Supermärkte:Entscheidung in Berlin

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Freunde des Handels? Passanten vor einem Kaiser's-Supermarkt in Berlin. (Foto: Michele Tantussi/Bloomberg)

Der Handelskonzern Rewe geht in die Offensive: Die Kölner wollen unbedingt mit Tengelmann ins Geschäft kommen. Doch die verkaufen ihre 451 Filialen lieber an Edeka. Jetzt liegt der Fall beim Bundeswirtschaftsminister.

Von Caspar Busse, München

"Liebe Freunde des Handels", waren die ganzseitigen Anzeigen überschrieben. Für einen mindestens sechsstelligen Euro-Betrag hatte der Handelskonzern Rewe in einigen deutschen Tageszeitungen, auch in der SZ, in dieser Woche eine ungewöhnliche Kampagne geschaltet. Konzernchef Alain Caparros macht darin noch mal sein dringendes Interesse an den 451 zum Verkauf stehenden Filialen des Tengelmann-Konzerns klar - und er teilt dabei heftig gegen den Konkurrenten Edeka aus.

Es ist ein weiterer, unfreundlicher Akt in der ziemlich harten und öffentlichkeitswirksamen Auseinandersetzung, die sich die deutschen Lebensmitteleinzelhändler schon seit Monaten liefern. Der Milliardenmarkt ist ohnehin heiß umkämpft und wird von wenigen, großen Unternehmen beherrscht. Ganz vorne steht der genossenschaftlich organisierte Edeka-Konzern, dann folgen Aldi, die Schwarz-Gruppe (Lidl), Metro (Real) und Rewe. Rund 37 000 Lebensmittelgeschäfte gibt es in Deutschland. Der Kampf geht jetzt um 451 Filialen der Marken Tengelmann und Kaiser's , die Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub dringend loswerden will, weil sie hohe Verluste machen.

Haub will die Standorte an Edeka verkaufen, mit dem Konzern aus Hamburg hatte er schon einmal einen Milliarden-Deal geschlossen: Haub verkaufte 2008 die Discounter-Kette Plus an Edeka, dort läuft diese nun unter dem Namen Netto. Nun will Edeka von Haub auch den Rest von dessen Lebensmitteleinzelhandel kaufen. Doch das Bundeskartellamt untersagte im April die Transaktion, die 345 Seiten dicke Entscheidung wurde gerade im Internet veröffentlicht. In regionalen Märkten (Berlin, München) würde Edeka zu mächtig, lautet die Begründung. Daraufhin beantragten die Partner eine sogenannte Ministererlaubnis. Das Wirtschaftsministerium kann den Kartellamtsentscheid aufheben - wenn es übergeordnete gesamtwirtschaftliche Gründe gibt. Mit einer Entscheidung sei im August oder September zu rechnen, sagte Haub am Donnerstag.

Der Ton ist ziemlich deutlich: "Es muss endlich Schluss sein mit diesem falschen Spiel.

Der Kampf um die öffentliche Meinungshoheit läuft derweil auf Hochtouren. Tengelmann und Edeka betonten, dass es um 16 000 Jobs in den Filialen gehe. Sollte es bei der Untersagung bleiben, seien mindestens 8500 davon in Gefahr, so die Drohung. Edeka gibt zudem eine Jobgarantie und verspricht sogar 2000 neue Arbeitsplätze, falls die Übernahme durchgeht. Das soll nicht nur den Betriebsrat von Kaiser's Tengelmann beeindrucken, sondern auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

Rewe-Chef Caparros - ein gebürtiger Franzose, der als impulsiv und unkonventionell gilt - war das offenbar zu viel, er entschloss sich zum Gegenschlag. "Es muss endlich Schluss sein mit diesem falschen Spiel auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kaiser's Tengelmann", polterte er per Anzeige. Das Argument der Arbeitsplatzsicherheit sei nur vorgeschoben, noch vor Abschluss der Übernahme sollten dort Tausende Jobs abgebaut werden. Die Ankündigung von Edeka, neue Arbeitsplätze zu schaffen, sei zudem "schwammig und fragwürdig". Es gebe keine Zusagen und genaue Informationen über die Art der Jobs oder eine mögliche Tarifbindung.

Caparros bringt sich dann selbst als Käufer ins Spiel. Rewe würde eine "weitaus bessere Perspektive" für die Mitarbeiter bieten. Zudem sei eine Übernahme durch die Kölner "kartellrechtlich machbar". Direkt an Karl-Erivan Haub gerichtet heißt es: "Wir stehen jederzeit und ohne weitere Verzögerung zum Gespräch mit Ihnen bereit, um für die Zukunft von Kaiser's Tengelmann und seine Beschäftigten rasch die beste Lösung zu finden. Dafür ist es nie zu spät." Unterschrieben ist das Ganze vom gesamten Rewe-Vorstand und dem Gesamtbetriebsratschef. So offen wurde wohl noch nie um ein Milliardengeschäft gebuhlt. Es ist ein öffentliches Bekenntnis der besonderen Art.

Haub, der am Donnerstag in Mülheim die Bilanz für das vergangene Geschäftsjahr präsentierte, zeigte sich freilich unbeeindruckt. Er hält am Antrag auf Ministererlaubnis fest. Im Fall einer Niederlage schloss er jedoch erstmals das Beschreiten des weiteren Rechtswegs aus. "Ich glaube nicht, dass wir einen dreijährigen Rechtsprozess durchhalten können", sagte er. Der Tengelmann-Chef bezifferte die in den vergangenen 15 Jahren durch die Supermarktkette aufgelaufenen Verluste bei dem Familienunternehmen auf mehr als 500 Millionen Euro. Allein im vergangenen Jahr habe die Supermarktkette einen Verlust von gut 40 Millionen Euro gemacht, sagte Finanzchef Alfried Bührdel. Für das laufende Jahr werde mit einem Minus in noch deutlich höherer Größenordnung gerechnet. Der Umsatz der Filialen lag zuletzt bei 1,86 Milliarden Euro.

Haub warnte auch vor einer Zerschlagung von Kaiser's Tengelmann. Eine mögliche Abwicklung würde sich voraussichtlich bis Ende kommenden Jahres hinziehen und das Unternehmen "massiv belasten", meinte er. Den Vorstoß von Caparros hält der Tengelmann-Chef aber für "unseriös". Auch Rewe würde vom Kartellamt keine Freigabe für eine Übernahme bekommen, zeigte sich Haub überzeugt.

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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