Talente: Ursula Schwarzenbart (23):Die Männer-Versteherin

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Ursula Schwarzenbart, Diversity-Beauftragte des Daimler-Konzerns, verfolgt bei dem Autohersteller ein ehrgeiziges Ziel: Bis 2020 sollen 20 Prozent der Chefs Frauen sein.

Dagmar Deckstein

Alle haben mal bescheiden angefangen. Auch Ursula Schwarzenbart, als sie noch Personalleiterin bei Mercedes Benz in der Pkw-Entwicklung war: 12000 Beschäftigte, davon 11.500 Männer, zumeist Ingenieure. Es war 1989, erinnert sie sich, da fragte sie den Entwicklungschef einmal, warum es in den Autos keinen Kosmetikspiegel auf der Fahrerseite gebe. "Do sitzt dr Mo, der isch immer schee", habe ihr der im breiten Schwäbisch erklärt. Da sitze der Mann, und der sei immer schön.

(Foto: Foto: AP)

Zetsche für Frauenförderung

Ursula Schwarzenbart lacht laut und herzlich. Inzwischen hat sie auch gut lachen, ist die vergleichsweise kleine Sache mit dem Kosmetikspiegel in den Konzernautos doch längst kein Thema mehr. Die Sache mit den Frauen in Konzern-Führungspositionen dafür ein umso größeres. So groß, dass sie Daimler-Chef Dieter Zetsche ständig frage, ob auch genug getan werde. "Zetsche ist ein leidenschaftlicher Befürworter der Frauenförderung, ihm geht alles nicht schnell genug, der fährt glatt auf der Standspur an mir vorbei." Wieder lacht Ursula Schwarzenbart, mit fröhlich blitzenden Augen.

Immerhin ist sie eine der neun Prozent Frauen, die bei Daimler Führungspositionen besetzen. Auf Führungsebene E2, eine Stufe unter dem Vorstand, ist die Diversity-Beauftragte des Stuttgarter Konzerns angesiedelt. Diese Position hat der Autokonzern schon 2006 geschaffen und war damit eines der ersten Großunternehmen, die das Vielfalt-Thema als Management-Aufgabe prominent herausstellten.

"Für uns zählt ein effektives Diversity-Management zu den wichtigsten Aufgaben - und zwar nicht, weil es politisch korrekt wäre, sondern, weil es sozial und geschäftlich sinnvoll, ja notwendig ist", hatte Zetsche damals gesagt. Und gleich die Marschrichtung vorgegeben: Bis 2010 will der Automobilkonzern in puncto Diversity zu den angesehensten Unternehmen gehören. Dafür soll nicht zuletzt die Entscheiderin aus der zweiten Reihe, Ursula Schwarzenbart, sorgen.

Vielfalt mit 120 Nationalitäten

"Director Global Diversity Office" ist der offizielle Titel, den die 49-jährige studierte Sozialwissenschaftlerin trägt. Diversity meint dabei weit mehr als das allfällige Thema "Mann oder Frau". Es bedeutet letztlich, die Unterschiedlichkeit und Vielfalt der Belegschaft im Konzern mit 120 Nationalitäten als Potential zu sehen und nicht im alten, kulturell-vorurteilsbeladenen Schubladendenken zu verharren. "Das Ziel lautet, noch schneller dafür zu sorgen, dass wir die Vielfalt bekommen, die wir brauchen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit langfristig abzusichern. Bei uns im Unternehmen gibt es einen regelrechten Hype: Diversity Management wird als wichtiges Instrument gesehen, um den notwendigen Kulturwandel zu beschleunigen", erklärt Schwarzenbart. "Einer Kultur des Respekts und der Wertschätzung eines jeden Einzelnen."

