Steuerhinterziehung in Deutschland:Das große Milliarden-Rätsel

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Wie viel Geld wird in Deutschland im Jahr am Fiskus vorbeigeschleust? Warum es so schwer ist, das Ausmaß der Steuerhinterziehung zu beziffern.

Daniela Kuhr

Jahr für Jahr entgehen dem deutschen Fiskus 30 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung - das schätzt Dieter Ondracek. Wie der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft zu der Zahl kommt, erläutert er nicht näher.

Im Bundesfinanzministerium zeigt man sich denn auch skeptisch angesichts dieser Zahl. Die Höhe der Steuerhinterziehung lasse sich nicht genau beziffern, sagt ein Sprecher.

Es sei unmöglich, das Ausmaß krimineller Handlungen präzise zu benennen. "Es gibt keine valide Zahl, die das beschreibt. Deshalb kann man auch unmöglich sagen, ob ein genannter Wert falsch oder richtig ist."

Auch die Statistik über abgeschlossene Steuerstrafverfahren erhellt die Sache kaum. Sie zeigt lediglich, dass durch die Arbeit von Steuerfahndern im Jahr 1997 zum Beispiel eine Milliarde Euro zusätzlich eingenommen wurde, im Jahr 2004 waren es 1,6 Milliarden Euro.

Um zu ermitteln, wie viele Steuersünder insgesamt hinterzogen haben, müsste man aber auch die nicht entdeckten Fälle miteinbeziehen - was naturgemäß nicht möglich ist.

Nur eine grobe Schätzung

Das Institut für Finanzen und Steuern in Bonn hält sich mit Schätzungen daher ebenfalls zurück. "Wie viel Steuern jährlich hinterzogen werden, lässt sich eigentlich gar nicht ermitteln", sagt Horst Höppner, stellvertretendes Vorstandsmitglied des Instituts, "denn Wissenschaftler haben auf die erforderlichen Daten überhaupt keinen Zugriff."

Höppner kann sich nur einen einzigen Weg vorstellen, wie man einigermaßen seriös zu einer Schätzung kommen könnte: "Über die Praxis", sagt er. "Wenn Steuerbeamte und Fahnder die Ergebnisse ihrer stichprobenartigen Prüfungen mitteilen, kann man versuchen, das hochzurechnen." Dennoch käme am Ende nur eine "gegriffene Zahl" heraus.

"In Wahrheit können die hinterzogenen Steuern deutlich höher liegen, aber auch deutlich niedriger", sagt er und greift zu einem Beispiel, um die Ungenauigkeit zu verdeutlichen. "Genauso gut könnte man sich fragen, wie viele Menschen eigentlich täglich zu schnell Autofahren."

Selbst wenn man sich nun bundesweit an verschiedene Straßen stellte und zählte, käme am Ende nichts weiter als eine grobe Schätzung heraus. "Sie muss mit der Wirklichkeit nicht das Geringste zu tun haben", sagt Horst Höppner.

© SZ vom 19.02.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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