Urlaub:Bares statt Ballermann

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Alles nach Spanien! Bereits im Juni zählte das beliebteste Urlaubsland der Deutschen 29 Millionen Besucher - ein neuer Rekord. Am Strand von Magaluf auf Mallorca wurde es noch enger als sonst. (Foto: David Ramos/Getty )

Welchen Wert hat ein Urlaub, den es nicht gab? Immer wieder müssen Gerichte klären, ob und wann Arbeitgeber entgangene freie Tage auszahlen müssen.

Von Catrin Gesellensetter

Früher war mehr Erholung. Nicht nur, dass die Deutschen den Titel des Reiseweltmeisters inzwischen an die Volksrepublik China verloren haben. Es fällt ihnen auch immer schwerer, im Urlaub wirklich abzuschalten. So muss man jedenfalls eine repräsentative Umfrage der Deutschen Unfallversicherung lesen. Danach ruft jeder siebte deutsche Arbeitnehmer während der Ferien berufliche E-Mails auf, jeder vierte verreist nicht ohne Laptop, und jeder sechste nimmt gelegentlich sogar frei, um liegengebliebene Geschäfte ungestört abarbeiten zu können.

Ihrem Arbeitgeber tun die Beschäftigten damit allerdings nicht unbedingt einen Gefallen. Denn den "Erholungsurlaub", der jedem Arbeitnehmer zusteht, definiert die Rechtsprechung in Deutschland noch immer als "bezahlte Freistellung zur Wiederherstellung und zum Erhalt der Arbeitskraft". Während des Urlaubs verbietet das Gesetz daher jede "dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit". Das führt fast zwangsläufig zu der Frage: Welche Rechte haben Beschäftigte, wenn ihr Urlaub immer wieder gestört wird oder gar ganz ins Wasser fällt?

Allgemein verbindliche Antworten darauf gibt es allerdings nicht. Für viele klassische Konfliktsituationen haben die Gerichte inzwischen aber gültige - und oft überraschende - Regeln entwickelt.

Können Arbeitnehmer, die im Urlaub arbeiten, Ersatz für die entgangene Freizeit verlangen?

Jein. Urlaub bedeutet Erholung und selbstbestimmte Freizeit. Schon ein einziges Telefonat mit Kunden oder Kollegen stört deshalb und infiziert den Tag mit Arbeit. Ersatz gibt es aber nur, wenn der Arbeitgeber diese Tätigkeiten angeordnet hat: Ruft also der Chef persönlich im Hotel an oder bombardiert er seinen Mitarbeiter am Strand mit E-Mails, kann dieser nach seiner Rückkehr verlangen, dass die Tage, an denen er gearbeitet hat, seinem Urlaubskonto wieder gutgeschrieben werden. "Wer hingegen im Liegestuhl aus Langeweile sein Smartphone zückt und bei der Gelegenheit auch gleich ein paar Mails beantwortet, hat, weil er freiwillig gearbeitet hat, keinen solchen Anspruch", sagt Philipp Meese, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Vangard in Düsseldorf.

Lässt sich der Urlaubsanspruch auch versilbern?

Normalerweise nicht. Grund ist erneut, dass Urlaub der Erholung dienen soll. Und die lässt sich nur durch eine Auszeit, nicht durch Bares herbeiführen. Eine Abgeltung nicht verbrauchter Urlaubstage ist selbst dann nicht vorgesehen, wenn der betreffende Mitarbeiter den Urlaub nur deshalb nicht im laufenden Kalenderjahr abfeiern konnte, weil der Chef - etwa wegen eines Großauftrags im Dezember - eine Urlaubssperre verhängt hat. "In solchen Konstellationen können Angestellte noch offene Tage aber mit ins neue Jahr retten und damit verhindern, dass sie mit dem Jahreswechsel verloren gehen", sagt Anwalt Meese. Spätestens bis zum 31. März des Folgejahres muss der Resturlaub jedoch verbraucht sein, sonst verfällt er ersatzlos.

Aber: Es gibt von diesem Grundsatz Ausnahmen. Die wichtigste: Wenn das Arbeitsverhältnis endet, bevor der Angestellte noch ausstehenden Urlaub vollständig verbrauchen konnte, darf er die Abgeltung der ungenutzten Tage verlangen. Ein Wahlrecht zwischen Geld und Urlaub hat er auch in dieser Konstellation nicht. "Solange die Kündigungsfrist noch läuft, darf der Arbeitgeber verlangen, dass er die verbleibenden Tage so weit wie möglich abfeiert", sagt Barbara Reinhard, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Kliemt & Vollstädt in Frankfurt. "Nur wenn am letzten Arbeitstag noch immer etwas übrig ist, muss der Arbeitgeber diesen Rest in Geld auszahlen." Abzugelten ist überschüssiger Urlaub zudem, wenn der Arbeitnehmer verstirbt, bevor er seine Ferien abfeiern konnte. Das Geld steht dann den Erben zu (EuGH, Rechtssache C-118/13).

