Stadtwerke Leipzig:Ein demokratischer Strom

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Der gescheiterte Verkauf der Stadtwerke Leipzig zeigt: Der bürgerliche Widerstand gegen den Rückzug der Kommunen aus den Unternehmen der Daseinsvorsorge wird massiver. Und das ist gut so.

Heribert Prantl

Es ist in Deutschland noch niemand auf die Idee gekommen, die Polizei zu privatisieren. Es gibt zwar in Hessen ein teilprivatisiertes Gefängnis, und da und dort ist die Verkehrsüberwachung (mit eher schlechten Erfahrungen) an private Sicherheitsdienste übertragen worden. Aber der Kern der inneren Sicherheit stand nie zum Verkauf, weil der Schutz vor Gewalt und Diebstahl zu den Funktionen gehört, die auch glühende Neoliberale dem Staat zuweisen.

Nun zeigt sich aber, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger unter innerer Sicherheit und einem starken Staat mehr vorstellen, als dies Politiker in jüngerer Zeit getan haben: Zur Grundsicherung zählt der Bürger nicht nur die Polizei, sondern auch andere Dinge, die jeder braucht: das Trinkwasser oder die Energie zum Beispiel.

Der bürgerliche Widerstand gegen den Rückzug der Kommunen aus den Unternehmen der Daseinsvorsorge wird deshalb massiver. Soeben ist der Verkauf der Leipziger Stadtwerke an den französischen Konzern Gaz de France am Bürgerentscheid gescheitert.

Die verschuldete Stadt Leipzig muss nun auf 520 Millionen Euro verzichten, dafür aber behalten die Bürger einen gewissen Einfluss darauf, was die Stadtwerke so treiben (bisher wird mit einem Teil des Gewinns der Leipziger Straßenbahn-und Busverkehr subventioniert).

Der Einfluss des Bürgers ist zwar nicht gewaltig, er kann ihn nur mittels seiner Stimme bei der Wahl ausüben. Aber so funktioniert Demokratie; und wenn Gas, Strom und Wasser verkauft sind, dann regiert allein der Markt.

Viele Menschen haben ein unbehagliches Gefühl, wenn der Staat sich von so vielen Tätigkeiten zurückzieht, die bis dahin als ureigene staatliche Aufgaben gegolten hatten, wenn er also Private machen lässt, was früher des Staates war. Krankenhäuser, Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung und Verkehrsbetriebe wurden mehr und mehr und voll und ganz auf Privatunternehmen übertragen.

Lebendige Demokratie

Das klappt ganz ordentlich, oftmals aber steigen danach die Preise. In Dresden hat der US-Investor nach dem Kauf der städtischen Immobiliengesellschaft alsbald die Mieten in die Höhe geschraubt. Solcher Erfahrungen wegen ist die Privatisierungseuphorie gebrochen; es gibt eine Lust auf Re-Kommunalisierung.

Diese Vorsicht ist erstens vernünftig und zweitens demokratisch. Die Kommune ist die Schule der Demokratie: Wenn der Bürger dort nur noch lernen kann, dass die Politik auf die Versorgung mit öffentlichen Gütern keinerlei Einfluss mehr hat, dann wächst die Verdrossenheit am Staat.

Privatisierung kann gut sein, sie darf aber nicht auf den Ausverkauf staatlicher Gestaltungsmacht hinauslaufen; das wäre auch ein Ausverkauf demokratischer Mitbestimmung. Die Grenzen der Privatisierung verlaufen dort, wo die Bürger das notwendige Mindestmaß an Sicherheit, ihre Grundsicherheit eben, verlieren. Das ist die Lehre der Volksabstimmung in Leipzig. Man nennt das: lebendige Demokratie.

© SZ vom 29.01.2008/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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