Urteil im Fall Zumwinkel:In Justitias Hand

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Technischer Fortschritt, ein Umdenken in der Politik und die bessere Ausbildung der Ermittler haben dazu geführt, dass Wirtschaftskriminalität konsequenter geahndet wird. Deutlich zeigt dies der Fall Zumwinkel - hier wird heute ein Urteil erwartet.

Hans Leyendecker

Der Frankfurter Anwalt Hanns Feigen pendelte in den vergangenen Tagen zwischen Gerichtssälen in Hamburg und Bochum. Zweimal trat er an der Seite ehemaliger Vorstandschefs auf: In der Hansestadt verteidigte er Eckhard Spoerr, den ehemaligen Vorstandschef des Mobilfunkanbieters Freenet, dem verbotene Insidergeschäfte vorgeworfen werden. In diesem Fall wird das Urteil für Freitag erwartet.

Ehemaliger Postchef Zumwinkel beim Prozess in Bochum: Wirtschaftskriminalität "ein Buch mit sieben Siegeln". (Foto: Foto: AP)

Mehr Aufmerksamkeit bekommt jedoch ein anderes Verfahren, an dem Feigen beteiligt ist. In der Revierstadt verteidigte er den früheren Postchef Zumwinkel, dessen Prozess am Montag zu Ende geht - voraussichtlich kommt der ehemalige Manager mit einer Bewährungsstrafe relativ glimpflich davon.

Schutzlos in Justizias Hand

Zwei Urteile in einer Woche gegen einstige Vorstandschef signalisieren auch einen justizpolitischen Wandel: Während man früher in Gerichtssälen fast nur karierten Kragen und ganz selten weißen Hemden begegnete, sind plötzlich die Chefs der ehemaligen Deutschland AG nicht mehr sakrosankt; mancher von ihnen fühlt sich sogar schutzlos in Justitias Hand. Die besten Strafverteidiger wurden in den vergangenen Monaten von großen Konzernen vorsorglich für den Fall bestellt, dass auch sie von Strafverfolgern heimgesucht würden.

Es hat allerdings eine Weile gedauert, bis Staatsanwälte überhaupt in der Lage waren, in kniffligen Wirtschaftsverfahren einigermaßen den Durchblick zu bekommen. Vor gut zwanzig Jahren stand in einem von zwei Strafverfolgern verfassten Handbuch über Wirtschaftkriminalität, dass die mit dieser Problematik befassten Kriminalisten, Staatsanwälte und Richter von der Sache wenig verstünden. Wirtschaftskriminalität sei für sie "oft ein Buch mit sieben Siegeln".

Auch blockten Politiker die allzuforsche Ausforschung von Unternehmern und Unternehmen früher gern ab. Der Korruptionsfall Siemens wäre vermutlich zu Zeiten von Franz Josef Strauß kein Fall gewesen. Als der heutige Hammer Generalstaatsanwalt Manfred Proyer vor etlichen Jahren noch Chef der Bochumer Staatsanwaltschaft war, erklärte ihm ein führender Kommunalpolitiker, er betrachte bereits die Existenz der Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft gegen Wirtschaftskriminalität als "Standortnachteil". Solche Vorbehalte gibt es vermutlich noch immer, aber offen zumindest werden sie nicht mehr erklärt.

Einnahmen für die Staatskasse

Mittlerweile ist auch die Aus- und Fortbildung der Beamten von Landeskriminalämtern in solchen Angelegenheit viel besser geworden. Die spezielle Ausbildung der Staatsanwälte ist zwar weniger systematisch als die der Ermittler, aber im Vergleich zu der Tristesse von einst hat sich doch eine Menge getan. Auch gibt es mittlerweile in der Republik etliche Schwerpunktstaatsanwaltschaften - und wo gegraben wird, werden die Ermittler meist fündig. Dass mit ein paar DVD und einer CD Rom, die untreue Angestellte herausgeschmuggelt hatten, die Steuerfeste Liechtenstein geknackt werden konnte, ist eine Folge der rasanten elektronischen Entwicklung. Einst hätte das Material mit Hilfe von Lastwagen weggeschafft werden müssen.

Durch die Finanzkrise hat sich womöglich auch bei manchem Zeitgenossen der Blick auf das Steuerstrafrecht geändert. Wer dem "helfenden Staat mit strafbaren Methoden die nötigen Gelder verweigert, befindet sich bereits in der Feindesrolle", erklärte jüngst ein Redner auf dem 31. Deutschen Steuerberatertag.

Einfache Rechnungen werden gemacht: Bund und Länder haben für die Liechtenstein-DVD rund 4,6 Millionen Euro an einen Vaduzer Datendieb gezahlt, der davon dem deutschen Fiskus 400.000 Euro Steuern zahlen musste. Rund 150 Millionen Steuern, die zuvor mit Hilfe von Stiftungen in Liechtenstein hinterzogen worden waren, kamen dadurch in den vergangenen zwölf Monaten zusätzlich in die Staatskasse. Mit Gesamteinnahmen in Höhe von rund einer halben Milliarde Euro bis zum Ende der rund 680 Verfahren rechnen Fahnder. Auch Zumwinkel hat ein paar Milliönchen dazu beigetragen.

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Manager Zumwinkel
:Seine Höhen, seine Tiefen

Klaus Zumwinkel - Ein Veteran der deutschen Wirtschaft. 13 Jahre lang war er Vorstandschef der Deutschen Post, zuvor vier Jahre lang Geschäftsführer der Bundespost. 2008 häuften sich jedoch die Hässlichkeiten: nach dem Verkauf von eigenen Aktienoptionen im Dezember 2007 stürmten am 14. Februar 2008 Ermittler die Zumwinkelsche Villa und die Post-Zentrale. Verdacht: Steuerhinterziehung.

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