Umstrittenes Aktiengeschäft:Die Last der Steuerzahler

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Mit seinen Drogeriemarkt-Filialen ist Erwin Müller in vielen Städten präsent. Er selbst lässt sich allerdings nur selten in der Öffentlichkeit sehen. (Foto: Marius Becker/dpa)

Drogerie-König Erwin Müller macht mit fragwürdigen Aktiendeals erst tolle Gewinne und hinterher große Verluste. Nun will er sein Geld zurück.

Von Klaus Ott, München

Erwin Müller, 82, hat in seinem langen Leben viele Geschäfte gemacht. In der Summe mehr gute als schlechte, sonst wäre es dem Schwaben nicht gelungen, von Ulm aus binnen sechs Jahrzehnten einen Drogerie-Konzern mit 33 000 Beschäftigten zu schaffen, die in 723 Filialen in sieben Ländern 185 000 Artikel verkaufen und vier Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften. Und ständig kommen neue Standorte hinzu. Eines seiner besten Geschäfte ist Müller aber nicht mit Drogerie-Artikeln gelungen, sondern mit Aktien.

Vor einigen Jahren hat der schwäbische Konzernherr auf Vermittlung seiner damaligen Schweizer Hausbank Sarasin 100 Millionen Euro in einen Fonds investiert und bekam nach drei Monaten 110 Millionen Euro zurück. So hat es Müller dem Landeskriminalamt (LKA) Nordrhein-Westfalen erzählt, als Zeuge in einem großen Steuerverfahren.

Zehn Millionen Euro Gewinn nach drei Monaten, das entspricht einer Jahresrendite von mindestens 40 Prozent. Wo gibt es das sonst? Als Sarasin dem Klienten Müller später noch einmal einen solchen Fonds anbot, griff Deutschlands Drogerie-König zu und investierte weitere 50 Millionen Euro. Dieses Mal ging das aber schief, das Geld kam nicht zurück, von dem erhofften Gewinn ganz zu schweigen. Müller verklagte daraufhin Sarasin in Deutschland auf Schadenersatz und zeigte zudem mehrere Bank-Manager wegen Anlagebetrugs an. Unter ihnen Eric Sarasin, nach dessen alteingesessener Patrizierfamilie aus Basel das Geldinstitut benannt ist.

Die Staatsanwaltschaft Köln nahm sich schließlich des Falles an, durchsuchte im Herbst 2014 die Schweizer Bank und viele andere an diesen Aktiendeals beteiligte Firmen und ermittelt nun intensiv gegen Eric Sarasin und viele weitere Beschuldigte.

Müllers Zeugenaussagen sind an einigen Stellen widersprüchlich

Vor wenigen Wochen, am 26. Mai, vernahm die federführende Staatsanwältin zusammen mit zwei LKA-Beamten in Stuttgart den angeblich betrogenen Müller. Das neunseitige Protokoll, das jetzt an die Öffentlichkeit gelangt, führt zu der Frage: Worin, bitte schön, soll der Betrug bestanden haben? Der Ulmer hat sich bei seinen Attacken auf die frühere Hausbank Sarasin beklagt, diese habe ihm verschwiegen, worum es bei den Aktiendeals gegangen sei: um fragwürdige, wenn nicht gar kriminelle Aktiendeals zulasten des deutschen Fiskus. Hätte er, Müller, das gewusst, dann hätte er da natürlich nicht mitgemacht. Jetzt aber stellt sich zweierlei heraus: Müller hätte bei dem ersten, erfolgreichen Investment allen Anlass gehabt, nachzuhaken. Und bei der zweiten, schiefgegangenen Kapitalanlage hat er den sogenannten Zeichnungsschein, den Vertrag gewissermaßen, gar nicht richtig gelesen.

