Überraschender Vorstoß:Schröder will Finanzspekulationen besteuern

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Der Kanzler schließt sich einer Initiative Chiracs an, die jährlich zehn Milliarden Dollar bringen soll — betont aber, es handele sich dabei nicht um die von den Globalisierungsgegnern geforderte Tobin-Steuer.

Von Nikolaus Piper

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich für die Einführung einer internationalen Entwicklungssteuer ausgesprochen. In einer Rede vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos stellte sich der Kanzler überraschend deutlich hinter eine Forderung des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac.

Schröder schlug eine Steuer auf spekulative Finanzgeschäfte vor, "hinter denen kaum noch realwirtschaftliche Vorgänge stehen". Die Chancen für die Durchsetzung einer solchen Steuer sollten geprüft und unter Umständen solle nach Alternativen gesucht werden.

Geld für die Entwicklungsländer

Das Aufkommen aus der Steuer - nach französischen Plänen zehn Milliarden Dollar im Jahr - soll an die ärmsten Entwicklungsländer, besonders in Afrika, fließen. Wichtig sei es, dass die Gruppe der führenden Industriestaaten (G-8) nicht lange über ein "Kaleidoskop von Finanzierungsmöglichkeiten" diskutiere, sondern schnell entscheide, sagte Schröder.

Zusätzlich forderte der Kanzler die Öffnung der Märkte für Agrarprodukte aus den Entwicklungsländern und ermahnte dabei auch Frankreich zur Kooperation, ohne freilich die Regierung in Paris direkt zu nennen.

Die auf dem Wirtschaftsgipfel 1999 in Köln beschlossene Initiative zur Entschuldung der ärmsten Länder müsse weitergehen; die begünstigten Länder sollten sicherstellen, dass die künftig nicht mehr für den Schuldendienst benötigten Mittel tatsächlich in das Gesundheitswesen und die Infrastruktur fließen.

Hintergrund der neuen Debatte über mehr Entwicklungshilfe ist eine Initiative der britischen Regierung, die in diesem Jahr den Vorsitz in der G-8 inne hat. Der britische Finanzminister Gordon Brown hatte eine Internationale Finanz-Faszilität (IFF), eine Art Fonds, vorgeschlagen, dessen Mittel dem Kampf gegen die Armut und gegen Aids dienen sollen. Die IFF hat international breite Unterstützung gefunden, strittig ist die Aufbringung der Mittel.

Die Briten wollen zu dem Zweck Kredite auf den internationalen Kapitalmärkten aufnehmen, die dann nach 2015 aus den nationalen Haushalten der Industrieländer zurückgezahlt werden. Chirac und Schröder sind dagegen entschlossen, künftige Budget-Lasten zu vermeiden und streben eine internationale Steuer an.

Tatsächlich dürfte aber eine Abgabe auf internationale Finanzgeschäfte kaum eine Chance haben, vor allem wegen des Widerstands von Briten und Amerikanern. Starke Bedenken hegen auch Experten in der Bundesbank und im Bundesfinanzministerium.

Zwar haben sowohl Schröder als auch Chirac betont, sie wollten keine "Tobin-Steuer", wie sie Globalisierungsgegner fordern. In der Praxis dürfte aber kaum zu vermeiden sein, dass die Abgabe die Finanzmärkte genau so belastet wie eine Tobin-Steuer.

Daher könnte in nächster Zeit auch über eine Belastung des internationalen Flugverkehrs diskutiert werden, entweder über eine Kerosinsteuer oder über eine Gebühr auf Flugtickets.

© SZ vom 29.01.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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