Subventionen:Die neue Großzügigkeit

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Unternehmen schreien nach staatlicher Hilfe - und die Politik zeigt sich großzügig. Dabei schieben Subventionen die Probleme nur auf die lange Bank.

Karl-Heinz Büschemann

Das muss schön sein für die Politiker, jene frustrierte Spezies, die sich lange darüber ärgerte, dass sie in der Welt der Wirtschaft nur als Störfaktor galt: Jetzt sind Regierungen und Parlamente wieder gefragt. In Amerika wie Europa pilgern die Manager in die Hauptstädte und bitten um Termine. Bei so viel neuer Wertschätzung schlägt das Politikerherz offenbar gleich höher. Selten sind Regierungen auf Anfragen von Unternehmenschefs nach Steuergeldern so bereitwillig eingegangen wie jetzt.

Das Ruhrgebiet zeigt, wie nutzlos Subventionen oft sind: Denn sie lösen keine Probleme, sondern zögern sie nur hinaus. (Foto: Foto: dpa)

Der Grund für die neu aufkeimende Großzügigkeit ist die Finanzkrise. Die führte dazu, dass Regierungen gewaltige Summen lockermachten, um die Banken zu stabilisieren. Jetzt aber sind ganze Industriebranchen in die Bredouille geraten, und seitdem brechen die Dämme. In Amerika können sich die drei großen Autokonzerne aus Detroit auf Staatshilfe einstellen. In Deutschland darf Opel auf Steuergeld hoffen. Bald wird sich die Zulieferbranche mit offener Hand vor das Kanzleramt in Berlin stellen, dann vielleicht der Maschinenbau.

Der Ruf nach Geld vom Staat wird zum ganz normalen Management-Werkzeug, wenn es eng wird. Jüngster Höhepunkt der allgemeinen Subventionshysterie: Der Chef des Münchner Chip-Konzerns Infineon ging die Bundesregierung um Hilfe für seine marode Tochter Qimonda an.

Subventionen lösen keine Probleme

Dabei wird das peinliche Wort der Subvention natürlich vermieden. Es gehe ja nur um Bürgschaften, ein paar Garantien, Überbrückungshilfen oder günstige Kredite, heißt es dann. Das klingt schön harmlos. Zudem sei es für einen guten Zweck. Die Autoindustrie sei eine Schlüsselindustrie, deren Untergang könne eine Regierung nicht zusehen. Die Finanzkrise sei ein außergewöhnliches Ereignis, gewissermaßen einmalig. In dieser Situation seien die Manager machtlos und frei von Schuld an der Misere. Zudem seien die Hilfen zeitlich befristet geplant.

Wer angesichts der Notlage mancher Unternehmen und aus Sorge um steigende Arbeitslosigkeit daran denkt, die Staatskasse für Industrieunternehmen zu öffnen, sollte zuvor eine Reise ins Ruhrgebiet unternehmen. Dort ist die verheerende Wirkung von gutgemeinter staatlicher Unterstützung zu besichtigen. Die Steinkohle wird noch heute bezuschusst, die Stahlindustrie bezog Steuergelder bis in die neunziger Jahre. Die Folge ist, dass diese geplagte Region fünf Jahrzehnte nach der ersten Kohlekrise immer noch nicht die moderne Industrieregion ist, die sie sein könnte.

Gnadenlose Erpressung

Stattdessen haben Politiker, Gewerkschafter und Manager in einer teuflischen Koalition die Mär verbreitet, Kohle und Stahl aus Deutschland hätten eine glänzende Zukunft. Der Strukturwandel wurde verschoben, weil es keinen Grund zu geben schien, sich auf eine neue Zukunft einzustellen. Die späteren Demonstrationen der unglücklichen Stahlarbeiter in Duisburg gegen die Schließung ihrer Hütten sind der Beleg dafür, dass Subventionen das Elend für die betroffenen Mitarbeiter nur verschieben und verlängern, nicht aber verhindern.

Ähnlich war es in Amerika. Dort stand der Autohersteller Chrysler 1979 schon einmal vor der Pleite. Das Weiße Haus unter Jimmy Carter sprang mit Bürgschaften ein. Dieser Sündenfall hatte zwei Folgen: Chrysler wurde weiter schlecht geführt und kam nie wieder richtig auf die Beine. Zudem konnten die beiden Konkurrenten General Motors und Ford jetzt sicher sein, dass auch sie gerettet würden, sollten sie ebenfalls einmal in Not geraten. Jetzt sind alle drei in Detroit am Ende, Japaner und Europäer haben den amerikanischen Markt übernommen, und die Detroiter Manager drohen dem Weißen Haus mit drei Millionen neuen Arbeitslosen im ganzen Land, falls Washington ihr Flehen nicht erhört.

Subventionen sollen soziale Folgen abfedern, sie sind aber unsozial und verzögern die wirtschaftliche Entwicklung. Die Politiker sollten sich klarmachen, dass sie mit Staatsgeld keinen Arbeitsplatz retten und dass sie damit nicht Stärke zeigen, sondern Schwäche. Sie gewähren die Hilfen nicht, weil sie allein die Wirtschaft retten können, sondern weil sie von den Unternehmen gnadenlos erpresst werden.

© SZ vom 05.12.2008/ld/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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