SZ-Gespräch mit Martin Winterkorn:Streit bei VW eskaliert

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Der Volkswagen-Chef stellt sich gegen seinen Großaktionär Wolfgang Porsche. "Kunden, Händler, Belegschaft, Zulieferer und Aktionäre" hätten laut Winterkorn Vertrauen in die VW-Strategie - dies sollte auch für Porsche gelten.

Michael Kuntz, Wolfsburg

"Gutes Geld verdienen und soziale Verantwortung sind und bleiben Volkswagen-Tugenden", sagte VW-Vorstandsvorsitzender Martin Winterkorn der Süddeutschen Zeitung. Der Chef des größten deutschen Industriekonzerns bezieht damit klar Stellung gegen Äußerungen seines Aufsichtsrates und Großaktionärs Wolfgang Porsche.

Volkswagen-Chef Martin Winterkorn (Foto: Foto: ddp)

Streit um Mandate im Betriebsrat

Der Sportwagenhersteller will seinen Anteil an Volkswagen von 30,9 Prozent noch in diesem Jahr auf über 50 Prozent aufstocken. Der VW-Betriebsrat will per Gericht durchsetzen, dass im Aufsichtsrat der neuen Porsche-Holding die 329.000 VW-Arbeitnehmer mehr Mandate bekommen als die 11.000 Porsche-Beschäftigten.

Dagegen hatte Porsche mit seinem Betriebsrat je drei Mandate vereinbart. Wolfgang Porsche erregte in der vergangenen Woche Aufsehen mit seiner Einschätzung dieses Rechtsstreites: "Die Arbeiter könnten einfach an die Bänder gehen und arbeiten."

Demgegenüber macht VW-Chef Winterkorn im Gespräch mit der SZ deutlich: "Wir schicken unsere Mitarbeiter nicht nur ans Band, sondern behandeln sie mit größter Wertschätzung, denn gutes Geld verdienen und soziale Verantwortung sind und bleiben Volkswagen-Tugenden."

Wolfgang Porsche, 65, ist als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Porsche-Holding der mächtigste Vertreter des Familienclans Porsche und Piëch, dem alle Stammaktien der Sportwagenfirma gehören. Seit der Hauptversammlung Ende April sitzt er auch im VW-Aufsichtsrat, der von seinem Neffen Ferdinand Piëch, 71, geleitet wird. Wolfgang Porsche verlangt, dass nach Lamborghini nun auch Bugatti Geld verdient. Beide Luxusmarken von VW gelten als Hobby von Piëch.

"Der Volkswagen-Konzern ist das einzige Automobilunternehmen in der Welt, das acht Automarken erfolgreich führt und erfolgreich an Kunden vermarktet", sagt Winterkorn. VW verdiente im vergangenen Jahr 4,12 Milliarden Euro. Mit einem Umsatz von 109 Milliarden Euro ist es das größte deutsche Industrieunternehmen vor Siemens und Daimler.

"Auch der Vertrieb hat maßgeblichen Anteil an unserem historischen Rekordergebnis", weist der Vorstandsvorsitzende die Kritik von Porsche zurück. Für den ist der Vertrieb im VW-Konzern die größte Schwachstelle: "Da weiß bisweilen die Linke nicht, was die Rechte tut."

Die Wadeln richten

Die Marken machen sich untereinander Wettbewerb. Die VW-Tochter Audi greift mit ihrem Sportwagen R8 den Aktionär Porsche direkt an. "Wir sollten sicher darauf achten, dass wir den Wettbewerb hauptsächlich draußen suchen und nicht im eigenen Konzern", bemängelt Wolfgang Porsche die Situation.

Der Großinvestor zweifelt auch an den Chancen für Winterkorns Vision, Volkswagen müsse so gut werden wie Toyota: "Da müssen wir uns vorher noch ordentlich die Wadeln richten", sagte Porsche. Winterkorn entgegnet: "Wir sind nicht nur geordnet aufgestellt, sondern gehen mit der Strategie 2018 schnurstracks in eine erfolgreiche Zukunft."

Der frühere Audi-Chef Winterkorn hat nach dem Wechsel an die Konzernspitze Anfang 2007 als Ziel ausgegeben, in den nächsten zehn Jahren Toyota zu überholen, den zusammen mit General Motors größten Autohersteller weltweit. Winterkorn, 61, will die von ihm erzeugte Aufbruchstimmung nutzen, um seinen Erfolg bei Audi in sechsfach größerem Maßstab bei VW zu wiederholen.

Seinem Großaktionär Porsche stellt der Manager die Vertrauensfrage: "Kunden, Händler, Belegschaft, Zulieferer und Aktionäre haben Vertrauen in die Wachstumsstrategie von Volkswagen. Es wäre schade, wenn dies ausgerechnet bei unserem größten Anteilseigner nicht vorhanden wäre." Angeblich hat Winterkorn intern bereits mehrfach mit seinem sofortigen Rücktritt gedroht, sollte Porsche sich in das Tagesgeschäft des VW-Vorstandes einmischen.

Chef des VW-Betriebsrats stichelt gegen Porsche

VW-Betriebsratsvorsitzender Bernd Osterloh hält Porsche mit der Übernahme für überfordert. "Für mich zeichnet sich immer klarer ab: Die Herrschaften wussten offensichtlich nicht, wie ein Weltkonzern wie Volkswagen funktioniert, und sie wissen es auch heute nicht", sagte Osterloh der Braunschweiger Zeitung.

VW produzierte im vergangenen Jahr 6,2 Millionen Fahrzeuge. Porsche habe durchaus eine Erfolgsgeschichte mit 100 000 Autos im Jahr - "wie ein Mittelständler". Osterloh: "Aber wie sich zeigt, genügt das nicht, um einen Weltkonzern zu übernehmen, schon gar nicht, ihn zu führen."

© SZ vom 2. Juni 2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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