Verbraucher-App:Transparenz mit Tücken

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Wissen woher es kommt: Bier und Breze enthalten viele Zutaten, eine App soll helfen, die Herkunft zu erfahren. (Foto: Johannes Simon)

Die Verbraucher-App fTrace möchte Steak, Apfel oder Seelachsfilet für den Kunden gläsern machen. Ein Praxistest zeigt Mängel.

Von Florian Gontek, München

Isabell Brzoska ist eine Frau, die bewusst einkauft. Fisch, Fleisch, Wurst: gerne bio, gerne frisch. Es sind Verbraucher wie diese Mutter zweier Kinder, Ende 30, die der App-Anbieter fTrace umwirbt - also die Menschen, die wissen wollen, was da auf ihrem Teller liegt: Woher kommt das Fleisch für den Hamburger, die Salami oder das Dorschfilet? Wie und wo wurde es verarbeitet? Wie viele Autobahnkreuze hat der Leberkäse passiert, bis er beim Discounter in der Kühltruhe liegt? Und zu guter Letzt: Wie kann ich das Gekaufte zubereiten? fTrace hat sich zum Ziel gesetzt, solche Fragen zu beantworten.

"Wir bieten dem Kunden Sicherheit bei der Kaufentscheidung", sagt Susanne Sorg. Sie arbeitet für die Non-Profit-Organisation GS1 Germany, die hinter fTrace steht. Ziel sei es Transparenz zu schaffen über Nachverfolgbarkeit. Das Wort Transparenz benutzt Sorg häufig. Durchblick schaffen in einer Zeit, in der Bio-Eier aus Niederbayern Auslöser eines europaweiten Salmonellen-Ausbruchs sein können und andere Lebensmittelskandale so manchem den Appetit verderben.

Sorg erklärt die Wege am Beispiel eines Heringsfilets, vom Fangort in Norwegen, über den Hafen von Büsum zum Verarbeiter und dann zum Händler. Das Übertragen der Daten über die einzelnen Chargen und Rohdaten sind für den Fischer auf der Nordsee mit hochmodernen Datenerfassungssystemen möglich. Insgesamt gibt es vier unterschiedliche Wege, die Daten zu übertragen.

Für viele Produkte gibt es noch keine lesbaren Codes

"Wir wachsen stetig, jeden Tag", sagt Sorg. Seit 2012 gibt es fTrace. Der Fleischkonzern Tönnies hatte die App einst entwickelt. 28 000 Produkte von 300 Lieferanten wurden seitdem ins System eingelesen. Die Firma hat Schwierigkeiten mit der großen Nachfrage und dem Wachstum Schritt zu halten. Momentan werde daran gearbeitet Mitarbeiterstrukturen zu schaffen, um der Menge an Anfragen und Aufgaben Herr zu werden. 12 500 Nutzer hätten im April über App und Internetseite auf fTrace zugegriffen.

Es gebe noch Lücken, sagt Sorg, vor allem im Bio-Sektor. Das Unternehmen habe in seinen Anfängen doch eher die Sparte des Discountfleisches in Angriff genommen. Auf den Bio-Zug wolle man nun aufspringen, meint sie.

Isabell Brzoska hat die App getestet und Lücken festgestellt: Die Pharmazeutin, die mit ihrer Familie in Köln lebt, findet gar auf keinem der Produkte ihrer Stamm-Bioläden einen fTrace-QR-Code oder einer der anderen beiden Barcodes, die eingescannt werden können.

Denn viele Firmen machen nicht mit. Marlene Stratmann kauft dagegen häufig beim Discounter ein. Sie ist Mitte 30, Diplom-Pädagogin und von der Handhabung der App begeistert. "Super einfach, das verstehe sogar ich". Doch beim Einscannen hat sie dann doch Probleme. Sie testet bei 50 Produkten, ohne Erfolg. Unter anderem in einem Netto-Markt und ist verwundert. Das Problem: "fTrace kannte dort niemand", sagt Stratmann. Ernüchternd.

Die Spur von Fleisch lässt sich kaum nachvollziehen

Auch Selma Steinmeier macht sich auf die Suche. Sie scannt und gibt Dutzende Artikel in großen (Edeka) und lokalen Supermärkten im ostwestfälischen Raum (Centralkauf) ein - fündig wird sie schließlich bei Lidl. Suppenfleisch scannt sie dort und Kotelett - beim Fisch geht sie leer aus. Auch Wurst von in der Liste aufgeführten Partnern liest sie ein, mit keinem der aufgedruckten Codes kann die App etwas anfangen. Dürftig nach einer Stunde Suche. Steinmeier, eine Vegetarierin, die ihrer Mitbewohnerin und ihres Freundes wegen dennoch gelegentlich Fleisch im Kühlschrank hat, ist enttäuscht: "Auch wenn es grundsätzlich ziemlich interessant ist zu wissen, wo das Produkt herkommt und wie man es zubereiten kann, gibt es einfach zu wenige Waren, bei denen die App letztendlich zum Tragen kommt." Auch bei Obst und Gemüse, sagt die Studentin, würde sie die App nicht nutzen. Die derzeitigen Kennzeichnungen über die Herkunft reichen ihr hier aus.

Alle Testerinnen loben die Idee von fTrace, formulieren jedoch den gleichen Wunsch: Eine App, die alle Produkte übersichtlich miteinander vereint. Hin zu einer verpflichtenden Herkunftsbezeichnung. Sophie Herr, Leiterin des Teams Lebensmittel beim Verbraucherzentrale Bundesverband, kann das verstehen. Für den interessierten Konsumenten sei fTrace grundsätzlich aber dennoch eine gute Alternative, sagte sie. Aber Herr fordert Grundsätzlicheres: "Eine verpflichtende Herkunftsbezeichnung, auch für Fleisch als Zutat"

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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