Steuererstattungen:Traumzinsen vom Finanzamt

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Ein Ehepaar soll für einen nachträglich bekannt gewordenen Ertrag eines Fonds aus dem Jahr 2010 nicht nur eine Nachzahlung an das Finanzamt leisten, sondern auch Zinsen in Höhe von sechs Prozent. Dagegen klagen die Eheleute jetzt vor dem Bundesfinanzhof in München. (Foto: Catherina Hess)

In der Steuerverwaltung sind die niedrigen Renditen noch nicht angekommen: Nachzahlungen und Erstattungen werden mit sechs Prozent pro Jahr verzinst. Und das ist auch richtig so, urteilt das Finanzgericht Münster.

Von Benedikt Müller, Münster

Magerzinsen auf dem Sparbuch, Null-Prozent-Finanzierungen im Möbelhaus, historisch günstige Baukredite: Allmählich gewöhnt man sich hierzulande daran, dass Schulden nicht mehr viel kosten, und Sparen fast nichts mehr bringt. Nur im Finanzamt scheinen die Niedrigzinsen noch nicht angekommen zu sein: Wer nach einiger Zeit eine Nachzahlung an die Behörde leistet, muss seine Steuerschuld zuzüglich sechs Prozent Zinsen pro Jahr überweisen. Und wer eine späte Rückzahlung erhält, dem zahlt das Finanzamt jene sechs Prozent Zinsen obendrauf. Stets unter der Voraussetzung, dass schon mindestens 15 Monate ins Land gegangen sind. Wo gibt's denn so etwas noch, mag man da fragen.

Dennoch hat das Finanzgericht (FG) Münster die Sechsprozentregel in einem Musterverfahren am Donnerstag bestätigt. Man könne Steuerschulden nicht mit Sparguthaben vergleichen, argumentieren die Richter. Der Steuerzins müsse sich auch an Zinsen für Dispo- oder Konsumentenkrediten orientieren. Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit sieht das FG Münster jedenfalls noch nicht erreicht, weshalb die Kläger nun vor den Bundesfinanzhof (BFH) ziehen wollen.

Die Kläger, das sind zwei Eheleute, die im Jahr 2015 einen eigentlich erfreulichen Brief bekamen: Ein Fonds, an dem sie beteiligt sind, meldete einen Ertrag, der ins Jahr 2010 zurückging. Also korrigierten die Eheleute ihre Steuererklärung von 2010. Doch neben einer Nachzahlung verlangte das Finanzamt Witten schließlich 2542 Euro Zinsen, die sich bis 2015 angehäuft hatten. Das sei fernab der Realität, argumentieren die Kläger: Sie hätten diese Nachzahlung ja nicht ahnen können - und selbst wenn, hätten sie das Geld nie so hochverzinst zur Seite legen können.

An den Steuerzinsen hat der Staat viele Jahre gut verdient

Hinzu kommt die Steuererklärung für 2011. Das Paar hatte sie Anfang 2013 abgegeben; Ende 2013 kam der Bescheid - samt 946 Euro Nachzahlungszinsen. "Das fühlt sich an wie Strafzinsen", schimpft der Kläger, "das macht einen so böse." Doch die Richter argumentieren, die Sechsprozentregel gelte seit mehr als 50 Jahren; der Gesetzgeber wolle sie eben nicht mit jedem Zinsausschlag ändern. Immerhin lässt das FG die Revision zu Deutschlands höchstem Steuergericht zu. Dort ist bereits ein ähnlicher Streitfall anhängig.

Der BFH hatte die Sechsprozentregel zuletzt im Sommer 2014 bestätigt. Diese Entscheidung bezog sich allerdings auf Steuerzinsen, die bis 2011 fällig wurden. Seitdem sind die Marktzinsen allerdings deutlich zurückgegangen, forciert durch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Der Bund der Steuerzahler fordert deshalb, der Staat sollte die Rate senken. "Angesichts der Niedrigzinsphase ist dieser Zinssatz eindeutig zu hoch", sagt Reiner Holznagel, Präsident der Lobby-Organisation. In Fällen wie dem des Ehepaars seien die Nachzahlungen nicht selbst verschuldet. Viele nachträgliche Steuerbescheide stellen Finanzämter zudem nach Betriebsprüfungen aus.

In den vergangenen Jahren hat der Staat stets mehr Zinsen aus Nachzahlungen eingenommen, als er nachträgliche Erstattungen verzinsen musste. Dennoch gibt es Steuerzahler, die von der Regel profitieren: Wer keine Steuererklärung abgeben muss, aber dennoch mit einiger Verspätung einreicht, dem zahlt das Finanzamt die sechs Prozent Zinsen pro Jahr obendrauf - Voraussetzung ist freilich, dass der Staat auch wirklich etwas erstatten muss. Zum Vergleich: Bei Banken können Sparer froh sein, wenn sie noch einen halben Prozent Zins auf ihr Erspartes bekommen.

Von dem sagenhaften Finanzamt-Zins profitierten zuletzt auch die Energiekonzerne Eon und RWE. Sie hatten jahrelang Brennelemente-Steuer gezahlt. Doch das Bundesverfassungsgericht hat diese Steuer im Frühjahr für nichtig erklärt. Daraufhin hat der Staat die Steuer zurückgezahlt. RWE erhielt beispielsweise 1,7 Milliarden Euro - dem Konzern stehen zudem 250 Millionen Euro Zinsen zu.

Da das FG Münster die Klage am Donnerstag abgewiesen hat, wird sich das Bundesverfassungsgericht vorerst nicht mit den Nachzahlungszinsen befassen. Ohnehin könnte einzig die Politik eine neue Rate festlegen. Doch solange die Regelung dem Fiskus mehr bringt, als sie kostet, halten sich die Reformanstrengungen - auch vieler Bundesländer - in Grenzen.

© SZ vom 18.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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