SZ-Serie: Rohstoffe (XIII):Reiche Asiaten schätzen Pasta

Lesezeit: 3 min

Die weltweite Nachfrage nach Weizen steigt. Da die Produktion mithält, ist mit keinen starken Preissteigerungen zu rechnen.

Dieter Claassen

Das internationale Handelsvolumen für Weizen tritt bereits seit Jahren auf der Stelle. Wetterbedingte Ernteausfälle mobilisieren nur vorübergehend die Spekulanten. Angebot und Nachfrage befinden sich bei dem Grundnahrungsmittel weitgehend im Gleichgewicht.

Ein Weizenfeld. (Foto: Foto: dpa)

Schon allein die Tatsache, dass Weichweizen (lateinisch triticum aestivium) und Hartweizen (triticum durum) auf allen Kontinenten dieser Erde angebaut werden und mancherorts bereits seit Jahrtausenden, scheint für einen ausgeglichenen Markt zu sorgen: Wenn beispielsweise die Ernten in der südlichen Hemisphäre (vor allem Australien, China und Argentinien) schlecht ausfallen, sind sie in den wichtigsten Anbauregionen auf der nördlichen Halbkugel (wie Russland, Kanada, USA und EU) oft reichlich.

Typisch ist denn auch die jüngste Beschreibung der Marktlage durch den Internationalen Getreiderat IGC, in dem es wörtlich heißt: "Höhere Ernten in China, Kanada, Russland, Kasachstan und Australien werden 2005/06 (Juli bis Juni) die Ausfälle in der EU, den USA, Pakistan und Argentinien mehr als wettmachen."

Ernte auf Rekordniveau

In den vergangenen fünf Jahren schwankte die Produktion zumeist um jährlich etwa zwei Prozent. In der jetzt beendeten Saison 2004/05 kletterte sie allerdings um 12,7 Prozent auf den Rekordstand von 624,5 Millionen Tonnen. Für 2005/06 erwartet der IGC einen Rückgang des Volumens auf 610 Millionen Tonnen.

Der Verbrauch nimmt indes ebenfalls bereits seit Jahren um zwei bis drei Prozent im Jahr zu. Als ein grundlegender Trend gilt inzwischen das Phänomen, dass der steigende Wohlstand in den Entwicklungsländern Asiens zu einer Substitution von Reis durch Teigwarenprodukte wie Pasta führt.

Agrarexpertin Ingrid Sternby von Barclays Capital ist der Ansicht, dass das spekulative Interesse an Weizen in jüngster Zeit wieder geringfügig zugenommen hat. Sie verweist darauf, dass zwischen der Produktion und dem Verbrauch 2005/06 eine Lücke von voraussichtlich fünf Millionen Tonnen klaffen wird. Das Londoner Wirtschaftsforschungsinstitut Economist Intelligence Unit geht sogar von einem Produktionsdefizit von acht Millionen Tonnen aus, das aus Vorräten gedeckt werden muss.

Die Vorräte sind reichlich

Doch da die weltweiten Vorräte derzeit reichlich sind und wegen der Rekordernte von 2004/05 um zehn Millionen Tonnen auf 137 Millionen Tonnen zugenommen haben, sind Preissteigerungen nach überwiegender Ansicht von Marktteilnehmern enge Grenzen gesetzt. Konkret ist die Zahl der auf sinkende Weizenpreise spekulierenden Marktteilnehmer an der Warenbörse in Chicago derzeit etwa doppelt so groß wie die der Haussisten.

Die Pessimisten setzen vor allem auf die hohen Bestände in den fünf größten Exportregionen: Argentinien, Australien, Kanada, EU und USA. Diese haben ein Volumen von über 50 Millionen Tonnen erreicht - gegenüber 40 Millionen Tonnen in den beiden vorangegangenen Jahren. Die relative Stetigkeit des Marktes lässt sich indes an einem weiteren Wert ablesen: Schon seit Jahren verharrt das Welthandelsvolumen für das Grundnahrungsmittel bei 105 bis 107 Millionen Tonnen im Jahr. Es wird übrigens nur etwa ein Sechstel der Welt-Weizenernte grenzüberschreitend gehandelt.

Wie bei anderen Rohstoffen auch, allen voran den Metallen, schenken die Experten den Entwicklungen in China ein besonderes Augenmerk. Das Riesenreich steuert immerhin 15 Prozent zur weltweiten Weizenproduktion bei (USA: 10 Prozent), verbraucht die über 90 Millionen Tonnen jedoch weitgehend selbst. 2004/05 machte allerdings eine schlechte Ernte eine Verdoppelung der Importe auf sieben Millionen Tonnen erforderlich. Für 2005/06 gehen Marktteilnehmer von einem Bedarf von mindestens vier Millionen Tonnen aus.

Zertifikate und Fonds

Die Vorräte des Landes sind mit nur noch 32 Millionen Tonnen auf den niedrigsten Stand seit über 20 Jahren abgesackt. Vor fünf Jahren waren sie noch mehr als doppelt so hoch. "Die Importe Chinas werden damit noch bis auf weiteres starken Schwankungen unterworfen sein", meint Barclays-Vertreterin Sternby. Mittel- bis langfristig wird das Volumen aus ihrer Sicht steigen. Begründung: Ein immer größerer Teil der Anbaugebiete müsse Industrie- und Wohngebieten Platz machen. Dazu kämen zunehmende Bewässerungsprobleme und die weit verbreitete Bodenerosion.

Doch das scheinen Probleme von morgen zu sein: 2006 sollen indes die internationalen Weizenpreise nach Schätzungen der Economist Intelligence Unit um kaum mehr als drei Prozent steigen; für 2007 sind sechs Prozent prognostiziert. "Die gegenwärtige Marktlage wird sich damit im Grunde kaum ändern", diagnostizieren die Forscher. Wer dennoch als Anleger auf Weizen setzen will, kann nach Rohstoff-Zertifikaten oder einem Rohstoff-Fonds greifen.

Die US-Investmentbank Goldman Sachs beispielsweise gewichtet Agrarprodukte innerhalb ihres Rohstoff-Index mit knapp elf Prozent und legt dabei den Schwerpunkt auf Weizen, Mais und Sojabohnen. Bei James Rogers - der frühere Hedgefonds-Manager gründete einstmals mit George Soros den Quantum-Fonds - machen Agrarprodukte sogar beinahe 30 Prozent aus, angeführt ebenfalls von Weizen, Mais und Sojabohnen.

© SZ vom 08.09.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: