Staatsanwaltschaft ermittelt:Das brisante Erbe von Mister Rewe

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Am Ende war alles ganz schnell gegangen an diesem Tag im April 2004: Hans Reischl räumte seinen Schreibtisch in der Rewe-Zentrale in der Kölner Domstraße und verließ eilig die Firma.

Stefan Weber

Mehr als zwei Jahrzehnte hatte er die Geschicke des zweitgrößten deutschen Lebensmittelhändlers gelenkt. Wenige Monate später wäre sein Vertrag ohnehin abgelaufen.

Aber Reischl, der Machtmensch, wollte nicht einen Tag länger bleiben, nachdem der Aufsichtsrat sich seinem Wunsch nach einem Platz im Kontrollgremium widersetzt hatte. Mit Reischls Hinterlassenschaft beschäftigt sich nun die Kölner Staatsanwaltschaft. Die Behörde bestätigte am Dienstag Ermittlungen gegen den 66-Jährigen.

Nach dem Abgang von Reischl, der als Aufsichtsrat von Karstadt-Quelle nach wie vor engen Kontakt zur Handelsbranche hält, ging es in der Führungsetage von Rewe sehr turbulent zu: Sein Nachfolger Dieter Berninghaus musste gehen, weil die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen Steuerhinterziehung und Betrug ermittelte.

Das Triumvirat

Dann führten drei Manager das Unternehmen gleichsam als Triumvirat, ehe Aufsichtsratschef Klaus Burghard plötzlich mit Achim Egner einen neuen Vorstandssprecher präsentierte. Der wiederum trat schon im August dieses Jahres wieder ab, weil der Stil und das Tempo, mit dem er die Gruppe umstrukturieren wollte, nicht überall Beifall fanden. Seitdem führt der Franzose Alain Caparros das Unternehmen.

Die hohe Geschwindigkeit, mit der sich seit Reischls Abgang in Köln das Personalkarussell dreht, hat auch damit zu tun, dass "Mister Rewe" während seiner langen Regentschaft ein dichtes Geflecht von Firmen und Abhängigkeiten gesponnen hat.

Dieses Erbe besitzt Sprengkraft. Das haben seine Nachfolger schmerzhaft erfahren. Um endlich Klarheit über alle Abläufe im Unternehmen zu erhalten, ließen Vorstand und Aufsichtsrat die Firma seit Sommer vergangenen Jahres durchleuchten.

Das Ergebnis ihrer Untersuchung überreichten sie vor einigen Wochen der Staatsanwaltschaft. Doch noch ehe sich die Behörde mit dem streng vertraulichen Dossier beschäftigte, wurden Einzelheiten daraus bekannt. Der Stern berichtete, mehrere Topmanager des Unternehmens, darunter auch Reischl, würden der Untreue, der Bestechlichkeit und möglicher Verstöße gegen das Kreditwesengesetz beschuldigt.

Die Staatsanwaltschaft, so hieß es fälschlicherweise, habe bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Reischl ließ sogleich über seinen Anwalt mitteilen, hierbei handele es sich um "unverantwortlich in die Welt gesetzte Falschbeschuldigungen, denen jede reale Grundlage fehlt."

Kaum dass bekannt war, dass sich die Staatsanwaltschaft für bestimmte Vorgänge bei Rewe interessiert, wollte mancher in der Branche schon immer gewusst haben, dass in Köln zumindest zeitweise merkwürdige Dinge an der Tagesordnung waren. Das sei ein offenes Geheimnis gewesen, bemerkte vor kurzem ein ranghoher Handelsmanager in kleiner Runde: "Nur berichtet hat darüber niemand. Es ist höchste Zeit, dass die Vorgänge bei Rewe aufgeklärt werden."

Darum bemüht sich jetzt die Staatsanwaltschaft. Nach Prüfung der von Rewe bereitgestellten Unterlagen ermittelt die Behörde gegen Reischl bislang aber nur wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz. "Es gibt keinen Hinweis auf Untreue oder Bestechlichkeit", sagte am Dienstag ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der SZ.

Damit gibt es auch noch keine Bestätigung für den Vorwurf, Reischl und andere Ex-Manager hätten den italienischen Gemüse- und Früchtegroßhändler Bocchi beim Wareneinkauf begünstigt und seien dafür an den Profiten beteiligt worden.

Allerdings geht die Behörde dem Verdacht nach, dass Reischl und andere Führungskräfte Firmenkonten zum Teil für private Geschäfte missbraucht haben. Nach Informationen des Stern führte Rewe für Reischl zeitweise mehrere sogennannte Konsolidierungskonten, darunter zwei, die zu Gunsten seiner Kinder genutzt wurden.

"Abenteuerlich und völlig ausgeschlossen"

Über diese Konten habe er Anlage- und Kreditgeschäfte mit dem eigenen Unternehmen tätigen können. Zwischen 1993 und 2006 seien die Rewe-Prüfer auf "Einzahlungen und Auszahlungen in einer Gesamthöhe von annähernd 100 Millionen Euro" gestoßen, berichtete der Stern. Reischl hatte die angebliche Höhe der Transaktionen auf seinen Konten "abenteuerlich und völlig ausgeschlossen" genannt.

Sein Anwalt Norbert Gatzweiler hält die Nutzung des von Rewe eingerichteten Kontos für einen üblichen Vorgang. "Herr Reischl hat keine Konten der Rewe missbraucht. Es geht um private Konten, auf denen er private Gelder hatte", betonte er.

Nach Ansicht von Gatzweiler ist lediglich zu prüfen, ob der frühere Rewe-Chef ohne Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) über diese Gelder habe verfügen dürfen. Der Anwalt ist überzeugt, dass das Verfahren "einvernehmlich" mit der Staatsanwaltschaft beendet wird.

© SZ vom 8.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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