Steinbrück und Guttenberg:Die Krise ist groß genug für zwei

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Finanzminister Steinbrück und Wirtschaftsminister Guttenberg erklären jetzt gemeinsam den Niedergang. Eifersüchteleien wollen sie sich dabei nicht anmerken lassen.

Nico Fried, Berlin

Einmal lachen die beiden Herren sogar synchron. Die Gleichzeitigkeit passt ins Bild dieses Auftritts, der ja nicht zuletzt Harmonie ausstrahlen soll. Freilich zeigt dieser Moment auch, wer hier noch Lehrling ist und wer schon sehr viel weiter. Auf die Frage nach der persönlichen Einschätzung, wie lange und heftig die Krise wohl noch werde, sagt der Wirtschaftsminister ein wenig umständlich, man verschaffe sich sein eigenes Bild und nehme "dankbar auf, was andere aus ihren Fachgebieten zu berichten wissen". Der Finanzminister antwortet mit dem ziemlich souveränen Plädoyer, einen einfachen Satz zu akzeptieren: "Ich weiß es nicht."

Im Gleichschritt: Finanzminister Steinbrück (vorne, links) und Wirtschaftsminister Guttenberg (vorne, rechts) in Berlin. (Foto: Foto: dpa)

Peer Steinbrück und Karl-Theodor zu Guttenberg informieren über die Krise und darüber, was die Regierung dagegen zu tun gedenkt. Sie haben soeben den zweiten Konjunkturgipfel im Kanzleramt hinter sich gebracht, zusammen mit der Kanzlerin, dem Außenminister, mit Experten, Wirtschafts- und Gewerkschaftsbossen. Zum ersten Gipfel dieser Art hatte Angela Merkel am dritten Adventssonntag 2008 geladen. Seither ist vieles anders geworden, das meiste sehr viel schlechter, vielleicht mal abgesehen von der personellen Besetzung im Amt des Wirtschaftsministers.

Steinbrück, Krisenmanager von Beginn an, kommt einem nach all diesen Monaten ohnehin schon vor wie einer, der eigentlich noch nie was anderes gemacht hat, als zu sagen, wie schwierig, aber nicht aussichtslos die Lage sei, um danach wieder die Mundwinkel runterzuziehen. Guttenberg, der Jüngere, kommt auch schon recht selbstbewusst daher, auch wenn die Röte im Gesicht wahrscheinlich zu gleichen Teilen von sonnigen Osterfeiertagen und einer gewissen Rest-Verlegenheit des Novizen herrühren mag.

Der Advent 2008, ja, das waren noch Zeiten. Aus dem Wirtschaftsministerium drang damals eine Prognose, die Wirtschaft könne um drei Prozent schrumpfen. Dem damaligen Amtschef Michael Glos brachte das eine Menge Ärger ein. Der Wirtschaftsweise Bert Rürup, inzwischen Versicherungsvertreter, schwankte damals auf dem Konjunkturgipfel im Kanzleramt noch zwischen zwei und vier Prozent minus. Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank, zog sich den Zorn der Politik zu, als er mit 30-prozentiger Wahrscheinlichkeit einen Einbruch von vier Prozent voraussagte, später korrigierte er sich selbst auf fünf Prozent.

Rapide abwärts

Und jetzt? Sechs Prozent sollen es werden. Miese. Diese Zahl ist bekannt geworden, kaum dass die Runde im Kanzleramt an diesem Mittwoch beginnt. Muss Steinbrück, der fürchterlich geschimpft hatte über den Überbietungswettbewerb der Pessimisten, sich jetzt bei Norbert Walter entschuldigen? Der habe um Aufmerksamkeit geheischt und habe sie bekommen. Der Nutzen solcher Schwarzmalerei erschließe sich ihm aber bis heute nicht, sagt Steinbrück und schaut dabei drein, als würde er Walter sogar verspeisen, wenn dies eine Möglichkeit wäre, ihn zum Schweigen zu bringen.

Steinbrück und Guttenberg, das ist ein Signal an diesem Mittwoch. Die Krise ist schlimm, aber noch nicht so schlimm, dass nun sogar die Kanzlerin und ihr Vize, der zufälligerweise auch ihr Herausforderer ist, den ausgebrochenen Wahlkampf in aller Öffentlichkeit unterbrechen wollen. Hinter den Kulissen tun sie das natürlich andauernd, jedenfalls sollte niemand glauben, dass Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier drinnen so übellaunig miteinander reden, wie sie draußen übereinander reden, jedenfalls Steinmeier über Merkel, um genau zu sein.

