Verbraucherminister Seehofer im Gespräch:"Die Behörden müssen offener werden"

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Welche Inhalte hat das Shampoo? Seit Mai darf bei Behörden nachgefragt werden. Minister Seehofer über die neue Offenheit beim Verbraucherschutz.

Daniela Kuhr

Seit 1. Mai haben deutsche Verbraucher deutlich mehr Rechte auf Informationen über Lebensmittel, Kosmetika, Spielwaren oder auch Reinigungsmittel. Das neue Gesetz sei ein "Meilenstein in der Geschichte des Verbraucherschutzes", sagte Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU), 58, bei der Vorstellung. Kritiker dagegen bemängeln die vielen Ausnahmeregeln und halten die Informationsrechte für wirkungslos.

Was ist drin in den Lebensmitteln? Die Behörden müssen künftig Auskünfte geben, sagt Verbraucherminister Seehofer. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Minister, "Meilenstein" klingt gut, aber nehmen wir doch mal ein konkretes Beispiel: Wenn ich wissen will, ob meine Paprika pestizidbelastet ist, kann ich dann einfach zum Telefonhörer greifen und fragen, was bei der letzten Lebensmittelkontrolle dieser Firma herausgekommen ist?

Horst Seehofer: Im Prinzip können Sie das. Zwar geht es nicht per Telefon, aber wenn Sie Ihre Anfrage per Postkarte schicken, würde das genügen.

SZ: Das ist doch ziemlich kompliziert. Warum nicht telefonisch?

Seehofer: Es muss einfach klar sein, was jemand genau wissen will. Bei einer telefonischen Anfrage besteht immer die Gefahr des Missverständnisses. Außerdem wollen wir natürlich verhindern, dass die Behörden einfach nur beschäftigt werden. Deshalb ist die Auskunft auch gebührenpflichtig.

SZ: Wirkt das nicht abschreckend?

Seehofer: Es gibt ja nicht nur den besorgten Bürger, der einen einfachen Wert erfragen will, sondern auch Organisationen, die neun Leitzordner kopiert haben wollen. Daher haben wir festgelegt, dass einfache Auskünfte fünf Euro kosten und sehr komplexe bis zu 250 Euro. In besonderen Fällen, etwa bei Bedürftigkeit, kann von einer Gebührenerhebung ganz abgesehen werden. Die Bundesländer regeln die Details, aber ich bin überzeugt, dass die Auskünfte im Normalfall erschwinglich sind.

SZ: Und woher weiß ich, welche Behörde zuständig ist?

Seehofer: Meist sind es die Landratsämter und die kreisfreien Städte, aber das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Wer herausfinden will, welche Behörde bei ihm für die Lebensmittelkontrolle zuständig ist, kann das telefonisch bei seiner Gemeinde erfragen. Außerdem kann man bei dieser und anderen Fragen unsere besondere Hotline unter der Nummer 01805 / 844544 anrufen.

SZ: Nochmal zurück zur Paprika: Muss die Behörde mir wirklich in jedem Fall Auskunft geben?

Seehofer: Sie ist nicht verpflichtet, Ermittlungen einzuleiten, um Ihre Anfrage beantworten zu können. Aber wenn die Behörde über die Informationen ohnehin bereits verfügt, muss sie sie auch herausrücken.

SZ: Kann das betroffene Unternehmen das nicht verhindern?

Seehofer: Die Behörde muss dem Unternehmen vier Wochen Zeit geben zur Stellungnahme. Das war aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Schließlich kann es um schutzwürdige Interessen gehen. Man kann zum Beispiel niemanden zwingen, das Produktionsverfahren seines Rotweins zu veröffentlichen oder das Rezept für sein Backwerk.

SZ: Die Beamten sollen also die Firma fragen, ob sie was dagegen hat, wenn man dem Verbraucher die Pestizidbelastung ihrer Produkte mitteilt? Na, da kann man sich die Antwort doch denken.

