SZ-Serie: Niedrigzins:Den richtigen Zeitpunkt erwischt

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Dank niedrigster Zinsen konnte sich Familie Wilms beim Hausbau etwas gönnen.

Von Benedikt Müller, München

Eingezogen ist sie schon, Familie Wilms aus Köln. Obwohl ihr neues Haus immer noch eine kleine Baustelle ist: Der Vorgarten ist noch nicht angelegt, und auch in dem weißen Haus mit den großen, schwarzen Fenstern tüfteln noch regelmäßig Handwerker an letzten Kleinigkeiten. Doch so ist das eben, wenn man keine fertige Immobilie kauft, sondern ein neues Haus nach den eigenen Wünschen bauen lässt: Es wird nie so richtig fertig.

Dass Christian Wilms, seine Frau und seine zwei Kinder nun ganz nach ihren Vorstellungen wohnen können, hat viel mit der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank zu tun. Denn die Familie hat ihren Hausbau zu historisch günstigen Bedingungen finanziert. Deshalb konnten sie sich einen höheren Kredit leisten als gedacht. "Dank der niedrigen Zinsen haben wir ziemlich genau das Optimum erreicht, was die Größe des Hauses betrifft", sagt Wilms. Viel Gartenfläche hat die Familie sich gegönnt, eine besonders große Küche und einen schönen Kamin. "Wenn die Zinsen deutlich höher wären, hätten wir auf das eine oder andere Detail verzichtet."

Bauherren und Immobilienkäufer sind bislang die großen Gewinner der Niedrigzinsphase. Zumal wenn sie, wie Christian Wilms, ein hohes und stabiles Einkommen mitbringen. Der studierte Physiker, der als Manager in der Energiebranche arbeitet, hat für seine neue Immobilie ein altes Ferienhaus in Belgien verkauft. Er brachte also ziemlich viel Eigenkapital mit. Davon kaufte er vor knapp zwei Jahren das Grundstück im Kölner Westen. Ein halbes Jahr später war er sich mit dem Bauträger einig und nahm den Hypotheken-Kredit auf. Über zehn Jahre läuft die Finanzierung nun - mit einem Zinssatz von unter einem Prozent. "Wir haben zum Glück genau den richtigen Zeitpunkt gefunden", sagt Wilms.

Christian Wilms bezahlt für den Baukredit weniger als ein Prozent Zinsen. (Foto: oh)

In dem Jahr, das seitdem vergangen ist, sind die Bauzinsen sogar noch ein bisschen gefallen. Kreditvermittler wie Interhyp und Dr. Klein melden ein Rekordtief: Zehn-Jahres-Finanzierungen sind im Schnitt für weniger als 1,3 Prozent zu haben. Wer wie Christian Wilms besonders viel Eigenkapital mitbringt, zahlt vielerorts weniger als 0,8 Prozent Zinsen. Indirekt wirkt hier die Brexit-Entscheidung nach: In unsicheren Zeiten sinkt die Rendite der sicheren, deutschen Staatsanleihen. Das zieht die Bauzinsen mit nach unten. Hinzu kommt, dass zurzeit alle Banken gerne Baufinanzierungen vergeben. Denn die Kredite sind einer der letzten verbliebenen Gewinnbringer für die Institute.

Christian Wilms hat sich diesen Wettbewerb der Finanzierer zunutze gemacht: Er nahm den Baukredit nicht einfach bei seiner Hausbank auf, sondern ließ den Kreditvermittler Interhyp nach der günstigsten Finanzierung suchen. So ist Wilms letztlich bei der örtlichen Sparkasse gelandet. Doch der Umweg über den Vermittler hat sich gelohnt: Von sich aus hätte die Sparkasse nicht ganz so niedrige Zinsen angeboten, verriet der Berater seinem Kunden Wilms.

Verbraucherschützer raten grundsätzlich dazu, bei der Baufinanzierung möglichst viele Anbieter zu vergleichen. So fand die Stiftung Warentest bei einer Stichprobe Anfang des Jahres Zinsunterschiede von bis zu 80 Prozent. Außerdem sollten Bauherren in Zeiten niedriger Zinsen und hoher Preise von Anfang an eine möglichst hohe Tilgungsrate vereinbaren.

Auch Christian Wilms kann dank der niedrigen Zinsen und seines Einkommens fleißig tilgen. Jedes Jahr baut er gut sechs Prozent seiner Schulden ab. "Wir zahlen jetzt für Zins und Tilgung ungefähr dasselbe, was wir vorher an Miete bezahlt haben." Nur bleibt am Ende ein Vermögenswert übrig, nämlich die einst abbezahlte Immobilie.

Rein finanziell betrachtet ist sich der Kölner zwar nicht ganz sicher, ob es nicht lukrativer wäre, zur Miete zu wohnen und sein Geld dafür breit gestreut anzulegen. Schließlich stellt das Eigenheim ein ziemliches Klumpenrisiko dar: Ein Großteil des Vermögens steckt in einem einzigen Objekt. Doch Wilms genießt die Freiheit, sich nicht mehr nach dem Vermieter richten zu müssen. "Ich kann zum Beispiel endlich Bohrlöcher setzen und Bilder aufhängen, wo wir wollen." Und nachdem die Familie einige Jahre im Ausland gelebt hat, will sie sich mit dem Haus wieder an die Heimat binden, den Kindern Stabilität geben.

Allerdings hat dieses Glück seinen Preis: Seitdem die Zinsen so niedrig sind, haben sich Grundstücke und Immobilien in den Ballungsgebieten stark verteuert. "Den Preis für das Grundstück fand ich hoch", sagt Wilms. Doch der Bauherr sorgt sich nicht um den Wert der Fläche, am Rand der Großstadt, zwischen Stadtwald und Autobahn. "Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Bodenpreise in diesem Gebiet sinken werden." Und das Haus wird schon auch etwas wert sein. Wenn es dann endlich mal fertig ist.

© SZ vom 18.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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