Veganz:Lieber in den Supermarkt

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Jan Bredack wollte selbst in den USA einen veganen Markt eröffnen. Nun muss er seine Strategie überdenken. (Foto: Johannes Eisele/AFP)

Wer vegane Produkte kaufen will, braucht dafür nicht mehr ins Fachgeschäft. Das bekam auch die Kette Veganz zu spüren - und erfand sich neu.

Von Jan Schmidbauer, Berlin

Der Laden, durch den Veganz-Geschäftsführer Jan Bredack an diesem Dienstag führt, könnte so etwas wie das Vorzeigeobjekt seines Unternehmens sein. Mehr als 2000 vegane Produkte stehen hier in den Regalen: Quinoa-Schokolade, Goji-Beeren, Hanfmilch für 3,50 Euro pro Liter. Die Einrichtung ist modern, die Lage an der Warschauer Straße kaum zu schlagen, besonders für die Zielgruppe, die hier einkaufen geht. Junge Stadtmenschen, eher Skinny-Jeans als Cordhose.

Und doch taugt der Laden nicht zum Symbol für den Siegeszug der veganen Ernährung. Vielmehr ist er das Überbleibsel eines gescheiterten Plans. Der Veganz-Chef musste sein Unternehmen zuletzt radikal umbauen. Seit Ende des vergangenen Jahres hat der 45-Jährige die Hälfte der Filialen geschlossen.

Ob in Hamburg, Frankfurt oder München: Nach und nach sind die veganen Supermärkte, mit denen der ehemalige Daimler-Manager den Markt für nachhaltige Lebensmittel revolutionieren wollte, aus den Städten verschwunden. Zu mies waren die Umsätze, zu hoch die Mieten in den gefragten Innenstadt-Bezirken. Für die zugehörige Veganz Retail GmbH hatte Bredack deshalb eine eigenverwaltete Planinsolvenz beantragt. Damit wollte er versuchen, einen Teil der Läden zu sanieren. Mittlerweile sind aber bereits fünf der zehn Filialen geschlossen, nur die drei Standorte in Berlin sind Bredack zufolge gesichert.

"Die Leute fahren für drei vegane Schokoriegel nicht mehr durch die ganze Stadt", sagt Bredack

Vor sechs Jahren sah das noch ganz anders aus. Als Bredack damals Europas ersten veganen Supermarkt öffnete, war der Laden gut besucht. Einen ganzen Wagen mit veganen Lebensmitteln vollzupacken, anstatt Reformhäuser abzutingeln: Bei den Kunden kam diese Idee gut an. Weitere Veganz-Märkte kamen schnell hinzu, auch in europäischen Großstädten wie Prag oder Wien eröffnete Bredack Filialen. Zwischenzeitlich waren europaweit 20 Läden geplant, für 2017 gar die Eröffnung einer US-Filiale.

Daran ist heute nicht mehr zu denken. Und das, obwohl der Markt für vegane Lebensmittel weiterhin boomt. Nach Angaben des Vegetarierbunds Vebu ernähren sich eine Million Menschen in Deutschland vegan. Deutlich schneller als im restlichen Einzelhandel steigen die Umsätze mit pflanzlichen Lebensmitteln. "Der Erfolgskurs von Veggie-Produkten ist ungebrochen ", sagt Vebu-Geschäftsführer Sebastian Joy. In den kommenden Jahren werde der Markt weiter im zweistelligen Bereich wachsen. Das Institut für Handelsforschung (IFH) kam für 2015 auf Umsätze von 454 Millionen Euro, die allein mit veganen Fleisch- und Milchalternativen sowie Brotaufstrichen erzielt wurden, ein Plus von 26 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Warum ist diese Entwicklung an den Veganz-Märkten vorbeigegangen? Jan Bredack erklärt es so: "Die Leute fahren für drei vegane Schokoriegel nicht mehr durch die ganze Stadt. Diese Motivation ist einfach nicht mehr da." Was er damit sagen will: Verbraucher, die vegane Lebensmittel kaufen wollen, brauchen keine Fachgeschäfte mehr anzusteuern. Stattdessen kaufen sie ihren Hanf-Brotaufstrich im normalen Supermarkt. Fast jede Kette hat heute vegane Fleisch- und Milchalternativen im Sortiment. Auch Handelskonzerne wie Edeka und Rewe stellen sich auf die neue Zielgruppe ein und erweitern ihr veganes Angebot. Fleischunternehmen wie Rügenwalder Mühle oder Wiesenhof mischen ebenfalls mit und beliefern den Einzelhandel mit pflanzlichen Brotaufstrichen und Veggie-Wurst.

Für Veganz könnte diese Entwicklung verheerend sein. Doch das Gegenteil ist der Fall: Veganz profitiert kurioserweise davon, dass die Kunden nun lieber in die Supermärkte gehen. Vor etwa drei Jahren begann Jan Bredack mit dem Aufbau einer eigenen Produktlinie. Die Idee: Veganz-Lebensmittel sollen nicht nur in den eigenen Regalen stehen, sondern auch in den Märkten der großen Einzelhändler. Ein Plan, der aufgegangen ist. Laut Bredack haben mittlerweile 9000 Märkte in Europa Veganz-Produkte im Sortiment - Tendenz steigend. Mit der Vertriebsmarke macht Veganz mittlerweile sein Hauptgeschäft, die verbliebenen Veganz-Läden steuern nur noch fünf Prozent zum Umsatz bei.

Bredack weiß, dass er damit selbst den Niedergang seiner Filialen vorangetrieben hat. Wozu noch in den Veganz-Markt gehen, wenn es die gleichen Produkte im Supermarkt gibt? "Veganz kannibalisiert sich", schrieb die taz nach den großen Filialschließungen zu Beginn des Jahres. Bredack ist allerdings überzeugt, dass er sein Unternehmen nur so am Leben halten konnte. Seit den jüngsten Filialschließungen sei seine Firma nun sogar profitabel.

Trotzdem will der Veganz-Chef neues Geld bei seinen Investoren einsammeln. Um sich gegen die wachsende Konkurrenz im Einzelhandel zu rüsten, deren Produkte oft günstiger sind, plant er größere Investitionen in Werbung. Bredack weiß, wo er mit Veganz hin will: "Wir haben das ehrgeizige Ziel, eine Art Red Bull der veganen Branche zu werden", sagt er. Ein Unternehmen also, das durch seine Marke deutlich höhere Preise verlangen kann als die Konkurrenz. Man darf gespannt sein, ob sein Plan auch diesmal aufgehen wird.

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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