Dennoch setzt Daimler zunächst den Schwerpunkt auf auch Schwarzenbarts Herzensangelegenheit, auf Frauen in Führungspositionen. Das Ziel "20/20" ist ehrgeizig: Bis 2020 sollen 20 Prozent der Führungspositionen im Konzern mit Frauen besetzt sein, Jahr für Jahr ein Prozent mehr. "Ich dachte eigentlich, das ginge schneller", seufzt Schwarzenbart, "aber wir müssen eben akzeptieren, dass der Frauenanteil in den harten Technikberufen eines Autoherstellers nicht so schnell wächst." Immerhin, mit der Wahl der Finnin Sari Baldauf in den Konzernaufsichtsrat im April dieses Jahres sei schon mal bewusst ein Signal gesetzt worden, dass Daimler deutlich mehr weibliche Toptalente in den eigenen Reihen wünsche.

Daimler-Boss in der Kinderkrippe

Zwar hat man Daimler-Boss Zetsche an einem Vormittag im vergangenen Jahr schon mal zwei Stunden in der Sindelfinger Kinderkrippe "sternchen" gesehen, wo er sich umschaute, ob auch da alles wohlgerichtet ist. Aber die dereinst 569 Krippenplätze an deutschlandweit 14 Betriebskindergärten seien "eher Hygienefaktoren", stellt Schwarzenbart klar. Eine notwendige, längst keine hinreichende Bedingung für den Karrieredurchmarsch von Frauen. Der beginne im Kopf, dort, wo die bewussten oder meist unbewussten Vorurteile lauerten. "Der Diversity-Gedanke muss in die Genstruktur der Organisation Eingang finden", hat Schwarzenbart verordnet. Offenbar sind traditionell-männliche Strukturen wesentlich stärker in der DNA deutscher Konzerne verankert.

Nach der jüngsten Hoppenstedt-Studie ist der Anteil der Frauen im Management zwar kontinuierlich auf 17,5 Prozent gestiegen. In den Topetagen schrumpfte ihr Anteil zwischen 2007 und 2008 jedoch von 7,46 auf 5,65 Prozent. Gegen diesen Trend hat Schwarzenbart den Daimler-Managern Männer-Sensibilisierungsworkshops verordnet, männlichen wie weiblichen. 3500 von insgesamt 7000 sind schon durchs Programm, das zum Beispiel solche Aha-Erlebnisse bereithält: "Im Rahmen unserer Führungskräfteentwicklung werden Nachwuchskräfte regelmäßig von ihren Vorgesetzten nach ihrem Potential beurteilt", erklärt die Diversity-Beauftragte.

"Null Reaktion"

Und da sei ebenso regelmäßig folgendes Phänomen zu besichtigen: "Die Chefs trauen sich nicht, Frauen offen, also auch ihre Schwächen, zu beurteilen, aus Angst, sie könnten dann in Tränen ausbrechen. Dann sitzt die Frau danach da und rätselt, warum sie trotz offensichtlich guter Beurteilung nicht weiterkommt." Ein anderes Phänomen sei, dass Männer Männern einfach besser zuhören. "Eine Frau kann in einem Meeting etwas vorschlagen. Null Reaktion. Wenig später macht ein Mann den gleichen Vorschlag - und alle sind begeistert."

Klar und sichtbar machen will Ursula Schwarzenbart, nach welch untergründigen Regeln gespielt wird, ohne Männer als schlechtere Menschen abzustempeln. Weswegen sie auch vom Begriff Chancengleichheit nicht viel hält, der Frauen nur in ihrer sozialen Opferrolle betrachte. "Wir stehen auf den Schultern von Clara Zetkin und Alice Schwarzer", sagt sie. "Die haben lange Zeit gebraucht, um ihr Anliegen massenwirksam zu machen. Ich bin ja erst drei Jahre Diversity-Beauftragte." Jahrzehnte meint Ursula Schwarzenbart aber nicht zur Verankerung des neuen Gencodes zu brauchen: "Ich hoffe, dass auch im Daimler-Vorstand bald eine Frau sitzt."

© SZ vom 06.10.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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