Techniktrend:Warum in China die Hoverboard-Industrie zusammenbricht

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Hoverboards: Ein nicht ganz ungefährlicher Trend (Foto: Timothy A. Clary/AFP)
  • Mitte Dezember hatte Amazon fast alle Hoverboards in Großbritannien und den USA aus seinem Sortiment entfernt.
  • Jetzt klagen chinesische Hersteller über den Zusammenbruch ihrer gesamten Branche.

Von Vivien Timmler

Eigentlich hatte der Siegesflug des Hoverboards ja gerade erst begonnen: Das Time Magazine kürte das futuristische Elektro-Rollbrett, das auf zwei Rollen unterwegs ist und sich per Gewichtsverlagerung steuern lässt, zu einer der 25 besten Erfindungen des Jahres, die ersten Menschen fangen seinetwegen angeblich bereits an, sich das Laufen abzugewöhnen, und spätestens seit ein philippinischer Priester seine Christmette in der Schwebe hielt, ist das "Zurück in die Zukunft"-Gadget vollständig in der Gegenwart angekommen.

Doch dann das: Unfälle, Stichflammen, Explosionen. Gar ein erster Todesfall. Die tun nichts, die wollen nur schweben? Leider nein, leider gar nicht.

Der Online-Versandhändler Amazon reagierte prompt und nahm Mitte Dezember fast alle Bretter in Großbritannien und den USA aus dem Sortiment - und stürzte damit offenbar die chinesische Hoverboard-Industrie in eine existenzielle Krise.

Einen Schuldigen muss es immer geben

"Vorher haben wir ungefähr 1000 Hoverboards am Tag produziert. Jetzt sind es nur noch wenige hundert", klagt der Chinese Feng Jian, der für einen großen Hoverboard-Hersteller arbeitet, im Gespräch mit dem Online-Magazin Quartz. Mehr als die Hälfte aller Hoverboard-Fabriken in der chinesischen Elektro-Metropole Shenzhen, in der fast alle günstigen Modelle produziert werden, hätte die Produktion bereits komplett eingestellt, zudem habe es Hunderte Entlassungen gegeben - und Schuld sei einzig und allein der Versandriese Amazon.

Die Hersteller wollen nun demonstrieren, und zwar vor Amazons Zentrale in Guangzhou. Sie sagen, das Unternehmen schulde ihnen viel Geld - und das wollen sie nun zurück. Angesichts der Gelassenheit, mit der Amazon jedoch schon die Streiks im Weihnachtsgeschäft zur Kenntnis nahm, ist es keine gewagte These zu prognostizieren: Damit dürften sie keinen Erfolg haben.

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Hinzu kommt: Amazon hat die Boards keinesfalls ohne Vorwarnung aus dem Sortiment genommen. Sie verlangen vielmehr seit Mitte Dezember von den Herstellern einen Nachweis, dass die Geräte den jeweiligen Sicherheitsstandards der Länder entsprechen. Vor allem geht es um die verbauten Akkus und deren Ladetechnik - jene Komponenten, die vermutlich die Brände ausgelöst haben.

Auch die ersten Airlines verbieten Hoverboards an Bord

Mittlerweile sind auch andere amerikanische Online-Händler Amazon gefolgt und haben die zweirädrigen Flitzer aus dem Sortiment genommen - eine Demonstration der Marktmacht Amazons wie aus dem Lehrbuch. Nur der chinesische Internethändler Alibaba scheint keine Bedenken bezüglich der Boards zu haben - oder will zumindest seine Landsleute nicht im Stich lassen.

Und für all jene verzweifelten amerikanischen und britischen Schwebe-Enthusiasten, die sich ein Leben ohne Hoverboard nicht vorstellen können, gibt es eine letzte Chance: Den Shopping-Trip nach Deutschland. Über das deutsche Amazon sind die Boards nämlich nach wie vor erhältlich. Allerdings sind sie auf öffentlichen Straßen verboten. Und Hoverboard-Touristen sollten ihr neues Spielzeug nicht mit dem Flugzeug abholen: Die ersten Fluggesellschaften haben bereits angekündigt, Hoverboards als Gepäck nicht mehr transportieren zu wollen.

© SZ vom 30.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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