Steinbrück und Guttenberg ist auch das Signal, dass diese Koalition nicht nur weiter zusammenarbeitet, sondern mittlerweile zwei in Sachen Krise sprechfähige Minister hat, was man zu Zeiten von Guttenbergs Vorgänger Michael Glos nicht behaupten konnte und was ja auch ein Manko ist, wenn man die öffentlichen Auftritte der Kanzlerin betrachtet. Finanz- und Wirtschaftsminister verfügen beide über die Gabe, komplizierte Sachverhalte vielleicht nicht so auszudrücken, dass sie jeder versteht, aber doch so, dass man das Gefühl haben darf, wenigstens die beiden wüssten, wovon sie reden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum selbst Hans-Werner Sinn inzwischen die Verstaatlichung von Banken befürwortet.

Steinbrück und Guttenberg also. Das ist ja auch die Geschichte des Versuchs, unbedingt eine Konkurrenz herbeizudichten. Der junge Wirtschaftsminister, der dem Finanzminister die Show stiehlt. Peer Steinbrück ist eitel genug, dass man ihm solche Befürchtungen unterstellen darf. Aber er ist auch clever genug, dass er sich bisher jedenfalls nichts hat anmerken lassen. Für Eifersucht sei er zu alt, hat der 62-Jährige kürzlich auf diese Frage gesagt.

Einfach nur Schweigen

Noch am Morgen hatte Steinbrück zudem im Kabinett einen Erfolg über Guttenberg erzielt und in maliziöser Weise ausgekostet. Nachdem die Union nach wochenlanger Debatte den Widerstand gegen ein Steuerfluchtgesetz aufgegeben hatte, bemerkte der Finanzminister in der vertraulichen Runde, es habe ihn schon gewundert, dass der nationale Beschluss so lange gedauert habe, wo man sich doch international so zügig habe verständigen können. Bei dieser Bemerkung wolle er es belassen, so Steinbrück. Guttenberg und auch die Kanzlerin quittierten diese Generosität mit Schweigen.

Nun berichten die zwei Minister einträchtig über die Runde im Kanzleramt, schauen sich an, nicken jeweils zu den Worten des "Herrn Kollegen" und erzählen einiges, wenn auch nicht alles. Zum Beispiel die Geschichte von Hans-Werner Sinn. Gleich zu Beginn des Gesprächs im Kanzleramt präsentierte der Chef des Münchener Ifo-Instituts eine Analyse, die Ohrenzeugen später schlicht als "schonungslos" bezeichnen. Sinn übrigens, der sich gegen den Ruf, der letzte wirkliche marktliberale Wirtschaftswissenschaftler in Deutschland zu sein, ganz sicher nicht vehement zur Wehr setzen würde, dieser Hans-Werner Sinn also ist mittlerweile auch so überwältigt von der Krise, dass er die Verstaatlichung von Banken eher befürwortet. So weit ist es gekommen.

Vielleicht lag es auch daran, dass einige der Bankenvertreter Teilnehmern vor allem als Beschwichtiger in Erinnerung geblieben sind. Auf die direkte Frage der Kanzlerin, ob es noch immer eine Kreditklemme gebe, hätten die Bank-Manager eher bagatellisierend geantwortet. In manchem Einzelfall habe sich diese Zuversicht aber dann nicht bestätigt, was die Skepsis Merkels eher gesteigert denn vermindert haben soll.

So genau erzählen das Steinbrück und Guttenberg nicht. Guttenberg ist 37 Jahre alt, er könnte Steinbrücks Sohn sein. Als der erste Konjunkturgipfel abgehalten wurde, war er gerade Generalsekretär der CSU geworden. Die permanente Forderung seiner Partei nach Steuersenkungen verteidigte er damals mit den Worten: "Herrn Steinbrück bricht kein Zacken aus der sorgsam polierten Krone, wenn er die vernünftigen Ansätze des Koalitionspartners aufgreift." Nun sitzt er da vorne als Wirtschaftsminister und redet von dem differenzierten Bild, das im Kanzleramt gezeichnet worden sei. Und im übrigen sei seine CSU inzwischen so weit, Steuersenkungen differenziert zu diskutieren, bei der Mehrwertsteuer sei ihm das sogar zu differenziert, sagt Guttenberg, was man mit etwas bösem Willen sogar als kleine Spitze gegen CSU-Chef Horst Seehofer auslegen könnte.

© SZ vom 23.04.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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