SZ-Serie: Generation D:Buntes Wollknäuel auf dem Joghurtbecher

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Vier Studenten der Technischen Universität München wollen bei Schülern die Neugier auf Naturwissenschaften und den Forscherdrang wecken.

Varinia Bernau

Den Chemieunterricht fand Julia Köberle langweilig. Bis zu jenem Tag, als ein neuer Lehrer in den Klassenraum trat, seine Krawatte in eine Lösung tunkte - und der Stoff sich verfärbte. Von dem Moment an wollte sie mehr wissen über bunte Krawatten und chemische Prozesse im Allgemeinen.

Drei der vier Nachwuchswissenschaftler von der TU München: Martin Lechler, Christopher McHardy und Julia Köberle (v. l.). wollen Schüler mit unkonventionellen Methoden für Naturwissenschaften begeistern. (Foto: Foto: Marco Einfeldt)

Und vielleicht, so haben sich Julia Köberle, die inzwischen Lebensmitteltechnologie studiert, und drei ihrer Kommilitonen gedacht, vielleicht bräuchte es mehr Lehrer, die ihre Krawatte ins Laborglas tauchen, statt nur Formeln an die Tafel zu schreiben. Dann, sagt sie, würden sich mehr Schüler für Naturwissenschaften begeistern und später als Studium wählen.

Derzeit sinkt sowohl die Zahl der Studienanfänger als auch die der Fachkräfte. Zwar gebe es Imagekampagnen von einzelnen Hochschulen oder Bundesländern, sagen Köberle und ihr Kommilitone Martin Lechler. Die Projektgruppe an der Technischen Universität München aber will früher ansetzen und die Jugendlichen schon in dem Moment für die Wissenschaft gewinnen, in dem diese noch gar nicht genau wissen, ob und was sie einmal studieren wollen. Und sie wollen die Schüler dort ansprechen, wo diese viel Zeit verbringen: im Internet.

"Nah an den Trends bleiben"

Was für Julia Köberle die bunte Krawatte ihres Lehrers war, könnten künftig wissenschaftliche Experimente als Kurzfilm auf Internetplattformen oder ein Frage-Antwort-Spiel auf einem Blog sein. "Die Reichweite wäre enorm", schwärmt die 24-jährige Studentin. Noch steckt das Projekt in der Entwicklungsphase.

Ob sie den Draht zu den Schülern künftig über Videos, Textbotschaften oder Fotos im Netz wecken wollen, steht für die vier Studenten noch nicht fest. "Es ist wichtig, nah an den Trends unter den Jugendlichen dranzubleiben oder besser noch einen Schritt voraus zu sein", sagt Martin Lechler.

So haben sie zum Beispiel auch die Idee mit dem Joghurtbecher. Als Blickfang könnte dort ein vielfach vergrößertes Protein prangen. Ein bunt gefärbter Faden, der an ein Wollknäuel erinnert und den Betrachter so stutzig macht, dass er sich auf eine eigens eingerichtete Internetseite klickt, um dort zu erfahren, was Proteine im menschlichen Körper alles leisten. "Wir müssen uns dabei natürlich auf Verpackungen von Produkten konzentrieren, die Jugendliche nutzen", betont Christopher McHardy. Es können auch Cola-Dosen oder MP3-Player sein.

Unkonventionelle Art der Wissensvermittlung

Dass sich nicht jeder Forscher für diese unkonventionelle Art der Wissensvermittlung begeistert, ist den Studenten bewusst. "Aber es gibt immer Leute, deren Herz an der Lehre hängt", sagt Christopher McHardy. Einer ihrer Dozenten betreibe einen Blog, in dem er Schülern Fragen aus dem Alltag beantwortet - beispielsweise, warum Urin nach einem Spargelessen anders riecht.

Derzeit knüpfen die Studenten Kontakt zu Firmen, die die Verpackungen ihrer Waren künftig mit bunten Molekülen bedrucken könnten. "Viele Unternehmen spüren den Fachkräftemangel schon heute deutlich. Die haben ein großes Interesse an der Nachwuchsförderung", sagt Martin Lechler. Schon deshalb sei Wissenschaft auf der Verpackung für viele lohnend.

Den guten Ruf, das Unternehmen nehme seine gesellschaftliche Verantwortung wahr, den gebe es gratis dazu. Christopher McHardy nennt noch ein drittes Argument, mit dem er die Industrie überzeugen will: "Wissenschaftliche Infos geben den Herstellern auch die Möglichkeit, über ein Produkt aufzuklären." Wem es gelinge, anschaulich zu erklären, welchen Schaden die Tenside eines Waschpulvers im Abwasser anrichten, der gewinne einen umweltbewussten Kunden.

© SZ vom 27./28.06.2009/kaf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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