Steuerschätzung:Weniger Einnahmen als gedacht

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Finanzminister Schäuble will trotz allem keine neuen Schulden machen. (Foto: Bernd Von Jutrczenka/dpa)

2015 erzielen Bund, Länder und Gemeinden noch Rekordeinkünfte. Nächstes Jahr aber kommt nicht so viel in die Kassen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hält trotz der immensen Flüchtlingskosten an seinem Vorhaben fest, auch 2016 im Bundeshaushalt eine Schwarze Null vorzulegen. "Aus heutiger Sicht" halte er es für möglich, ohne neue Schulden auszukommen, sagte Schäuble am Donnerstag in Berlin. Anlass für den Optimismus bilden die ebenfalls am Donnerstag vorgelegten Schätzungen für das Steueraufkommen der Jahre 2015 bis 2020. Danach wird das laufende Jahr zu einem neuen Einnahmerekord an Abgaben und Steuern führen. Schäuble rechnet mit insgesamt 671,7 Milliarden Euro, die in die Kassen fließen. "Bund, Länder und Gemeinden sind solide finanziert und handlungsfähig", sagte Schäuble.

Als Ursache für die sprudelnden Steuereinnahmen nannte der Bundesfinanzminister die robuste Wirtschaftslage, die anhaltend gute Konsumlaune der Verbraucher sowie gute Beschäftigungszahlen. Dies sei von besonderer Bedeutung "angesichts der enormen Zuwanderung".

Auch im kommenden Jahr sollen die Steuereinnahmen steigen. Die Kalkulation, wonach die öffentlichen Kassen 2016 mit 288,1 Milliarden Euro an Einnahmen rechnen können, fällt allerdings um fünf Milliarden Euro geringer aus als bei der Schätzung im Frühjahr. Schäuble zufolge liegt dies im Wesentlichen an Änderungen im Steuerrecht, die zu weniger Einnahmen führen. Dazu gehört unter anderem die Anhebung des Kinderfreibetrags und des Kindergelds. Er wies zugleich auf das "weltwirtschaftliche Umfeld" hin, dass "ziemlich volatil" sei. Hintergrund ist die Sorge, dass sich die wirtschaftliche Schwäche von China und anderen großen Schwellenländern auf die Erträge der deutschen Unternehmen auswirken könnte. Mit Blick auf die sich ausweitende Abgas-Affäre beim Autobauer Volkswagen sagte Schäuble, die steuerlichen Probleme des Konzerns seien "nicht die größten". Die Probleme bei Volkswagen stellten die Automobilindustrie, die eine der wichtigsten Branchen für Deutschland sei, vor "enorme Probleme".

Die 2016 anfallenden Kosten für die Flüchtlingskrise werden auf 20 Milliarden Euro geschätzt

Schäuble bemühte sich bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit Ausbruch der Koalitionskrise zur Bewältigung des Flüchtlingszustroms, die Stimmung zu beruhigen. Er rechne im kommenden Jahr mit acht Milliarden Euro an Mehrausgaben für die Versorgung und Integration von Flüchtlingen allein für den Bund, sagte er. Da der Bund rund 40 Prozent der Gesamtkosten trage, seien die geschätzten Gesamtkosten für die Flüchtlingskrise auf 20 Milliarden Euro hochzurechnen. Diese Zahl werde zwar "den einen oder anderen Ministerpräsidenten nicht besonders beeindrucken, aber vielleicht leiser machen", kritisierte Schäuble indirekt Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Der CSU-Chef hatte erklärt, die Krise werde voraussichtlich "zweistellige Milliardenbeträge" kosten.

Am Donnerstagnachmittag trafen sich erneut die Koalitionsspitzen, um ihren Streit in der Flüchtlingskrise beizulegen. Bundeskanzlerin Angela Merkel empfing auch die Ministerpräsidenten der Länder. Die Länder fordern auch für 2016 mehr Geld vom Bund, um die Integration der Flüchtlinge ohne neue Schulden zu schaffen.

© SZ vom 06.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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