Trikotwerbung:Wie der Fußball auf den Hirsch kam

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Mit Jägermeister begann einst die Trikotwerbung in Deutschland - gegen den Widerstand des Deutschen Fußball Bunds. Heute ist das Sponsoring eine der größten Einnahmenquellen.

Michael Kläsgen

Vor gar nicht allzu langer Zeit war Werbung im Fußball verpönt. Erst der Bundesliga-Skandal 1970/71, ausgelöst durch manipulierte Punktspiele, gerieten mehrere Vereine in Existenznot und ebnete der Trikotwerbung den Weg.

Erst die Trikotwerbung machte seinerzeit den Transfer des Bayern-Stars Paul Breitner zu Eintracht Braunschweig möglich. (Foto: Foto: dpa)

Heute ist sie ein einträgliches Geschäft. 20 Millionen Euro ist es der Deutschen Telekom wert, den Schriftzug T-Com auf der Brust der Spieler vom FC Bayern München zu sehen.

Danach kommt auf der Rangliste lange nichts, wie die Kölner Agentur Sport und Markt ermittelt. RWE zahlt 8,5 Millionen Euro an Bayer Leverkusen, die Bahn acht Millionen Euro an Hertha BSC und die RAG 7,5 Millionen Euro an den auf Rang vier zurück gefallenen BVB aus Dortmund.

Beim Saisonauftakt 1973 ging es um entscheidende Zentimeter. Maximal 14 Zentimeter Durchmesser hatte der Deutsche Fußballbund (DFB) erlaubt, der gegen Werbung jeglicher Art war.

Mit dem Maßband auf dem Spielfeld

Deswegen schritt Schiedsrichter Franz Wengenmayer mit Maßband aufs Spielfeld, um den Hirschkopf auf den Trikots von Eintracht Braunschweig abzumessen.

Werbung, so der DFB damals, würde den Idealen des Profi-Fußballs widersprechen. Sechs Jahre zuvor hatte der Verband Wormatia Worms untersagt, für eine Baumaschinenfirma zu werben.

Schleichwerbung war tabu

Die Abmessaktion Jahre später galt der Frage, ob der Hirsch noch erlaubtes Vereinswappen oder schon verbotene Werbung war. Der Grund: Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen war Schleichwerbung tabu. Doch der Streit in den Medien machte den Hirschen erst richtig bekannt, so wie heute Betandwin.

Die Wettfirma, der gerade die Lizenz entzogen wurde, tritt als Sponsor mehrere Klubs, etwa von Werder Bremen, auf. Am Freitag entschied das Verwaltungsgericht Hannover, dass der deutsche Vizemeister nun aber ohne Werbeaufdruck in die neue Saison starten muss. ,,Mehr Aufmerksamkeit als zur Zeit kann Betandwin kaum bekommen'', meint Sport-und-Markt-Experte Boris Hedde.

Bei der Eintracht erübrigte sich bald das Abmessen. Der Hirsch wuchs und wenig später prangte der Schriftzug ,,Jägermeister'' auf der Brust der Spieler. Firmenchef Günter Mast, 80, hatte mit seinem Kräuterlikör aus dem benachbarten Wolfenbüttel dem Kommerz im deutschen Profi-Fußball zum Durchbruch verholfen, für 160.000 DM.

Anfang der Achtziger wollte er die Eintracht in Jägermeister Braunschweig umbenennen, wogegen sich der DFB diesmal erfolgreich widersetzte. Dabei stand dessen Argumentation auf wackeligen Beinen, denn Bayer Leverkusen warb schon seit langem für den gleichnamigen Chemiekonzern.

Sponsor ermöglicht Transfer

Masts Einfluss nahm trotzdem zu. Der Sponsor avancierte zum Vereinspräsidenten, sein Geld ermöglichte den Transfer des Bayern-Spielers Paul Breitner zur Eintracht und die Blau-Gelben verfehlten einen weiteren Meistertitel nur knapp.

Im Gegensatz zu Deutschland blieb in anderen großen Fußballnationen wie Italien, Spanien und England Werbung bis Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre verboten. Abgesehen von Uruguay waren Frankreich, Dänemark und Österreich die ersten Länder, die Fußball-Werbung erlaubten.

