Steigende Nahrungsmittelpreise:Mit Reiskartell gegen Lebensmittelkrise

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Thailand plant ein Reiskartell nach dem Vorbild der Opec. Kann damit der Handel und die Preisentwicklung reglementiert werden - oder gewinnt eine kleine Gruppe Macht über drei Milliarden Menschen, die sich von Reis ernähren?

Daniela Kuhr

Angesichts der dramatisch gestiegenen Lebensmittelpreise erwägt Thailand die Gründung eines Reis-Kartells nach dem Vorbild der Öl-Organisation Opec. Der thailändische Handelsminister Mingkwan Saengsuwan plane Gespräche mit seinen Ministerkollegen in vier südostasiatischen Ländern (Laos, Vietnam, Kambodscha und Birma), sagte ein Regierungssprecher am Freitag in Bangkok.

Frauen kaufen in Bangkok Reis. Der Preis für das Grundnahrungsmittel hat sich in diesem Jahr verdreifacht. (Foto: Foto: AP)

Die vier Staaten hätten bereits Interesse signalisiert, hieß es. Thailand ist der weltgrößte Reisexporteur. "Obwohl wir das Nahrungsmittelzentrum der Welt sind, haben wir wenig Einfluss auf die Preise", sagte er.

Die Reispreise haben sich verdreifacht

Derzeit müsse Thailand teures Öl importieren und billigen Reis exportieren, was unfair sei und die Handelsbilanz verschlechtere. Vor dem Hintergrund weltweit steigender Lebensmittelpreise, Dürreperioden und einer höheren Nachfrage haben sich die Reispreise in diesem Jahr verdreifacht.

Die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) entscheidet über die Ölfördermenge und nimmt so maßgeblich Einfluss auf die Preise. Eine Organisation reisexportierender Länder würde demnach ebenfalls auf die Preisentwicklung Einfluss nehmen.

Die Befürworter der Idee argumentieren, so werde sichergestellt, dass die Bauern von den steigenden Preisen des Grundnahrungsmittels profitieren. Die Gegner der Idee dagegen halten es für wenig wahrscheinlich, dass sich das Modell der Opec auf den Handel mit Reis übertragen lässt.

Macht über drei Milliarden Menschen

Auch gibt es die Befürchtung, eine kleine Gruppe könne Macht über die weltweit insgesamt drei Milliarden Menschen erhalten, die sich mehr oder weniger hauptsächlich von Reis ernähren.

Zuvor hatte US-Präsident George W. Bush angesichts der weltweiten Lebensmittelkrise eine höhere Unterstützung angekündigt. Er forderte den Kongress auf, zusätzlich 770 Millionen Dollar (490 Millionen Euro) für Entwicklungsprogramme in der Dritten Welt freizugeben.

Die USA stellen üblicherweise jährlich zwischen 1,6 und 1,7 Milliarden Dollar an Nahrungshilfen zur Verfügung. Bush rief die anderen Industriestaaten auf, ihre Hilfen ebenfalls auszuweiten. Zudem sprach er sich für einen Abbau der Handelsbeschränkungen aus. Dies werde zu niedrigeren Lebensmittelpreisen führen.

Die Nahrungsmittelkrise hat von Asien über Afrika bis in die Karibik bereits zu gewaltsamen Protesten geführt. In Haiti stürzte die Regierung im Zuge der politischen Unruhen.

Mehrere Faktoren trugen zum Anstieg der Preise bei. So braucht eine wachsende Weltbevölkerung schon an sich mehr Nahrung. Hinzu kommt, dass die Verbraucher mit wachsendem Wohlstand ihre Ernährung umstellen und mehr Fleisch wünschen.

Um aber ein Kilo Fleisch zu produzieren, werden im Schnitt acht Kilo Getreide benötigt. Anbauflächen werden auch wegen des Trends zu Biosprit rar: Statt Nahrungsmitteln pflanzen Bauern Raps oder Getreide für die Kraftstoffproduktion an. Ernteausfälle in wichtigen Exportländern wie Australien haben ebenfalls zu steigenden Preisen beigetragen.

Kritik an EU-Agrarpolitik

Die entwicklungspolitischen Organisationen Misereor und Germanwatch sowie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) fordern, die EU solle schnellstmöglich sämtliche Exportsubventionen abschaffen.

Die europäische Agrarpolitik müsse so umgestaltet werden, "dass sie negative Effekte auf die Märkte in Entwicklungsländern in Zukunft ausschließt", schreiben sie in einem gemeinsamen Positionspapier, das sie am Freitag in Berlin vorstellten.

Gegenwärtig überprüft die EU-Kommission die europäische Agrarpolitik. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob die jährlich 50 Milliarden Euro aus dem Agrarhaushalt sinnvoll eingesetzt oder effektiver verwendet werden könnten. Im November hatte die Brüsseler Behörde erste Ideen veröffentlicht, am 20. Mai will sie konkrete Vorschläge präsentieren.

Misereor, Germanwatch und die AbL fürchten, dass die Diskussion in eine falsche Richtung zielt. Die Agrarpolitik der EU habe dazu beigetragen, dass in ärmeren Ländern die Landwirtschaft vernachlässigt wurde. "Die Konkurrenz mit billigen und subventionierten Exporten aus der EU zerstörte die Absatzmöglichkeiten von Kleinbauern auf ihren eigenen Märkten", schreiben die Organisationen.

Doch im laufenden Reformprozess tauche "die notwendige und sofortige Abschaffung dieser handelsverzerrenden Ausfuhrerstattungen bisher an keiner Stelle auf", kritisieren sie.

Der Präsident des Bauernverbands, Gerd Sonnleitner, wies die Kritik zurück. Die europäische Agrarpolitik sei nicht schuld an der weltweiten Hungerkrise. Die Länder mit Menschen ohne ausreichende Ernährung seien fast alle totalitäre Staaten ohne funktionierendes Rechtssystem und mit maßloser Korruption. Das sei die Ursache "für Hunger, Not und Elend in der Welt und nicht die europäische Agrarpolitik."

© SZ vom 03.05.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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