Unternehmensanleihen:Gern auch mal Ramsch

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Seit Juni erwirbt die EZB auch Firmenanleihen. Die unerwünschten Nebenwirkungen zeigen sich schon deutlich.

Von Harald Freiberger, München

In Deutschland gab es von Anfang an scharfe Kritik an den Maßnahmen der EZB. Das war schon so beim Ankauf von Staatsanleihen - das gilt nun auch für den Erwerb von Unternehmensanleihen. Der Vorwurf: zu hohe Risiken. Seit 8. Juni kauft die EZB auch Schuldscheine, die private Firmen ausgegeben haben; davor hatte sie sich auf die Staatstitel beschränkt. Das sollte vor allem einen Effekt haben: Wenn ein so großer Käufer wie die EZB auf den Markt tritt, steigt die Nachfrage. Dadurch sinken für die Unternehmen die Zinsen, sie können sich billiger verschulden. Das soll dazu führen, dass sie mehr investieren und so die lahmende Konjunktur in Europa ankurbeln.

Fast alle Dax-Konzerne befinden sich auf der Kaufliste - aber auch große Mittelständler

Der erhoffte positive Effekt - ein Konjunkturaufschwung - ist knapp drei Monate nach Start des Kaufprogramms noch nicht recht zu spüren. Dafür zeigen sich die unerwünschten Nebenwirkungen schon deutlich. Unternehmensanleihen für fast 20 Milliarden Euro hat die EZB bereits gekauft. "Sie hat losgelegt wie die Feuerwehr und ihren Plan bis jetzt nach allen Maßstäben sehr aggressiv durchgezogen", sagt Bernhard Grünäugl, Anleihen-Experte der Commerzbank. Die Rendite europäischer Unternehmensanleihen mit gutem Rating hat sich seit März, als die EZB das Programm ankündigte, auf rund 0,8 Prozent halbiert. Große Unternehmen mit sehr guter Bonität können sich zu fast null Prozent verschulden. Das bedeutet aber auch, dass Investoren weltweit sich immer schwerer tun, für vergleichsweise sichere Anlagen überhaupt noch Rendite zu bekommen.

Die nationalen Notenbanken setzen für die EZB das Kaufprogramm um. Die Einkaufsliste der Bundesbank liest sich wie das "Who is who" der deutschen Wirtschaft. Ob Allianz, Daimler, SAP, Telekom, Siemens oder Eon - es gibt kaum einen Dax-Konzern, dessen Anleihen die Bundesbank nicht gekauft hat. Aber auch große Privatunternehmen wie Bosch oder Würth stehen auf der Liste. Zudem fällt auf, dass die Bundesbank gern zu Anleihen von Immobilienkonzernen wie Vonovia oder Alstria greift. Das spezielle Risiko bei ihnen ist, dass sie mit dem Geld aus den Anleihen weitere Immobilien kaufen und die Blase, die es in manchen deutschen Regionen schon gibt, weiter aufpumpen.

Was auch auffällt: Die EZB hat nicht nur Papiere mit bester Bonität gekauft, wie manche erwartet hatten. Die Regeln schreiben vor, dass die Unternehmensanleihen mindestens Investmentstatus haben müssen. Das bedeutet ein Rating von BBB- oder höher auf der Skala von A bis D. Es reicht aber, wenn eine der vier Ratingagenturen eine bessere Note vergeben hat. So hat die EZB auch Anleihen gekauft, die vom Markt eigentlich als Ramsch oder fast Ramsch eingestuft werden. Beispiel sind Telecom Italia oder K+S. Besonders die spanische Notenbank scheint es da nicht zu genau zu nehmen - mit Risiken für die gesamte Euro-Zone, da die Haftung verteilt wird, wenn eine Anleihe ausfällt.

Eine andere Nebenwirkung bekommen all jene Firmen zu spüren, deren Anleihen die EZB nicht kauft - oder die sich nicht über Anleihen, sondern über Bankkredite finanzieren. Das sind in der Regel kleinere Mittelständler. Sie müssen höhere Zinsen für ihre Schulden zahlen als große, ohnehin finanzstarke Konzerne. Die EZB verzerrt also den Wettbewerb zwischen den Unternehmen.

© SZ vom 01.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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