Stellenabbau der Hypo-Vereinsbank:Die Bankfiliale soll leben

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Banken, die wie nun die Hypo-Vereinsbank fast nur auf Online setzen, sind für Kunden kaum noch unterscheidbar. Sie könnten ihre Identität verlieren. Denn Bankgeschäfte sind immer noch Geschäfte zwischen Menschen.

Ein Kommentar von Thomas Fromm

Ganz ehrlich: Wann waren Sie zuletzt am Schalter Ihrer Bankfiliale, um Ihren Kontostand zu prüfen, Überweisungen in die Wege zu leiten oder Wertpapiergeschäfte abzuwickeln? Oder einfach nur so, um mal wieder mit Ihrem Kundenbetreuer zu reden, vielleicht über den Euro-Kurs oder die Zinspolitik der EZB? Bei vielen Menschen dürfte das schon eine Weile her sein. Viele bleiben meistens schon im Vorraum stehen. Ziehen sich 100 Euro, nehmen einen Kontoauszug mit und werfen Überweisungsaufträge in den Briefkasten. Wenn überhaupt - immer mehr Menschen kennen ihre Filiale gar nicht mehr von innen.

Für sie ist ihre Bank heute nicht mehr als ein Internetauftritt; kommuniziert wird über eine Handvoll Passwörter. Menschen, die zur Arbeit gehen, bevor ihre Bankfiliale öffnet, und nach Hause kommen, wenn diese schon geschlossen hat, brauchen keine Bankfiliale. Sondern einen Rund-um-die Uhr-Service.

Da Institute mit leeren Geschäftsräumen immer öfter Geld verlieren als verdienen, steigt der Druck. Die große Frage in den Vorstandsetagen der Banken lautet daher seit Jahren: Wie komme ich an meinen Kunden ran, wenn der schon nicht mehr zu mir kommt? Oder, wie man auf Neudeutsch sagen würde: Wie und wo hole ich meine Leute ab?

Die Münchner Hypo-Vereinsbank (HVB) arbeitet schon seit Langem an einem Mittelweg, einer Mischung aus Filial- und Direktbank mit immer mehr Online-Angeboten; im Manager-Sprech heißt so etwas "Multikanal-Strategie". Die Unicredit-Tochter, einst eine der größten deutschen Filialbanken, plant nun als erste Bank die große Revolution: Rund die Hälfte aller Filialen könnte bald wegfallen - dafür soll nicht alles, aber doch vieles auf eine Karte gesetzt werden: die digitalen Vertriebswege. Die Strategie ist naheliegend - aber riskant.

Es kommt vieles zusammen: Der Finanzsektor steckt seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahre 2007 in einer historischen Sinnkrise. Dabei geht es nicht nur um die Frage, mit welchen Produkten man künftig Geld verdienen will, ohne noch einmal das weltweite Finanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs zu treiben. Die zweite große Frage betrifft das eigentliche Geschäft von Geldinstituten: Wie soll es in Zukunft eigentlich ablaufen, das Verhältnis zwischen Bank und Kunde?

Bankgeschäfte sind seit Jahrhunderten vor allem: Geschäfte zwischen Menschen. Es geht um Vertrauen, um gewachsene Beziehungen - und nicht zuletzt auch um die Identität einer Bank. Je mehr Geschäfte über Online-Plattformen abgewickelt werden, desto größer die Gefahr, dass eine Bank ihr Gesicht nach außen verliert.

Banken, die sich selbst nur noch auf eine Internetseite, ein paar Mausklicks und eine Handvoll Pin-Nummern reduzieren, sind für Kunden kaum noch unterscheidbar. Im schlimmsten Fall verlieren sie ihre Identität. Am Ende geht es dann wie so oft nur noch um die Frage, wer die besten Konditionen hat. Und nicht ums Wesentliche: Dinge wie Solidität und Vertrauen.

Neue, attraktive Treffpunkte

Daher ist die Frage nach dem Tod der klassischen Bankfiliale leicht zu beantworten: Nein, die Bankfiliale lebt. Wer glaubt, ganz ohne sie auskommen zu können, unterschätzt die Bedürfnisse der Kunden.

Es gibt sie inzwischen zuhauf, die chronisch leergefegten Filialen, die diesen Wandel nicht überleben werden. Man kennt diesen Schrumpfungsprozess aus anderen Branchen - auch in der Autoindustrie wird es nicht jedes Autohaus in die Zukunft schaffen. Es gibt aber auch die Filialen, die sich lohnen. Die ausgebaut werden müssen zu neuen, attraktiven Treffpunkten für Kunden und ihre Berater, gerne auch länger geöffnet als nur bis 17 oder 18 Uhr.

Multikanal-Strategie? Die Kunst wird in Zukunft sein, alle Kanäle zu bespielen - mit Augenmaß.

© SZ vom 27.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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