SZ-Interview mit Manfred Wennemer:"Eine Heuschrecke kann auch ein Wohltäter sein"

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Der Vorstandschef von Continental hat nichts gegen Finanzinvestoren als Großaktionäre - vorausgesetzt, sie stören seinen Kurs nicht.

Meite Thiede

Gerne würde Manfred Wennemer die üppige Liquidität von Continental verringern und in großem Stile zukaufen. Doch derzeit ist nach seinen Angaben nichts Passendes verfügbar. Alternativ denke er daher über eine Sonderdividende nach. Mit "Heuschrecken" hat der Continental-Chef keine Berührungsängste.

Der Vorstandsvorsitzende der Continental AG, Manfred Wennemer. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Wennemer, Sie sitzen auf einem Geldsack von fast vier Milliarden Euro und werden ihn nicht los, weil im Moment keine passenden Akquisitionsobjekte verfügbar sind. Wie lange, glauben Sie, akzeptieren die Investoren noch, dass bei Ihnen Milliarden ungenutzt herumliegen?

Wennemer: Keiner unserer Investoren würde es verstehen, wenn wir jetzt unter Zeitdruck irgendetwas machten, nur um ein vermeintliches Problem zu lösen. Wir suchen nach Akquisitionen, ja, aber wir verfallen nicht in Torschlusspanik. Wir haben im Moment relativ hohe Kapitalkosten und wollen die wieder auf ein Normalmaß reduzieren. Aber außer Zukäufen gibt es auch noch andere Möglichkeiten, unser Geld anzulegen.

SZ: Welche Alternativen haben Sie denn im Auge?

Wennemer: Erstens wollen wir unsere Pensionsverpflichtungen aus der Bilanz bringen, das sind allein schon 300 bis 500 Millionen Euro. Und zweitens können wir über eine Dividendenerhöhung nachdenken und außerdem für 2006 auch über eine Sonderdividende.

SZ: Das bedeutet, Sie werden eine höhere Dividende und eine Sonderdividende vorschlagen?

Wennemer: Bis zum Februar kann natürlich noch einiges passieren, aber ich denke, das wäre eine Möglichkeit.

SZ: Das viele Geld weckt unter Finanzinvestoren Begehrlichkeiten. Können börsennotierte Konzerne heute überhaupt noch mittel- und langfristige Strategien in ihrem eigentlichen Geschäft verfolgen, ohne sich ständig mit der Brille einer Heuschrecke zu kontrollieren?

Wennemer: Man muss da genau unterscheiden. Ein Finanzinvestor ist ja nicht zwingend jemand, der unsere eigene Strategie nicht unterstützt, und ein Finanzinvestor ist auch nicht notwendigerweise jemand, den wir nicht haben wollen. Für uns sind drei Dinge wichtig: Erstens wollen wir unsere Strategie in groben Zügen weiterfahren, also die Kombination von Elektronik mit Bremsen und der Sicherheit. Zweitens haben wir keinerlei Interesse daran, dass Continental auseinandergenommen wird. Drittens wollen wir im Konsolidierungsprozess der Branche eine aktive Rolle spielen, und dafür brauchen wir ausreichende Mittel.

Wenn das alles garantiert ist, dann können wir uns auch mit Finanzinvestoren vernünftig arrangieren. Unter solchen Vorzeichen kann eine sogenannte Heuschrecke durchaus ein Wohltäter sein. Dafür gibt es ja auch Beispiele.

SZ: Im Sommer waren Sie schon einmal intensiv im Gespräch mit Finanzinvestoren, die Continental übernehmen wollten. Doch der Deal platzte. Warum?

Wennemer: Die Investoren waren an uns herangetreten und haben uns im Zuge der Gespräche schriftlich zugesichert, dass unsere eben skizzierten drei Grundsätze realisiert würden. Daraufhin haben wir ihnen einen kleinen Blick in die Bücher gestattet. Aber dann gab es offensichtlich eine Reihe von Indiskretionen, denn der Kurs bewegte sich stark nach oben, und damit war das Interesse auf beiden Seiten nicht mehr gegeben.

SZ: Jetzt interessiert sich die Bundesanstalt für Finanzaufsicht für die Zusammenhänge im Juli.

Wennemer: Ich begrüße, dass die Bafin untersucht, wer denn da versucht haben könnte, irgendwelche Vorteile zu ziehen. Das würde mich schon sehr interessieren.

SZ: Suchen Sie selbst aktiv nach Ihnen genehmen Investoren, die ein größeres Aktienpaket übernehmen?

Wennemer: Abgesehen von unseren ganz normalen Investorengesprächen sind wir da nicht unterwegs. Ich glaube, ein Großaktionär ist auch kein unbedingter Schutz vor unliebsamen Überraschungen. Jeder Investor, auch ein ganz großer, wird sich doch genau anschauen, was ihm etwas bringt.

SZ: Im Moment haben Sie Ruhe, denn Ihr derzeitiger Aktienkurs macht den Konzern richtig teuer. Aber das ändert sich, wenn der Kurs mal wieder runtergeht. Wann läuten die Alarmglocken?