Seehofer: Es ist ja keine Bitte um Erlaubnis. Wenn das Unternehmen sagt, die Behörde solle die Antwort verweigern, dann muss es schon gute Gründe dafür vorlegen. Die Behörde wägt anschließend ab: Wiegen die Informationsrechte der Verbraucher stärker oder die schutzwürdigen Interessen des Unternehmens? Und je nachdem wird sie die Auskunft erteilen oder nicht.

Lesen Sie im zweiten Teil, in welchem Fall Behörden der Öffentlichkeit keine Auskünfte geben müssen - und was Horst Seehofer von Verbraucherschutz-Smileys als Bewertung für Restaurants hält.

SZ: Aber wenn es um die Pestizidbelastung geht, können doch eigentlich keine schutzwürdigen Interessen gegeben sein.

Seehofer: Deshalb bin ich auch sicher, dass der Verbraucher in diesem Fall immer die gewünschte Auskunft erhalten wird. Zumindest dann, wenn bei der letzten Lebensmittelkontrolle irgendwelche Rechtsverstöße festgestellt worden sind, wenn also beispielsweise die Pestizidbelastung über den gesetzlichen Grenzwerten lag oder wenn Fleisch das Haltbarkeitsdatum überschritten hatte.

SZ: Diese Fälle sollte die Behörde doch besser sofort publik machen.

Seehofer: Die Behörden müssen und mussten auch bisher schon immer dann aktiv werden und die Öffentlichkeit warnen, wenn es um konkrete Gefahren für die Gesundheit geht. War aber beispielsweise Gammelfleisch bereits verzehrt, dann hat die Behörde zwar dafür gesorgt, dass kein weiteres Gammelfleisch in den Verkehr kommt. Sie konnte aber bislang der Öffentlichkeit nicht den Namen der Firma nennen, weil ja keine akute Gefahr mehr bestand. Die Namen von Unternehmen einfach präventiv zu nennen, damit die Leute das beim Einkauf berücksichtigen können, war bislang nicht möglich.

SZ: Und das ändert sich jetzt?

Seehofer: In Zukunft sollen die Behörden von sich aus Ross und Reiter nennen.

SZ: Sie sollen also nur?

Seehofer: "Sollen" heißt in dem Fall "müssen". Die Behörden müssen informieren, wenn keine triftigen Gründe dagegen sprechen.

SZ: Was könnten das für Gründe sein?

Seehofer: Wenn es um ganz kleine Geschichten geht, beispielsweise um zwei Getränkedosen, dann kann man nicht gleich eine ganze Firma kaputtmachen und sie in einen Millionenschaden hineintreiben. Wir mussten daher den Behörden einen winzigen Rest an Ermessen lassen bei diesen Entscheidungen.

SZ: Offenheit gegenüber Bürgern ist nicht gerade Tradition in den Behörden.

Seehofer: Da muss sich etwas ändern.

SZ: Befürchten Sie nicht, dass die Beamten sich im Zweifelsfall immer auf Dienst-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse berufen werden, um sich nicht schadensersatzpflichtig zu machen?

Seehofer: Das Gesetz gilt jetzt erst mal bis 2010. Wir werden genau beobachten, wie es sich in der Praxis entwickelt. Und dann wissen wir auch, ob das mit den Geschäftsgeheimnissen richtig vollzogen wird oder ob es als Blockadeinstrument genutzt wird. Schließlich darf der Anspruch auf Information ja kein Pseudorecht sein. Wenn sich Mängel zeigen, müssen wir nachbessern.

SZ: In Dänemark vergeben die Lebensmittelkontrolleure sogenannte Smileys, also Gesichter, die freundlich oder betrübt schauen, je nachdem, wie die Kontrollen verlaufen sind. Jedes Unternehmen oder Restaurant muss sein Smiley im Schaufenster veröffentlichen. Ist das nicht vorbildliche Transparenz?

Seehofer: Ich persönlich bin da sehr aufgeschlossen und kann mir noch einiges vorstellen, was man tun könnte für mehr Transparenz, aber ich brauche immer eine Mehrheit dafür. Wenn wir solche tiefgreifenden Änderungen vorgenommen hätten, hätten wir wahrscheinlich noch weitere acht Jahre diskutiert, bevor das Gesetz in Kraft getreten wäre.

© SZ vom 14.05.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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