Strukturpolitik:Ein guter Nährboden

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Dass der Wandel zum High-tech-Standort gelang, ist auch Ergebnis der Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Eine kleine Meldung nur aus der letzten Woche, versteckt in den Wirtschaftsteilen der Nürnberger Lokalzeitungen: Die "SPS IPC Drives", nach Angaben ihrer Macher die Leitmesse für smarte und digitale Automatisierung, wird dauerhaft in Nürnberg stattfinden. Als Dirk von Vopelius, der Nürnberger IHK-Präsident, das las, fühlte er sich bestätigt, in mehrfacher Hinsicht.

Zum einen, weil Automatisierung - neben Umwelt-, Medizin- und Kommunikationstechnik sowie Verkehr, Energie und Logistik - ein erklärter Entwicklungsschwerpunkt des "neuen" Nürnberg ist, wozu eine Fachmesse mit 70 000 Besuchern binnen drei Tagen hervorragend passt. Zum anderen, weil die Nürnberg-Messe an sich für das steht, was vor mehr als einem Jahrzehnt begann und seither erfolgreich funktioniert: der Wandel einer Industriestadt zu einem vielfältigen Standort mit hohem Hightech- und Digitalisierungsanteil.

Er kommt nicht von ungefähr, sondern ist das Resultat aktiver und gelungener Strukturpolitik, die auf dem Höhepunkt der Nürnberger Wirtschaftskrise begann. Der Freistaat Bayern, sowie Wirtschaft, Kommunen und Gewerkschaften vor Ort kümmerten sich damals nicht nur um Schadensbegrenzung, sondern darum, Zukunftsfähiges zu entwickeln. "Wir sind der Gegenentwurf zum Münchner ,Mia san mia'. Wir setzen auf Partnerschaft und Zusammenarbeit", sagt Vopelius. Ein Schlüssel sei die Bildung der Europäischen Metropolregion Nürnberg (EMN) gewesen. Was andernorts nur ein Etikett sei, habe hier "zusammengeschweißt, das Selbstwertgefühl erhöht und vernünftiges Netzwerken gestartet".

Zwei Drittel der Industriebeschäftigten arbeiten in wissensintensiven Branchen

Sein Vorgänger Klaus Wübbenhorst erinnert sich noch gut, wie er 1992 als neuer Vorstand des Marktforschers GfK nach Nürnberg kam. In eine Stadt, die "eher fränkisch zentriert als global positioniert" war, wie er sagt. Das habe sich gewandelt, weil die Menschen der Region ihre Geschicke selbst in die Hand genommen haben. "Es ist ein Unterschied, ob man beim Land oder beim Bund nur jammert und um Hilfe bittet, oder konkrete Vorschläge macht und sagt, da sind wir gut, das sind unsere Vorschläge und Ideen, und nun kommt, unterstützt uns", sagt Wübbenhorst.

Das hat funktioniert. Der Freistaat pumpte Hunderte Millionen Euro in die Region, nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern gezielt in die definierten Wachstumsfelder. Die von Land und Stadt getragene Messegesellschaft steht wie ein Symbol für den Neustart. Vor 20 Jahren noch klein und überschaubar, wurde daraus einer der größten Messestandorte Deutschlands samt wachsendem Auslandsgeschäft. Gut 570 Millionen Euro wurden seit 1998 in die Nürnberg-Messe investiert. Der Erfolg ist messbar: 9500 Arbeitsplätze in und um Nürnberg hängen heute von ihr ab, fast eine Milliarde Euro Kaufkraft pro Jahr schlagen zu Buche.

Nürnberg ist inzwischen aber auch ein Hightech-Standort. Mehr als zwei Drittel der Beschäftigten im verarbeitenden Sektor arbeiten in wissensintensiven Branchen. Allein beim Fraunhofer-Institut sind im Dreieck Nürnberg, Fürth, Erlangen mehr als 1000 Menschen im Bereich Informatik und Kommunikationstechnologie beschäftigt; 3000 weitere forschen an Hochschulen und am Max Planck Institut am Thema Licht. All das, sagt Wübbenhorst, bilde den Nährboden für die wachsende Start-up-Kultur.

© SZ vom 12.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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