Unternehmen in Angst:Spion mit Niedriglohn

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Die Detektiv- und Sicherheitsbranche steht unter einem enormen Konkurrenz- und Preisdruck. Darum sind die Stundenlöhne oft gering.

Klaus Ott und Uwe Ritzer

Der Firmenchef bläst die Backen auf, stöhnt und schüttelt den Kopf. Nein, sagt der Sicherheitsexperte mittleren Alters, der in Süddeutschland ein Wachunternehmen mit 100 Beschäftigten betreibt.

Wenn er gewusst hätte, auf was er sich einlasse, hätte er sich diesen Job bestimmt nicht aufgebürdet. Wachdienste aller Art bietet seine Firma an, und der Konkurrenzkampf ist gnadenlos. Lohndumping sei in der Branche an der Tagesordnung.

Fünf Euro die Stunde

Oft arbeiteten die Leute für fünf oder sechs Euro die Stunde. "Wir haben keine Chance, uns an den Tarifvertrag zu halten, weil wir sonst keine Aufträge bekommen", sagt er. Sogar öffentliche Auftraggeber schauten weg. Sicherheit soll vor allem billig sein.

Trotzdem blüht das Geschäft wie noch nie. Schätzungen gehen von 160 000 Beschäftigten im Bewachungsgewerbe und etwa 1500 Detektivbüros aus. Doch damit sind längst nicht alle erfasst, die mit Sicherheit arbeiten. "Die Branche ist sehr heterogen", sagt Berthold Stoppelkamp, Geschäftsführer der beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag in Berlin angesiedelten "Arbeitsgemeinschaft Sicherheit in der Wirtschaft".

Vor 20 Jahren erschöpfte sich das Thema Unternehmenssicherheit meist im Werkschutz und im Wachpersonal des Pförtnerhäuschens. Heute reicht das Spektrum vom Niedriglöhner, der als Kaufhausdetektiv durch Regalreihen streift, über selbsternannte Ermittler ohne jegliche Ausbildung bis hin zu absoluten Top-Profis mit hohen dreistelligen Stundensätzen.

Der Wachmann im Pförtnerhäuschen zählt ebenso dazu, wie der auf die Abschirmung von Firmennetzwerken spezialisierte Computerfachmann oder der frühere Elitekämpfer der GSG 9, der das Sicherheitskonzept eines internationalen Konzerns verantwortet.

"Das Problem beginnt damit, dass sich im Prinzip jeder Detektiv schimpfen darf", sagt Gerhard Böhm, Chef der Nürnberger Firma Security First. Ein paar Dutzend Stunden Unterricht bei der örtlichen IHK, an deren Ende eine "Sachkundeprüfung" steht, reichen für den Gewerbeschein. Mehr ist nicht nötig. Insbesondere in Berlin und Brandenburg sind viele frühere Stasi-Leute in Sicherheitsfirmen oder Detekteien untergekommen.

"Die kennen sich aus", spottet der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar. Wer seriös arbeitet, halte sich hingegen an Recht und Gesetz, sagt Gerhard Böhm. Seine Firma Security First ist weitgehend auf Wirtschaftskriminalität spezialisiert. Häufig gehe es darum, dem Auftraggeber juristisch einwandfreies Material an die Hand zu liefern, das auch vor Gericht standhält, erzählt er. Allein deshalb würden sich etwa Abhörmethoden verbieten.

Vor- und Nachteile der Spitzelaffäre

Manche Auftraggeber brauchen praktischen Rat und Unterstützung, weil sie in einem gefährlichen Land eine Niederlassung eröffnen wollen. Andere haben intern mit Inventurausfällen oder Diebstählen zu kämpfen. Immer häufiger geht es darum, Industriespionage zu verhindern oder zu bekämpfen.

"Ein paar 10.000 Euro für Sicherheit sind gut investiert, wenn man damit einen Millionenschaden durch Industriespionage verhindern kann", sagt Böhm. Einerseits ärgert ihn, dass die Branche durch Spitzelaffären in Verruf geraten ist. "Andererseits bin ich ganz froh". Er hofft, dass Auftraggeber künftig genauer hinschauen.

Solange aber Dumping-Mentalität herrsche, werde sich nichts ändern, glaubt der eingangs zitierte süddeutsche Firmenchef. Die Ordnungsämter in den Kommunen müssten die Sicherheitsunternehmen strenger beaufsichtigen und die bei den Zollämtern angesiedelte Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) müsse schwarze Schafe suchen, verlangt er.

In manchen Firmen arbeite das Wachpersonal 300 Stunden und mehr im Monat, um vom Lohn leben zu können, erzählt er. Da könne es mit der Sicherheit der betreffenden Objekte nicht weit her sein. "Die Branche ist ein Sumpf", sagt er.

© SZ vom 11.6.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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