Supermarktfusion:Gabriel zieht nach

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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sucht bei der verkorksten Supermarktfusion nach dem Befreiungsschlag. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Wirtschaftsminister Gabriel holt im Fall Kaiser's Tengelmann weitere Anwälte an Bord.

Von Katja Riedel, Berlin

Verbal hat Sigmar Gabriel (SPD) in Sachen Edeka/Tengelmann schon länger aufgerüstet. Nun hat er juristisch nachgelegt und sein Anwaltsteam verstärkt. Im Kampf um die umstrittene Supermarktfusion hat der Bundeswirtschaftsminister nun die Karlsruher Anwälte Jordan & Hall an Bord geholt. Sie sollen den Bundesgerichtshof (BGH) dazu bewegen, den Kollegen des Düsseldorfer Oberlandesgerichts (OLG) auf die Finger zu klopfen. Zu diesem Zweck ging nun ein erster Schriftsatz an den BGH. Er soll den Düsseldorfer Eilbeschluss kippen, der Gabriels Ministererlaubnis für den Deal und damit die gesamte Fusion gestoppt hatte, bis auf Weiteres. Gabriels Team läutet so die Glocke zur nächsten Runde zwischen dem Minister und dem ihm wenig wohlgesonnenen Düsseldorfer OLG. Und das Duell dürfte noch über viele Runden gehen.

All das ist heikel, juristisch wie politisch. 36 Seiten lang soll das Schreiben sein, mit dem Gabriels neue Anwälte dem Bundesgerichtshof darlegen, warum der Wirtschaftsminister bei seiner Entscheidung für die Fusion nicht befangen gewesen sei, wie ihm vorgeworfen wird. Warum also auch Gespräche in kleiner und ausgewählter Runde normal seien, nicht etwa anstößig. Für Gabriel geht es vor dem BGH um viel, zumindest um seine Glaubwürdigkeit.

Sollte der BGH den Kollegen aus Düsseldorf sachliche Fehler nachweisen und den Eilbeschluss kippen, könnten nicht nur Edeka und Tengelmann ihre gut vorbereitete Verschmelzung bis zu einer endgültigen Entscheidung im Hauptverfahren vorantreiben. Gabriel stünde dann als Sieger da, mit reiner Weste: Er könnte die schweren Vorwürfe, die ihn zuletzt belasteten, aus der Welt räumen. Es geht dabei um angebliche "Geheimgespräche" mit den Chefs der Supermarktketten und mit Verdi-Chef Frank Bsirske, die Gabriel erst nach und nach bekannt machte und die in den Akten, die allen Verfahrensbeteiligten vorlagen, nicht dokumentiert waren.

Sie deuteten im besten Fall auf handwerkliche Fehler, ja Unsauberkeiten im Verfahren hin. Die Düsseldorfer Richter gingen jedoch weiter und unterstellten Gabriel "fehlende Neutralität". Sie bemängelten zudem, dass Gabriels Motivation, die wettbewerbsrechtlich untersagte Fusion zu genehmigen, nicht trage: Arbeitsplätze bei Kaiser's Tengelmann zu erhalten und bei Edeka Arbeitnehmerrechte durchzusetzen. Gabriel machte Betriebsvereinbarungen zur Voraussetzung der Fusion. Das Düsseldorfer Gericht wies ihn darauf hin, dass es zwar ein Recht gebe, sich gewerkschaftlich zu organisieren - aber auch dasselbe, es nicht zu tun.

Das Ministerium könnte, wenn der BGH ihm folgen sollte, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen

Gemeinwohl? Besorgnis der Befangenheit? An beiden Punkten docken Gabriels neue Anwälte nun an. Gelänge es Gabriel am Ende, die Ohrfeige aus Düsseldorf mit einer BGH-Entscheidung zu übertrumpfen, wäre das ein Coup. Deshalb erreichte eine Kopie des Schreibens an den BGH auch umgehend die Öffentlichkeit, das Handelsblatt berichtete darüber. Inhaltlich ist das, was Gabriels Anwälte ins Feld führen, jedoch erwartbar. "Das Ministererlaubnisverfahren von Kaiser's Tengelmann und Edeka ist rechtmäßig durchgeführt worden", kommentierte Gabriels Sprecherin das nicht öffentliche Papier am Montag. "Die Gespräche mit den Antragstellern waren zur Entscheidungsfindung üblich, notwendig und zulässig". Aus Ministeriumskreisen war zu hören, alles sei eben doch so in der Akte dokumentiert, wie es sein müsse - jedes Treffen sei dort aufgeführt, samt Vor- und Nachbereitung der Gespräche. Warum sich das alles nicht so in den Verfahrensakten wiederfindet, die allen Verfahrensbeteiligten zuging, bleibt offen.

Das Ministerium könnte, wenn der BGH ihm folgen sollte, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Gabriel aus dem Feuer nehmen und die Gemeinwohlfrage höchstrichterlich klären lassen - und sich damit am Ende durchzusetzen.

© SZ vom 06.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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