Müller gab bei der Vernehmung zu Protokoll, er unterschreibe am Tag etwa zehn Postmappen mit Unterlagen. Er habe es nicht als erforderlich betrachtet, den Zeichnungsschein besonders genau anzuschauen, da aus seiner Sicht durch die vorherigen Gespräche alles geklärt gewesen sei. Bei der Vernehmung wurde Müller vorgehalten, er habe damals mit der Unterzeichnung dieses Scheins bestätigt, einen Fondsprospekt bekommen zu haben. Der Zeuge merkte dazu an, er habe diesen Umstand damals nicht zur Kenntnis genommen. Ihm sei kein solcher Prospekt vorgelegt worden. Aber unterschrieben, dass er den Prospekt erhalten habe, das hat er schon.

Das ist nicht die einzige Merkwürdigkeit bei Müllers Zeugenaussage. Über das erste Investment mit der tollen Rendite berichtete er, ihm sei von Sarasin mitgeteilt worden, es gehe um eine "steuerliche Gestaltungsmöglichkeit" beim Aktienhandel, mit der man in drei Monaten zehn Prozent erwirtschaften könne. Das sei "ganz legal". Der Drogerie-Unternehmer wusste also, dass es um Geschäfte ging, die mit dem Fiskus zu tun hatten. Bei einer derartigen Gewinnspanne wäre es ganz normal gewesen, nachzuhaken, ob das wirklich alles legal ist. Müller hingegen nahm das, was ihm von seiner Hausbank Sarasin gesagt wurde, als "gegeben" und hatte keine Zweifel an der Richtigkeit. So steht es im Vernehmungsprotokoll. Wozu auch Fragen stellen, wenn der Ertrag stimmt.

Das Protokoll dürfte sowohl der Bank als auch Eric Sarasin helfen. Zum einen in Ulm, wo Müller beim Landgericht auf Schadenersatz gegen die Bank klagt, die inzwischen einen neuen Eigentümer hat und J. Safra Sarasin heißt. Zum anderen in Köln, wo das Strafverfahren gegen Eric Sarasin läuft; wegen Betrugs und Steuerhinterziehung. Den Schweizer Privatbankier hat der Streit sein Amt gekostet, er war nach der Razzia im Herbst 2014 als Vizechef des Geldinstituts zurückgetreten. Über seinen Kölner Anwalt Björn Gercke hat Eric Sarasin bei der Staatsanwaltschaft entgegnet, Müller geriere sich als "Betrugsopfer", um bei seinem Schadenersatzprozess ein Maximum an Druck aufzubauen. Dem Drogerie-Unternehmer sei aber die "steuerliche Aggressivität" seines Investments bewusst gewesen. Mit seiner Anzeige und seiner Schadenersatzklage versuche Müller, die Justiz für "dumm zu verkaufen".

Sollte es Eric Sarasin gelingen, den Betrugsvorwurf aus der Welt zu schaffen, dann bliebe aber immer noch der Verdacht der Steuerhinterziehung. Die von Sarasin vermittelten Fonds sollen darauf angelegt gewesen sein, beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende eine nur einmal gezahlte Kapitalertragssteuer vom Fiskus mehrmals erstattet zu bekommen. Auch diesen Vorwurf weist der frühere Bankier zurück, aber hier kommt es bei den Ermittlungen nicht so sehr auf Müller an.

Der Drogerie-Unternehmer äußert sich zu alledem öffentlich nicht. Seine Schadenersatzklage, das ist bekannt, will er durchziehen. Müller soll sich seiner Sache sehr sicher sein. Dem LKA gab er übrigens auch zu Protokoll, er könne sich an bestimmte Details dieser Aktiengeschäfte nicht mehr erinnern. Der Konzernchef sagte den Ermittlern, sie müssten verstehen, dass sein Terminkalender dicht gedrängt sei. Er habe wenig Zeit, sich mit Einzelheiten zu beschäftigen, die nicht die oberste Priorität hätten. Die oberste Priorität habe halt sein Unternehmen, nicht seine private Geldanlage.

© SZ vom 13.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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