Urteil in Stuttgart:Umwelthilfe unterliegt Daimler

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Viel beachtete Zivilklage wegen vermeintlich irreführender Werbung für ein Diesel-Fahrzeug wird vom Landgericht abgewiesen.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Nach dem Gerichtstermin vor acht Wochen war Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) noch sehr optimistisch, jetzt ist er sehr enttäuscht. Seine Klage gegen den Autohersteller Daimler AG wegen irreführender Werbung ist am Donnerstag vom Landgericht Stuttgart abgewiesen worden.

Der Konzern hat die strittigen Aussagen im Internet längst gelöscht

Der DUH-Geschäftsführer hatte dem Konzern vorgeworfen, er täusche die Verbraucher und führe sie in die Irre. Daimler hatte im Internet sein Diesel-Modell Mercedes-Benz C 220 BlueTec als umweltfreundliches Fahrzeug beworben, obwohl es im Straßenverkehr die Stickoxid (NOx)-Grenzwerte laut DUH um das bis zu 28-Fache überschreite. Deshalb wollte die Umwelthilfe den Konzern dazu zwingen, ihre Werbeaussage zurückzunehmen. Die angegriffenen Sätze lauteten so: "BlueTec reduziert die Emissionswerte unserer hochmodernen Dieselmotoren auf ein Minimum." Und: "Dabei werden alle relevanten Emissionsbestandteile auf ein Minimum reduziert."

Projekt Saubere Luft: Wenn sich Jürgen Resch etwas vorgenommen hat, zieht er es auch durch, wenn es sein muss mit Dutzenden Gerichtsbeschlüssen wie beim Feinstaubfahrverbot. Foto von 2017, entstanden am Stuttgarter Schlossplatz. (Foto: Franziska Kraufmann/dpa)

Jürgen Resch bezeichnet diese Aussagen als falsch und deshalb als irreführend. Er beruft sich dabei auf die niederländische Prüforganisation TNO, die bei dem Mercedes im Straßenverkehr eine bis zu 28-fache Überschreitung der geltenden Stickoxid (NOx)-Grenzwerte festgestellt hatte.

Die Daimler AG wies den Vorwurf der Verbrauchertäuschung stets zurück. Dabei widersprach sie dem Testergebnis der TNO nicht und ging auch ansonsten kaum inhaltlich auf die Kritik ein. Stattdessen argumentierten Daimler-Vertreter vor Gericht, es handele sich hier um keine "einheitliche" Werbeaussage. Um von einer Automodell-spezifischen Webseite auf die generelle Beschreibung der Harnstoff-Einspritztechnologie von Bluetec zu kommen, müsse man sieben Mal klicken. Diese Argumente wischte die Richterin allerdings vom Tisch. Sie forderte Daimler auf, weitere Erklärungen nachzureichen, was genau unter der Abgas-Nachbehandlung verstanden werden solle. Die entscheidende Frage ist: Arbeitet das Emissionsminderungssystem im Mercedes C 220 BlueTec bei niedrigen Temperaturen nur eingeschränkt? Wenn ja, ab wann wirken diese Einschränkungen und wie stark sind sie?

Am Donnerstag warteten im Sitzungssaal 27 des Stuttgarter Landgerichts viele Journalisten auf das Urteil der Kammer für Handelssachen, sie erhofften sich Antworten auf diese Fragen. Aber es gab keine. "Die Kammer verneint eine Irreführung der Verbraucher", sagte Richterin in ihrem vierminütigen Verkündigungstermin.

Die Aussage "auf ein Minimum" sei so zu verstehen, dass Daimler bei der Reduzierung der Emissionen eben das Minimum dessen erreichte, was dem Unternehmen "damals technisch möglich" war. Es gebe "keinen Anlass" anzunehmen, der Konzern wolle mit seiner Aussage behaupten, seine Technologie sei das beste, was derzeit auf dem gesamten Markt erhältlich sei. Somit habe die Daimler AG nicht behauptet, sie nehme bei der Abgasreinigung eine Spitzenstellung innerhalb der Branche ein.

DUH-Chef Jürgen Resch erfuhr von der Urteilsbegründung telefonisch und bezeichnete sie spontan als "unglaublich". Wenn der Weltkonzern Daimler den Superlativ "Minimum" in den Mund nehme, dann gingen ihm zufolge viele Verbraucher auf jeden Fall davon aus, dass das Mercedes-Fahrzeug mit anderen Automarken verglichen werde. "Und nicht mit sich selbst", sagt Resch, "so klein hat sich Daimler noch nie gemacht."

Resch will nun prüfen, ob er Berufung zum Oberlandesgericht Stuttgart einreichen wird. Daimler teilte zufrieden mit: "Wir freuen uns, dass das Gericht unsere Rechtsauffassung bestätigt hat." Die strittigen Aussagen hat das Unternehmen im Internet längst gelöscht und auch den Produkt-Begriff BlueTec verwendet es nicht mehr. Insofern war DUH-Chef Resch trotz der juristischen Niederlage also sogar erfolgreich. Und was in jedem Falle in der Welt bleibt, ist der Vorwurf, dass das Mercedes-Modell auf der Straße das 28-Fache an Schadstoffen ausstößt als auf dem Prüfstand.

© SZ vom 30.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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