TV-Experiment:Die Steuerrebellen von Crughywel

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In diesem idyllischen Dorf leben die Steuerrebellen. (Foto: World Pictures/Photoshot)

Kleine Unternehmer aus einem walisischen Dorf kopieren die Tricks, mit denen sich Konzerne vor Abgaben drücken. Das TV-Experiment macht schon vor der Ausstrahlung Schlagzeilen.

Von Björn Finke, London

Das Dorf ist beliebt bei Touristen. Es liegt in einem walisischen Nationalpark und wirbt mit dem Ausspruch eines Autors aus dem 19. Jahrhundert. Der schrieb, Crickhowell - oder Crughywel auf Walisisch - sei ein "glitzerndes Juwel". Dieses Juwel suchte sich der britische Fernsehsender BBC nun als Schauplatz für ein "theoretisches TV-Experiment" aus, wie es heißt. Dabei geht es nicht um die Vorzüge des Landlebens und der reizvollen Umgebung, sondern um die Steuertricks der internationalen Konzerne. Besitzer kleiner Läden in der Gemeinde sollen versuchen, begleitet von Kamerateams ihre Abgabenlast drastisch zu senken: mit Hilfe der gleichen Kniffe, welche die Multis anwenden.

Das Dorf soll zur Steuer-Oase werden.

Die Dokumentation wird im kommenden Jahr ausgestrahlt, macht jedoch jetzt schon Schlagzeilen im Königreich. Denn dass Konzerne ihre Gewinne ins Ausland verschieben und in Großbritannien kaum Steuern anfallen, provoziert immer wieder Kritik. So kam im vergangenen Monat heraus, dass Facebook in Großbritannien exakt 4327 Pfund Steuern auf seine Gewinne für 2014 gezahlt hat, also etwa 6000 Euro. Dabei wurden die 362 Angestellten des Internet-Unternehmens im Königreich fürstlich entlohnt: Sie kassierten im Durchschnitt 300 000 Euro.

Der Online-Händler Amazon zahlte im vergangenen Jahr immerhin 11,9 Millionen Pfund Steuern auf der Insel - bei 5,3 Milliarden Pfund Umsatz vor Ort. Die beliebte Imbisskette Caffè Nero überweist seit sieben Jahren keine Steuern auf Profite an Her Majesty's Revenue and Customs, also das Finanzamt. Dabei laufen die Geschäfte blendend. Alles ganz legal.

Nun wollen die kleinen Händler von Crickhowell ähnlich raffiniert ihre Steuerlast verringern. Jo Carthew, die eine Räucherei in dem Dorf führt, sagt, diese komplizierten Tricks seien bislang nur etwas für große Unternehmen gewesen, die sich hohe Honorare für Fachleute leisten können. "Aber wir haben unsere Köpfe zusammengesteckt und einen Weg gefunden, sie nachzuahmen", sagt sie. "Das ist verdammt clever." Bei der Steuerspar-Sause machen unter anderem ein Bäcker, ein Buchhändler, ein Optiker, ein Cafébesitzer und der Eigner eines Sportladens mit.

Die wackeren Waliser, die von Experten beraten werden, müssen dafür eine Gesellschaft auf der Isle of Man gründen, einem Steuerparadies in der rauen See zwischen Großbritannien und Irland. Eine Holding von Caffè Nero hat dort ebenfalls ihren Sitz. Die Dorfbewohner trafen sich bereits mit einem Vertreter der Finanzbehörden und erläuterten ihre Pläne. Das sei "sehr gut" gelaufen, sagt Räucherei-Managerin Carthew. Wenn der Fiskus das walisische Sparmodell genehmigt - genehmigen muss -, könnten die Steuerrebellen ihr Konzept anderen Kleinunternehmern als Kopiervorlage zur Verfügung stellen.

Doch geht es der BBC und den walisischen Tricksern nicht darum, den Staat zu ruinieren. Sie wollen vielmehr die Regierung dazu zwingen, diese legalen Schlupflöcher endlich zu schließen. Einer der Rebellen, ein Cafébesitzer namens Steve, sagt, er zahle immer alle seine Abgaben und habe nichts dagegen einzuwenden. Er habe aber sehr viel dagegen, dass Wettbewerber mit bekannten Namen alles dafür täten, Steuern zu vermeiden.

Immerhin führte der konservative Schatzkanzler George Osborne im April eine Sonderabgabe auf verschobene Gewinne von 25 Prozent ein. Sie wird fällig, wenn Unternehmen Einkommen zu ausländischen Töchtern überweisen, denen "wirtschaftliche Substanz" fehle, wie es heißt. Also zu Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen. Die Abgabe, die auch Google-Steuer genannt wird, soll dem Fiskus über die kommenden fünf Jahre zwei Milliarden Euro einbringen. Fachleute warnen allerdings, dass Konzerne sich auf die neue Rechtslage einstellen und andere Sparmodelle erfinden würden. Sehr zum Ärger Osbornes - und der Steuerrebellen aus Crickhowell. Oder Crughywel.

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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