Steuer-CDs:Gier über Verstand

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Durchsuchungen bei UBS: Steuerfahnder entdeckten vorbereitete Selbstanzeigen, die nicht abgegeben wurden.

Von Hans Leyendecker, München

Der Vorgang klingt vertraut. Die Finanzverwaltung in Nordrhein-Westfalen (NRW) kauft für gut eine Million Euro eine CD mit den Daten von Leuten, die ihr Geld bei einer Bank im Ausland untergebracht und vermutlich den Fiskus betrogen haben. Razzien laufen an und werden lange dauern. Auch die Bank wird von den Ermittlern heimgesucht.

So ähnlich läuft das wieder seit Anfang dieser Woche. Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Bochum ermittelt - wie berichtet - gegen Hunderte Beschuldigte aus dem gesamten Bundesgebiet, die Erträge aus Kapitalanlagen bei der UBS Luxembourg, die seit Dezember zur UBS Europe mit Sitz Frankfurt gehört, in ihren Steuererklärungen nicht angegeben haben sollen. Auf der CD finden sich die Namen von knapp 2000 Kunden mit Schwerpunkt in NRW, Hessen und Berlin.

Insider meinten, die Steuer-CDs seien nicht mehr werthaltig - dies war ein großer Irrtum

Was wie Routine erscheint, ist schon ziemlich ungewöhnlich. Seit knapp einem Jahrzehnt laufen jetzt bereits solche Verfahren und selbst Insider glaubten, dass die weiterhin auf dem Markt angebotenen CDs aus Sicht des Fiskus nicht mehr werthaltig seien. Zu viele Selbstanzeigen habe es gegeben. Ein Irrtum. Als die Wuppertaler Steuerfahnder vor dem Kauf der UBS-CD die üblichen Proben nahmen, stellten sie fest, dass erstaunlich viele Kunden das heimliche Geld weder beim Fiskus angegeben noch Selbstanzeige gemacht hatten. Die Gier der Leute, die ein bisschen bei der Steuer sparen wollen, scheint noch immer größer als der Verstand zu sein.

Bei ersten Durchsuchungen in dieser Woche entdeckten Fahnder vorbereitete Selbstanzeigen, die nicht abgegeben worden waren. Ein älteres Ehepaar war darunter. Der Betrag liegt bei zwei Millionen Euro, und die Alten zockten bis zuletzt - und verloren. Ein Irrtum scheint auch die Annahme zu sein, dass die oft beschriebene Weißgeldstrategie der Banken gegenüber den Kunden wirklich konsequent durchgesetzt wurde. Für vermögende Bürger der Bundesrepublik, die unversteuertes Vermögen im Ausland angelegt haben, laufe die Frist ab, hatten ausländische Banken schon vor Jahren erklärt. Entweder stellten die Kunden Selbstanzeigen oder sie würden rausgeworfen.

Die Bankentürme in Frankfurt bei Nacht: Vor allem Sparkassen haben in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren viele Prämiensparverträge verkauft. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Warum stehen dann auf der CD, die jetzt abgearbeitet wird, viele Bankkunden, die nicht mal den Versuch gemacht haben, die Angelegenheit mit dem Fiskus zu klären? Zwar ist die CD nicht mehr ganz frisch. Die Angaben über die Kunden reichen nur bis Anfang dieses Jahrzehnts. Aber das stört die Ermittler nicht - viele Kunden der früheren UBS in Luxemburg, das zeigen die Proben und bisherigen Ermittlungen - haben bis heute nicht dem Fiskus gegeben, was des Fiskus ist. Hinzu kommt, dass die Steuerfahnder auf die Spur der früheren UBS in Luxemburg neben der CD durch eine Auswertung von Selbstanzeigen gelangt sind, die bis in diese Tage reichen.

Es gab schon einmal ein Verfahren, das sich gegen deutsche Kunden der UBS und gegen beschuldigte Mitarbeiter der Bank richtete. Die zuständige Staatsanwaltschaft saß in Bochum, die zuständige Steuerfahndung war Wuppertal. Alles wie gehabt. Die Bank zahlte schließlich in einem außergerichtlichen Vergleich 302 Millionen Euro und wurde dafür nicht mehr mit steuerlichen Altlasten belangt. Auch die Verfahren gegen Bankmitarbeiter wurde gegen Zahlung von Geldauflagen eingestellt.

Immer dasselbe? In offiziellen Mitteilungen sieht sich diesmal die Schweizer Großbank nicht im Visier der Ermittler: "Die Untersuchung der deutschen Behörden steht nicht in Zusammenhang mit einem straf- oder zivilrechtlichen Verfahren gegen UBS", erklärte das Institut.

Das ist richtig und ein bisschen falsch zugleich. Die Ermittlungen richten sich nicht gegen Mitarbeiter von UBS Europe SE in Deutschland. Es gibt bislang auch noch keine Ermittlungen gegen namentlich bekannte Mitarbeiter des Geldinstituts, aber es gibt das klassische Verfahren gegen Unbekannt - also von Leuten, die früher für die UBS in Luxemburg arbeiteten. Ob die jetzt bei UBS Europe arbeiten, wissen die Ermittler noch nicht. Sie haben durch die Auswertung der Selbstanzeigen und der CD verdächtige Bankleute notiert, wollen aber offenbar die Ermittlungen abwarten, um dann die Aktenzeichen auch individuell zu vergeben.

Lernt eigentlich niemand etwas aus zehn Jahren CD-Ermittlungen?

Beim ersten Fall in einer langen Reihe weiterer Fälle, dem Fall der LGT Treuhand in Liechtenstein, weigerten sich einige Steuerbehörden, mit den Ermittlern in Bochum und Wuppertal zusammenzuarbeiten, weil diese für Abschnitte dieses Verfahrens gar nicht zuständig seien. Auch im neuen Fall UBS legen sich Behörden in einigen Bundesländern wieder quer. Sie geben die angeforderten Steuerakten nicht an die Wuppertaler raus und bestehen darauf, dass sie sich selbst überzeugen wollen, ob da was dran sei oder nicht. Wenn ja, wollten sie selbst die Ermittlungen führen.

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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