Unternehmensweitergabe:Das Machtvakuum

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Bei der Unternehmensweitergabe kommt es auf die Kommunikation an, um Ängste abzubauen.

Von DAGMAR DECKSTEIN

"Die Familie und ihr Unternehmen" - das ist nicht nur ein weites Themenfeld, sondern auch der Titel des neuesten Buchs von Brun-Hagen Hennerkes und Rainer Kirchdörfer. Die beiden Rechtsanwälte, Berater und Vorstände der "Stiftung Familienunternehmen" haben darin so ziemlich alle Problemfelder seziert, die Deutschlands wohl wichtigste Wirtschaftskraft betreffen. Immerhin sind 91 Prozent aller 3,4 Millionen Unternehmen hierzulande familienkontrolliert, 88 Prozent sind eigentümergeführt. Da ein Großteil schon über Jahrzehnte hinweg besteht, drängt sich immer häufiger die Nachfolgefrage auf. "Der Nachfolgeprozess in deutschen Familienunternehmen verläuft nicht optimal. In vielen Unternehmen ist er nicht professionell geplant und wird, selbst wenn er sorgfältig durchdacht sein sollte, schlecht umgesetzt", schreiben Hennerkes und Kirchdörfer. Die häufigsten und immer wiederkehrenden Fehler: Der gegenwärtige Unternehmer beschäftigt sich überhaupt nicht mit Nachfolgefragen, weil er sich auch noch in den hohen Sechzigern zu jung und zu fit fühlt. Der bloße Gedanke daran, den Stab weitergeben zu müssen, ist für manchen Inhaber unerträglich; er legt zwar testamentarisch etwas fest, spricht aber in der Familie nicht darüber; die eigenen Nachkommen werden hinsichtlich ihrer unternehmerischen Fähigkeiten fehleingeschätzt, aus gut gemeinten elterlichen Gleichbehandlungsprinzipien wird das Steuerruder in nicht geeignete Hände gelegt.

Über solche Schwierigkeiten können auch Heinrich Schaible und Markus Weber berichten. Als geschäftsführende Gesellschafter der bereits 1967 gegründeten Personal- und Unternehmensberatung Dr. Maier + Partner in Stuttgart sind die beiden Experten vertraut mit den Problemen des baden-württembergischen Mittelstands mit seinen Weltmarktführern und knorrigen Patriarchen an der Spitze. Sie wissen auch, was immer wieder schiefgehen kann beim Generationen- oder Eigentümerwechsel innerhalb des familiären Umfelds oder jenseits davon - etwa beim manchmal unabwendbaren Verkauf des Unternehmens an Finanzinvestoren.

Beim Stichwort Investoren sind meist nicht nur die Mitarbeiter verängstigt

Nach der jüngsten Schätzung des Bonner "Instituts für Mittelstandsforschung" steht bis 2018 in etwa 135 000 deutschen Familienunternehmen die Übergabe an. "Nur zwölf Prozent der Familienunternehmen schaffen die Weitergabe des Unternehmens bis in die dritte Generation, und sogar nur noch einem mageren Prozent gelingt der Übergang in die fünfte Generation", zitiert Heinrich Schaible das Ergebnis einer Studie. Und der Rest? In vielen Fällen, so die Berater, helfe eben - auch mangels geeigneter Familiennachfolger - nichts anderes mehr als der Verkauf. Auch der Verkauf an einen Finanzinvestor. Da hätten in manchen Fällen nicht zuletzt auch die Hausbanken ein Auge darauf, dass das Unternehmen möglichst professionell weitergeführt wird.

Aber beim Stichwort Investoren seien meist nicht nur die Mitarbeiter verängstigt. Auch anzuwerbende neue Fach- und Führungskräfte schrecke dies häufig ab. Die Personalberatung bei der Vermittlung solcher Fach- und Führungskräfte ist das angestammte Kerngeschäft von Maier + Partner und ihren 20 Mitarbeitern. "Von den Zukunftsängsten der Belegschaft mal abgesehen, was der neue Eigentümer mit 'ihrem' Unternehmen wohl anstellen wird, ist dieses einst vom seinerzeitigen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering 2005 in die Welt gesetzte 'Heuschrecken'-Horrorszenario immer noch tief in den Köpfen präsent." Das nach wie vor verbreitete Klischeebild: "Diese Investoren schaffen Arbeitsplätze ab, kürzen Leistungen und Ausgaben, filetieren das Unternehmen und verkaufen es dann meistbietend." Aber dieses Bild treffe - bis auf manche Ausnahmen - ganz und gar nicht zu.

Oftmals gingen die familienfremden Investoren viel professioneller vor, räumten mit eingefahrenen, aber ineffizienten Strukturen auf, führten ein Management nach Zahlen und Zielen ein. Markus Weber hat da ein Beispiel aus eigener Erfahrungen parat: 2003 arbeitete er noch für das amerikanische Medizintechnikunternehmen Stryker, das damals den 1951 in Freiburg gegründeten Medizintechnikhersteller Leibinger übernahm. "Mit neuen Managementprinzipien und viel intensiverer Kommunikation haben wir es geschafft, die Lieferzeiten für Medizinprodukte von ehemals 400 auf 20 Tage zu verkürzen."

Das A und O bei solchen Übernahmeprozessen sei die Kommunikation, meinen Weber und Schaible: "Es gilt, jeden Tag um die Belegschaft zu werben, transparent zu machen, was der neue Eigner an Investitionen und Innovationen plant." Denn nicht selten sei es - nach ihren Beratererfahrungen "leider" - an der Tagesordnung, dass die Fluktuationsrate im übernommenen Betrieb auf bis zu 40 Prozent steige. "Es ist", sagt Weber, "bedauerlicherweise nach wie vor so, dass der Begriff alteingesessenes Familienunternehmen viel zu positiv besetzt ist, auch wenn die zuweilen ziemlich unprofessionelle Geschäftsführung nach alter Väter Sitte das gar nicht rechtfertigt. Die Familie ist, zumal in der Unternehmensweitergabe, nicht immer ein Hort der Glückseligkeit."

Oft bleibe gar nicht viel mehr übrig, als das Unternehmen mangels geeigneter Familienerben in fremde Geschäftsführer-Hände zu legen oder zu verkaufen. "Viele Familienunternehmen sind heute schlicht zu groß und zu komplex, um allein von einer Familie gesteuert zu werden", meinen Schaible und Weber. Der Zwang zu neuen Geschäftsmodellen aufgrund der Digitalisierung oder Internationalisierung übersteige nicht selten den Erfahrungshorizont der Gründer und nicht zuletzt die knappe Kapitaldecke des Unternehmens.

Doch ob Finanz- oder strategischer Investor: Nicht nur in den Augen der ange-stammten Belegschaft hinterlässt der Unternehmensübergeber stets große Fuß-stapfen, und dazu noch ein gehöriges Autoritätsvakuum. Das gilt es erst einmal auszufüllen - ob durch Familienerben, Fremdmanager oder Finanzinvestoren.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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