Wennemer: Wenn die Spanne zwischen dem Wert des Unternehmens und der Bewertung an der Börse groß genug ist, dann gibt es natürlich ein Problem. Wenn der Kurs deutlich unter 80 Euro fiele, würde es kritisch. Das muss man ganz nüchtern sehen.

SZ: Sie haben Interesse an der zum Verkauf stehenden Sparte Goodyear Engineering Products angemeldet. Kommen Sie dort zum Zuge?

Wennemer: Das wäre eine schöne Ergänzung für unsere Sparte Conti-Tech, insbesondere in Nordamerika. Die Verhandlungen laufen, aber seit Oktober werden die amerikanischen Werke von Goodyear bestreikt. In dieser Situation ist es schwierig, zu einem Abschluss zu kommen. Aber ich denke, nach Ende des Streiks kann es ganz schnell gehen.

SZ: Gibt es noch andere Objekte, an denen Sie dran sind?

Wennemer: Wir haben eine Reihe von Wunschobjekten, durchaus auch größere, stehen aber nicht in konkreten Verhandlungen.

SZ: Wie weit sind Sie mit der Sanierung Ihres defizitären Nordamerika-Pkw-Reifengeschäfts?

Wennemer: Im Ersatzgeschäft schreiben wir jetzt im zweiten Jahr in Folge schwarze Zahlen. Aber in der Erstausrüstung verlieren wir noch Geld. Deshalb haben wir in diesem Jahr nicht den Break-even geschafft. Es wäre besser gelaufen, wenn wir nicht für Rohmaterialien zusätzlich 60 Millionen Euro hätten bezahlen müssen. Im Ersatzgeschäft haben wir die höheren Kosten zwar weitgehend wiederbekommen, aber in der Erstausrüstung nicht. Ohne diesen Effekt wären wir 2006 ganz klar schwarz gewesen.

SZ: Werden Sie 2007 Ihr Ziel in Nordamerika erreichen?

Wennemer: 2007 wird das gesamte Geschäft Pkw Nordamerika schwarz schreiben, wenn der Rahmen so bleibt wie jetzt. Ob auch die Erstausrüstung allein profitabel wird, hängt unter anderem davon ab, wie viele Autos unsere Kunden bauen.

SZ: Sie mussten 2006 rund 300 Millionen Euro zusätzliche Kosten für Rohstoffe verkraften. Was erwarten Sie da für 2007?

Wennemer: Es wird besser. Im ersten Quartal 2007 liegen die Rohmaterialkosten deutlich unter 2006. Kautschuk kostete im Herbst 2400 Dollar je Tonne, heute sind es 1500 Dollar. Das ist gemessen an den Vorjahren noch immer unglaublich viel, aber immerhin eine ordentliche Verbesserung im Vergleich zu 2006.

SZ: Können Sie die Kostensteigerungen an Ihre Kunden weitergeben?

Wennemer: Im Ersatzgeschäft werden wir zum Jahresbeginn 2007 die Preise erhöhen. Auch in der Erstausrüstung werden wir in Europa bei neuen Geschäften die Preise anheben, wenn auch leider nicht so weit wie eigentlich nötig. Aber wir betrachten das Erstausrüstungs-Geschäft ja auch als eine Art Investition für das Ersatzgeschäft. Allerdings gibt es auch da eine Grenze. Und die ist jetzt erreicht; weitere Kostensteigerungen können und werden wir nicht mehr alleine tragen.

SZ: Wie stark spüren Sie den Wettbewerb aus Asien?

Wennemer: Im Moment werden mehr als 20 Millionen Reifen aus Asien nach Europa importiert, bei einem Gesamtmarkt von rund 250 Millionen Reifen. Unsere Wettbewerber in Asien leiden natürlich genau wie wir unter den Rohstoffkosten. Aber die Koreaner und vor allem die Chinesen versuchen, mit sehr niedrigen Preisen Marktanteile in Europa zu gewinnen.

Wir beobachten das, und wir werden dem jetzt einen eigenen Niedrigkostenreifen entgegensetzen. Denn wir werden uns das Segment nicht kampflos wegnehmen lassen. Zur Sommersaison 2008 ist unser deshalb ganz gezielt entwickelter neuer Reifen auf dem Markt. Es gibt keinen Grund, dass wir aus unserer Fabrik in Rumänien nicht zu den gleichen Anlandungskosten produzieren wie die Chinesen.

SZ: Wann müssen Sie in der Elektronik mit Wettbewerb aus Asien rechnen?

Wennemer: Grundsätzlich gilt der zunehmende Wettbewerb auch für Automobilelektronik. Allerdings haben wir beim ESP einen langjährigen Vorsprung. Die Eintrittsbarriere ist dort wegen des hohen Forschungs- und Entwicklungsaufwands für jeden Wettbewerber extrem hoch. Aber trotzdem: Wichtige Teile für das ESP, wie zum Beispiel die Ventile, produzieren wir nur in Europa und Amerika, nicht in Asien.

© SZ vom 20.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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