US-Regierung kontra Uber:Schaurig-schöne neue Welt

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Hallo Uber - die Internet-Vermittlung ist Fluch und Segen: Sie mischt tradierte Märkte auf, funktioniert aber nur, weil sie mit freien Mitarbeitern agiert. (Foto: Pablo Blazquez Dominguez/Getty Images)

Die US-Regierung will den um sich greifenden Trend zur Scheinselbständigkeit nicht länger hinnehmen.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Wer schon einmal mit Amerikas notorisch schlecht gelaunten, oft ortsunkundigen und meist radebrechenden Taxifahrern zu tun hatte, für den ist Uber so eine Art Strafe des Herrn: Ein paar Buchstaben ins Handy getippt, auf "Senden" gedrückt, und wenige Minuten später rauscht anstelle des miesepetrigen Profis ein freundlicher Amateur mit seinem Wagen heran und bringt den Gast ohne jedes Murren ans gewünschte Ziel. Auf dem platten Land, das viele reguläre Taxifahrer gar nicht erst ansteuern, ist der Newcomer oft sogar der einzig verfügbare Fahrdienst. Eine rundum gelungene Geschäftsidee also - die nun auch der US-Regierung immer mehr Bauchschmerzen bereitet und der sie nicht länger tatenlos zusehen will.

Gesamtwirtschaftlich betrachtet sind Unternehmen wie Uber, Lyft oder Airbnb, die keine eigenen Produkte oder Dienstleistungen anbieten, sondern nur eine Art Vermittlungsplattform zur Verfügung stellen, Fluch und Segen gleichermaßen: Sie mischen tradierte Märkte auf, funktionieren aber nur, weil sie statt mit festen mit freien Mitarbeitern agieren. Diese heißen mal "Vertragsarbeiter", mal "Inhaber", "Partner" oder auch "Mitglied eines Unternehmens mit begrenzter Verantwortung". Im Fall von Uber etwa stehen 160 000 solcher "Vertragsarbeiter" ganzen 4000 Festangestellten gegenüber. Wäre es anders, hätte das Unternehmen niemals so schnell wachsen können und wäre wohl heute noch keine ernst zu nehmende Alternative zum herkömmlichen Taxigeschäft.

Leitlinien sollen die "vorsätzliche Fehleingruppierung" von Beschäftigten stoppen

Die Kehrseite ist, dass die Beschäftigten über keinerlei Arbeitnehmerrechte verfügen: Oft wird der gesetzliche Mindestlohn umgangen, Überstunden bleiben unbezahlt, es besteht kein Versicherungsschutz bei Arbeitsunfällen, die Sozialversicherung ist alleinige Angelegenheit des "Vertragspartners". Dabei sind diese in Wahrheit gar nicht selbständig, wie jüngst das Beispiel des Logistikriesen Federal Express zeigte: Sie sind in Dienstpläne eingebunden, tragen Firmenkleidung und fahren mit Lastwagen durchs Land, auf denen das Logo des Unternehmens prangt.

Um die "vorsätzliche Fehleingruppierung" von Beschäftigten zu stoppen, hat das US-Arbeitsministerium jetzt Leitlinien veröffentlicht, die klarstellen sollen, wann ein Mitarbeiter als eigenständiger Unternehmer und wann als klassischer Arbeitnehmer zu behandeln ist. Entscheidend dafür soll sein, ob die Arbeit eines Beschäftigten "integraler Teil des Geschäftsmodells des Arbeitgebers" ist oder nicht. Als Beispiel nennt das Ministerium eine Firma, die komplett montierte Fertighäuser anbietet: Während die Mitarbeit eines Zimmermanns für die Erfüllung des Auftrags unabdingbar ist und er somit als Arbeitnehmer zu gelten hat, darf der Betrieb Software-Dienstleistungen, etwa in der Buchhaltung, auch an freie Mitarbeiter auslagern.

Die zweite Frage lautet, ob ein Beschäftigter eigene Managemententscheidungen trifft und, falls ja, ob er damit Einfluss auf die Höhe seines Gewinns oder Verlusts nehmen kann - ob er also beispielsweise eigenständig Verträge aushandelt, Termine festlegt und die Freiheit hat, einen Job auch abzulehnen oder umgekehrt eigene Mitarbeiter zu seiner Unterstützung einzustellen. Weitere Kriterien sind, ob teure Investitionsgüter, zum Beispiel Lastwagen, vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden oder nicht, ob der Beschäftigte dauerhaft oder nur immer wieder einmal für den Auftraggeber arbeitet und ob dieser bestimmt, wann, wo und in welcher Form eine Tätigkeit ausgeführt wird.

Ob die US-Regierung diese "Leitlinien" tatsächlich eins zu eins umsetzen wird, ist allerdings fraglich, denn sie würden wohl das Aus für Firmen wie Uber bedeuten - zumindest in ihrer bisherigen Form. Es wäre das Ende einer Entwicklung, die schon in den Siebzigerjahren als Nischen-Phänomen begann und nach Schätzung von Experten mittlerweile mehrere zehn Millionen Amerikaner betrifft.

Dass die Politik dem Trend zur Scheinselbständigkeit lange zugeschaut, ja, ihn gar befördert hat, ist kaum verwunderlich, denn kurzfristig betrachtet hat er für eine Regierung große Vorteile. So wäre der jüngste drastische Rückgang der Arbeitslosigkeit in den USA - wie übrigens auch in Deutschland - ohne die Entstehung dieser Beschäftigungsform nicht möglich gewesen. Experten befürchten jedoch, dass mittel- und langfristig gesehen auch der Staat der Gelackmeierte ist: So bluten das Steuer- und vor allem das Sozialversicherungssystem aus, wenn immer mehr Menschen immer weniger verdienen oder überhaupt einzahlen. Zudem schürt der Verlust bisher fester Mittelklasse-Jobs Unsicherheit in der Bevölkerung. Die Nutznießer sind, auch das ist in den USA wie in Deutschland längst zu beobachten, radikale Gruppierungen und Parteien wie die Tea Party und die AfD.

© SZ vom 21.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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