Auslöser waren wie in Deutschland eine existenzielle Krisen der Vereine. Diverse französische Clubs standen Mitte der Sechzigerjahre vor der Pleite. Die Stadien bleiben leer. Neue Einnahmequellen mussten her.

Keine Berührungsängste

Weil prinzipiell zwischen Sport und Industrie keine Berührungsängste bestanden, ging anders als in Deutschland der französische Fußballverband auf Sponsorensuche und wurde bei den großen Wasserproduzenten fündig, wie der Sporthistoriker Pierre Lanfranchi erklärt.

Werbung mit Alkohol war verboten. Vichy und Vittel wurden in den Siebzigern von Supermarktketten abgelöst, die dann in den Achtzigern wiederum Privatradiosendern wichen.

Rückschlüsse auf Konsumverhalten

Aus Lanfranchis Sicht lassen sich aus den beworbenen Marken Rückschlüsse auf das Publikum und dessen Konsumverhalten in den einzelnen Ländern ziehen.

Anfangs war überall der lokale Bezug zwischen Verein und Sponsor wie bei Jägermeister unabdingbar, um die emotionale Bindung der Industrie mit dem Klub zu zeigen. Doch während es in Frankreich noch ums Essen und in Italien um Küchen ging, vollzog sich in Deutschland ein Schwenk hin zu High-Tech-Marken, die auf ein junges männliches Publikum zielten und die Globalisierung einläuteten.

Hitachi beim Hamburger SV ist für Lanfranchi dabei eine der wichtigsten Wegmarken. Denn der japanische Sponsor ermöglichte es damals dem deutschen Verein, den englischen Nationalspieler Kevin Keegan zu verpflichten und leitete damit einen der ersten großen internationalen Spielertransfers ein.

Länderübergreifend

Große Konzerne waren in der Fußballwerbung angekommen. In den folgenden Jahren machten sie bisweilen länderübergreifend Werbung. Opel zum Beispiel bewarb mit Paris Saint-Germain, Bayern München und AC Mailand gleich drei große europäische Klubs.

Doch vielen Unternehmen, so Lanfranchi, ist der Fußball noch immer zu proletarisch, da mag der Weltverband Fifa bei der Weltmeisterschaft noch so viele VIP-Tickets vergeben. ,,Das ist die Schwäche des Fußballs'', sagt der Wissenschaftler, der als einziger zur Trikotwerbung länderübergreifend geforscht hat.

Totale Kommerzialisierung in Österreich

Louis Vuitton zum Beispiel würde nie mit Fußball werben, eher mit Golf oder Polo. Außerdem bieten Trikots und Stadion keine Exklusivität. In Österreich, wo die totale Kommerzialisierung herrscht, tragen einzelne Spieler bisweilen zehn verschiedene Marken, sogar auf ihrem Hinterteil.

Lanfranchi sagt der Trikotwerbung eine große Zukunft voraus, und zwar eine weibliche. Weil sich immer mehr Frauen Fußballspiele anschauten und Frauen im Schnitt mehr konsumierten als Männer, glaubt Lanfranchi, dass die Werbung künftig ,,weiblicher'' werden wird. Werbestrategen arbeiteten daran. In der nächsten Bundesliga-Saison ist davon noch nichts zu merken, und auch anderswo nicht.

Frei von Werbung

Am meisten würden die Fans übrigens mögen, wenn ihr Verein überhaupt nicht wirbt, sagt Lanfranchi, so etwa der FC Barcelona und Athletic Bilbao. Die ,,katalanische'' und die ,,baskische Nationalmannschaft'' sind die beiden einzigen Spitzenklubs in Europa, die ihre Trikots wie echte Nationalmannschaften frei von Werbung halten und nicht mit einer Firma in Verbindung gebracht werden wollen.

In der Bundesliga, wo mit Trikotwerbung mehr Geld verdient wird als in jeder anderen Liga, scheint sich das noch nicht herumgesprochen zu haben.

© SZ vom 12.08.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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