Entsteht auch in der Elternzeit Anspruch auf Urlaub?

Grundsätzlich schon. Das Gesetz erlaubt es Unternehmen aber, für jeden vollen Elternzeit-Monat im laufenden Kalenderjahr ein Zwölftel des Jahresurlaubs zu streichen. Damit können sie den Anspruch faktisch auf null drücken, wenn der Arbeitnehmer in der Elternzeit nicht arbeitet. "Für die Kürzung reicht es, dass der Arbeitgeber sie gegenüber dem Mitarbeiter - idealerweise schriftlich - erklärt", sagt Anwalt Meese.

DDas kann auch nach Antritt der Elternzeit geschehen (Bundesarbeitsgericht, Az. 9 AZR 340/91). Unbegrenzt Zeit lassen darf sich der Chef aber nicht. Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses ist eine Kürzung nicht mehr möglich (Bundesarbeitsgericht, Az. 9 AZR 725/13). Die Folge: Hat der Arbeitgeber bis zum Ende der Kündigungsfrist nicht mitgeteilt, dass er den Urlaub nicht gewähren will, können Väter und Mütter nach ihrem Ausscheiden die Abgeltung der in der Elternzeit nicht verbrauchten freien Tage verlangen.

Was gilt, wenn ein Arbeitnehmer dauerhaft erkrankt und deshalb nicht frei nehmen kann?

Auch in diesem Fall gibt es, so lange das Arbeitsverhältnis besteht, keinen Ersatz in barer Münze. Allerdings gesteht die Rechtsprechung dauerkranken Arbeitnehmern weitreichende Sonderrechte zu. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs dürfen sie ihre qua Krankheit unverbrauchten Urlaubstage deutlich länger aufsparen als gesunde Mitarbeiter (Rechtssache C-214/10). Der Anspruch auf den vollen gesetzlichen Jahresurlaub besteht nach Ablauf des Kalenderjahres 15 Monate lang weiter (Bundesarbeitsgericht, Az. 9 AZR 353/10). Erst wenn er innerhalb dieser Frist nicht abgefeiert wird, verfällt er endgültig. Hat ein Arbeitnehmer 30 Tage Urlaub pro Jahr, können sich im Extremfall bis zu viereinhalb Monate anhäufen: Wer etwa vom ersten Januar 2014 bis zum 10. Februar 2016 krank ist, aber am 11. Februar 2016 wieder zur Arbeit erscheint, kann rein rechtlich den vollen Jahresurlaub für die Jahre 2014 und 2015 verlangen - zuzüglich der 30 Tage für 2016. Grund: Der Anspruch auf den vollen Jahresurlaub entsteht im laufenden Arbeitsverhältnis immer zu Beginn des jeweiligen Kalenderjahres. Der Arbeitnehmer kommt somit auf 90 Urlaubstage. Das sind bei einer Fünf-Tage-Woche 18 Wochen bezahlte Freizeit.

Können Unternehmen durch spezielle Vertragsklauseln verhindern, dass sich solche Urlaubsmengen anhäufen?

Zum Teil ist das möglich. Eine beliebte Variante: Die Unterscheidung zwischen gesetzlich vorgeschriebenem und vertraglich gewährtem Urlaub. Der Hintergrund: Das Gesetz schreibt bei einer Fünf-Tage-Woche nur 20, bei einer Sechs-Tage-Woche 24 Tage Jahresurlaub verbindlich vor - und die arbeitnehmerfreundliche Rechtsprechung bezieht sich nur auf diesen Anspruch. "Unternehmen können deshalb verlangen, dass Mitarbeiter erst ihren gesetzlichen Urlaub nehmen, bevor sie die Zusatztage abfeiern", sagt Anwältin Reinhard. Ebenfalls erlaubt ist es, die zusätzlich vorgesehenen freien Tage am 31. Dezember verfallen zu lassen - unabhängig davon, aus welchem Grund der Arbeitnehmer sie noch nicht abgefeiert hat. Im obigen Beispiel könnte der dauerkranke Arbeitnehmer daher aus der Krankheitsperiode 2014 und 2015 statt 60 nur noch 40 freie Tage beanspruchen.

© SZ vom 14.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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