SZ-Umfrage vor der IAA:"Zu früh zum Jubeln"

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Vor der Internationalen Automobil-Ausstellung sehen die Manager der Pkw-Industrie die Aussichten für ihre kriselnde Branche nur verhalten positiv. Nach drei schwierigen Jahren herrscht an der Börse hingegen größerer Optimismus.

Von Karl-Heinz Büschemann

(SZ vom 06.09.03) - Die Manager der Autoindustrie gehen nur mit verhaltenen Erwartungen auf die Internationale Automobil-Ausstellung, die am Donnerstag in Frankfurt beginnt.

Die Krisenbranche hofft auf eine baldige Erholung. Die Manager erwarten jedoch Rahmenbedingungen von der Bundesregierung, die dem schwachen Markt helfen sollen.

"Wir sind unzufrieden, weil jeden Tag eine neue Idee durch den Blätterwald gejagt wird", kritisiert Bernhard Mattes, Vorstandschef von Ford in Köln, die Bundespolitik. Das verunsichere die Menschen. "Besser wäre es, Programme zu bieten, die Klarheit geben." Es sei auch mehr Wirtschaftswachstum nötig, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. "Wer Angst hat um seinen Arbeitsplatz, kauft kein neues Auto", sagte Mattes der Süddeutschen Zeitung.

Verlässliche Taten angemahnt

Auch BMW-Chef Helmut Panke meint, es komme in Deutschland darauf an "der politischen Diskussion verlässliche Taten folgen zu lassen." Das würde dem Markt Vertrauen geben und die Nachfrage beleben.

Vor dem nächsten Jahr, darin sind sich die meisten Industrievertreter einig, wird die Belebung des seit mehr als drei Jahren kriselnden Automarktes kaum einsetzen.

In Deutschland sind in den ersten sieben Monaten dieses Jahres die Zulassungen noch einmal um ein halbes Prozent zurückgegangen. In Europa erwarten die Fachleute in diesem Jahr einen Rückgang von vier bis sechs Prozent.

"Es ist noch zu früh zum Jubeln", sagt der Chef von Opel, Carl-Peter Forster. "Die Prognosen für die Branche sehen im zweiten Halbjahr noch schlecht aus." Die Autoindustrie hoffe dennoch "auf positive Impulse, die von dieser Messe ausgehen".

"Anzeichen einer Erholung"

Ähnlich sieht das Mattes von Ford. "Wir sehen erste Anzeichen einer Erholung." Allerdings werde sich das Warten auf die Belebung "noch ein paar Monate hinziehen".

VW-Chef Bernd Pischetsrieder ist ebenfalls zurückhaltend. Er sieht noch kein Ende der schwachen Autokonjunktur. "Ich würde nicht sagen, dass wir in Europa schon eine Trendwende haben. Wenn, dann kommt sie zum Jahresende", sagte Pischetsrieder.

Optimistischer zeigt sich BMW-Chef Panke und sagt: "Wir sind für den Rest dieses Jahres und für 2004 zuversichtlich." Die Geschäfte des Münchner Konzerns würden getragen von neuen Modellen. "Wir sehen deutlich positive Konjunktursignale in den USA, in Asien, aber auch in Europa und Deutschland."

Viertes Krisenjahr in Folge

Die deutsche Autoindustrie erlebt ihr viertes Krisenjahr in Folge. Im Jahr 1999 waren auf dem deutschen Markt noch 3,8 Millionen Fahrzeuge zugelassen worden. In diesem Jahr werden es im günstigsten Fall 3,2 Millionen sein.

Händler und Hersteller bieten den Kunden inzwischen schon Preisnachlässe und Finanzierungsvorteile, die 25 Prozent des Listenpreises entsprechen.

In ganz Europa stehen ungenutzte Kapazitäten zum Bau von sechs Millionen Fahrzeugen. Der Fiat-Konzern kämpft ums Überleben. Ford-Europa fiel in diesem Jahr in die Verlustzone zurück.

Besser als der Dax

Trotzdem stiegen in den letzten Wochen die Aktien der deutschen Autobauer wesentlich stärker als der Dax. In den letzten drei Monaten entwickelte sich der Kurs der BMW-Aktie rund 15 Prozent besser als der Index. DaimlerChrysler lag um mehr als 20 Prozent besser, VW übertraf den Börsendurchschnitt um 25 Prozent.

Beobachter schließen daraus, dass es schon bald zu einer klaren Erholung in der Autoindustrie kommen wird. An diesem Freitag fielen allerdings die Kurse der Branchentitel.

Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Gelsenkirchen, ist sicher, dass auf dem deutschen Markt im kommenden Jahr wieder 3,45 Millionen Fahrzeuge abgesetzt werden und 2005 sogar 3,7 Millionen einen Käufer finden. "Der Absatz wird getrieben durch neue Produkte und das Anziehen der Konjunktur", sagt Dudenhöffer.

Auch weltweit kämen die Märkte wieder in Fahrt. Der Professor erwartet, dass im kommenden Jahr mit 51,8 Millionen Autos weltweit erstmals mehr als 50 Millionen Pkw verkauft werden.

Ersatzbedarf gesunken

Dagegen warnt der Leiter des Nürtinger Instituts für Automobilwirtschaft, Willi Diez, davor, von der Automobilausstellung zu viel Anschub zu erwarten. Der von vielen Fachleuten ins Feld geführte Ersatzbedarf sei längst nicht so groß wie behauptet. Autos würden heute länger gefahren als früher.

Auf der IAA sollen 60 Modellneuheiten vorgestellt werden. Neben den Volumenmodellen wie dem Golf V und dem neuen Astra können die Besucher den neuen Sechser-BMW sehen, den SLR von Mercedes oder das 911er Cabrio von Porsche. Insgesamt werden 1.000 Aussteller aus 42 Ländern erwartet, darunter 500 Zulieferer. Die IAA rechnet mit 850.000 Besuchern.

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