Ursachenforschung nach Rauswurf:Pischetsrieder soll Intrige gegen Piëch gedeckt haben

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"Zu phantasielos", "zu entscheidungsschwach" - so lauteten bislang denkbare Begründungen für den Rauswurf Bernd Pischetsrieders bei Volkswagen. Nach einer neuen Hypothese soll nun alles ganz anders gewesen sein.

Einem Bericht zufolge soll der scheidende VW-Chef Bernd Pischetsrieder über ein vom Land Niedersachsen eingefädeltes Komplott gegen den VW-Großaktionär Porsche gestürzt sein. VW-Aufsichtsrat Ferdinand Piëch, der gleichzeitig ein großes Aktienpaket bei Porsche hält, habe das als Kampfansage betrachtet.

Trauten sie sich am Schluss noch über den Weg? Bernd Pischetsrieder (links) und Ferdinand Piëch. (Foto: Foto: dpa)

Piëch sei in Gegensatz zu Pischetsrieder geraten, weil dieser gemeinsam mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff ein Gegengewicht zu Porsche im Aktionärskreis habe aufbauen wollen, berichtete das Handelsblatt unter Berufung auf Aufsichtsratskreise.

Hintergrund des Vorwurfs sind die vertrackten Verflechtungen zwischen Volkswagen, dem Lkw-Hersteller MAN und der Sportwagenschmiede Porsche sowie das derzeitige Gerangel um den schwedischen Lkw-Hersteller Scania.

Jeder mit jedem

Wie auch Porsche ist das Land Niedersachsen Großaktionär bei VW. Zu Beginn der Woche hatten Medien spekuliert, auch MAN könnte sich künftig in größerem Umfang an VW beteiligen. Umgekehrt hatte VW bereits Ende Oktober angekündigt, mit bis zu 30 Prozent bei MAN einsteigen zu wollen.

Dass sich der Münchner Lkw-Hersteller angeblich im Gegenzug bei VW engagieren will, wurde zunächst als geschickter Winkelzug interpretiert, um das derzeitige Übernahmeangebot an den schwedischen Konkurrenten Scania erfolgreich abschließen zu können.

Nicht ohne die Zustimmung aus Wolfsburg

MAN will Scania für circa zehn Milliarden Euro übernehmen. Das geht allerdings nicht ohne die Zustimmung aus Wolfsburg, da VW mit 34 Prozent am schwedischen Konzern beteiligt ist.

Wie das Handelsblatt nun berichtet, soll es ganz andere Gründe für das Interesse von MAN an VW gegeben haben: In Wahrheit habe Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der als Intimfeind Piëchs im VW-Aufsichtsrat gilt, MAN-Chef Hakan Samuelsson zu der Beteiligung überredet, um mit diesem einen Gegenpol zu Großaktionär Porsche zu schaffen.

Porsche will Einfluss bei VW vergrößern

Auch Porsche will derzeit seinen Einfluss bei VW vergrößern: Der Sportwagen-Hersteller hatte erst vor wenigen Tagen bestätigt, seinen Anteil an VW auf bis auf knapp 30 Prozent ausbauen zu wollen.

Pischetsrieder solle von den Gesprächen zwischen Wulff und Samuelsson gewusst haben, berichtet das Handelsblatt weiter. Piëch betrachtete den Versuch, ein Gegengewicht zu Porsche aufzubauen, offenbar als Kampfansage - und machte das angebliche Komplott öffentlich. "Das wäre ein offener Affront gewesen, den sich ein Machtmensch wie Piëch nicht gefallen lässt", urteilte ein Analyst dem Handelsblatt zufolge.

Pischetsrieder sei dadurch so stark unter Druck geraten, dass er seinen Rücktritt habe erklären müssen, so das Handelsblatt.

Bislang hatte sich weder VW noch Porsche noch Wulff zu den Umständen des Rauswurfs von Pischetsrieder äußern wollen. Unmittelbar nach dem Rauswurf war spekuliert worden, dass Piëch Konzernchef Pischetsrieder schon lange auf der Abschussliste gehabt habe, aber erst jetzt die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat für sein Anliegen habe gewinnen können.

Sanierungskurs

Pischetsrieder soll wegen seines Sanierungskurses bei VW in Konflikt mit der Arbeitnehmerseite geraten sein. Zudem galt der scheidende Konzernchef bei vielen Beobachtern als zu entscheidungsschwach und zu phantasielos.

Audi-Betriebsratschef Peter Mosch, der dem VW-Aufsichtsrat angehört, erklärte dazu lediglich, dass die Initiative zur Ablösung Pischetsrieders nicht von der Arbeitnehmerseite kam. Der VW-Chef habe wohl keine Möglichkeit mehr gesehen, an der Stelle weiterzumachen, und seinen Rücktritt angeboten.

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