZ vom 26./27.4.2008/jkf/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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