SZ-Serie zum Euro:Die Trittbrettfahrer auf dem Balkan

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Selbst wenn die Europäische Zentralbank es wollte, könnte sie den Start des Euro im Kosovo und in Montenegro nicht verhindern.

Peter Münch

Die Mark wird überleben. Nicht in Deutschland, aber in einem balkanischen Refugium. Wenn der Euro über Europa kommt, dann bietet sich Bosnien an als Ziel für Mark-Nostalgiker.

In Sarajewo nämlich wird man sein Bier auch noch lange nach dem 1. Januar 2002 in Mark bezahlen können. Das ist zwar nicht die alte DM, sondern die KM, die konvertierbare Marka. Doch der Wert ist exakt gleich und der Klang vertraut.

Wie Slibowitz und Cevapcici

Die Mark gehört mittlerweile zum Balkan wie Slibowitz und Cevapcici. Die Bindung an das deutsche Geld rührt her aus der Zeit, als Gastarbeiter aus dem ehemaligen Jugoslawien in großer Zahl nach Deutschland zogen.

Sie brachten die harte Währung in die Heimat. Mit der Mark wurden Familien ernährt und Häuser gebaut. Die Mark stand für Wohlstand und für bessere Zeiten. Zum allgemeinen Zahlungsmittel avancierte sie jedoch erst, als die Zeiten schlechter wurden.

Die Mark wurde zur Kriegswährung. Bosnien bekam dann nach dem Krieg 1997 seine eigene, die konvertierbare Mark. Sie wird die europäische Währungsumstellung zum Jahreswechsel überleben.

In Montenegro und im Kosovo jedoch ist die DM heute das offizielle Zahlungsmittel. Dort wird nach dem Ende der DM zum Stichtag automatisch der Euro eingeführt.

Harmlose Trittbrettfahrer

Die Eurozone erweitert sich also nach Südosten, ohne dass die künftigen Euro-Nutzer dafür die strengen Kriterien der Währungsunion erfüllen mussten. Sie sind Trittbrettfahrer, deren Aufsprung allerdings kaum auffallen dürfte. Denn die kleinen Balkanregionen - der Kosovo hat zwei Millionen Einwohner, Montenegro zählt 650.000 Menschen - bringen kaum Währungsgewicht auf die Waage.

So entspricht zum Beispiel Montenegros Wertschöpfung der einer deutschen Kleinstadt mit 50.000 Einwohnern.

Doch selbst wenn die Europäische Zentralbank (EZB) es wollte - verhindern könnte sie diesen Quasi-Beitritt zur Eurozone nicht. Denn schon die Einführung der DM war eine einseitige Maßnahme der Verantwortlichen in Sarajewo, Podgorica und Pristina.

In Bosnien hatte sich die Mark im Krieg zwischen 1992 und 1995 nach dem Wegfall des jugoslawischen Dinar als Währung etabliert.

Die 1997 getroffene Entscheidung der dortigen internationalen Aufbaubehörde für die KM, die im Verhältnis 1:1 an die DM gekoppelt wurde, trug also nur den Gegebenheiten Rechnung.

Hier gilt ein Currency-board-System, was bedeutet, dass jede KM durch Devisenreserven in DM, künftig also in Euro, gedeckt sein muss. Im Kosovo erklärte die UN-Verwaltung die DM im September 1999 zur Hauptwährung, in der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro folgte die offizielle Einführung der DM durch die Regierung im November.

Europäische Zentralbank hält sich raus

Die EZB hält sich bewusst aus der Euro-Einführung auf dem Balkan heraus. Es folge daraus auch keine Verpflichtung für die EZB, erklärt ein Sprecher in Frankfurt. "Grundsätzlich sind wir weder dafür noch dagegen."So ist auch die mit der Euro-Umstellung verbundene Logistik nicht das Problem der Währungshüter.

Der Euro muss auf kommerziellen Wegen auf den Balkan kommen - entweder über Tochtergesellschaften von Banken aus den Euro-Ländern oder über so genannte Korrespondenzbanken, die mit westlichen Banken regelmäßig zusammenarbeiten und dort ihren Bedarf an neuen Münzen und Scheinen anmelden können.

Theoretisch könnten allerdings auch die Kosovaren und Montenegriner bei der DM als Währung bleiben. Der Umtausch würde weiter möglich sein, weil die Bundesbank - im Gegensatz zu anderen Zentralbanken in der Euro-Zone (siehe nebenstehende Tabelle)- keine Fristen gesetzt hat für die Rücknahme von DM. Da in Podgorica und Pristina jedoch keine DM gedruckt werden darf, würde schnell der Nachschub ausgehen.

Leichtes Spiel für Fälscher

Auch wenn weder Bundesbank noch EZB einen Einfluss auf die Euro-Flüsse auf dem Balkan haben - Sorgen bereitet ihnen zumindest ein Punkt: Fern ab von den Euro-Zentren dürften Fälscher im Kosovo oder in Montenegro noch leichteres Spiel haben als in Frankfurt oder Paris.

Die hier zu Lande angelaufenen Informationskampagnen erreichen den Balkan nicht. Die Menschen dort haben also im Vorhinein weit weniger Möglichkeiten, sich mit der neuen Währung vertraut zu machen.

Um den Blütenträumen der Fälscher Einhalt zu gebieten, gibt es in der Euro-Zone und speziell bei der Bundesbank auch schon Überlegungen, die Bevölkerung in den dortigen Ländern in die Informationskampagnen über den Euro einzubeziehen.

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