Spitzenwinzer beliefert Aldi:Der Wein-Rebell

Lesezeit: 4 min

Hans Lang aus dem Rheingau verkauft seinen Riesling auch an den Discounter Aldi Süd. Das erzürnt die deutschen Spitzenwinzer.

Robert Lücke

Als Hans Lang aus Hattenheim im Rheingau im vorigen Jahr kurz vor Ostern 60.000 Flaschen "Riesling Classic" an Aldi Süd lieferte, wusste er noch nicht, was er damit auslösen würde. Winzer Lang ist nämlich nicht irgendeiner: Er gehört zur Elite der deutschen Weinbauern. Lang ist einer von nur 199 Winzern, die Mitglied im VDP sind, dem Verband Deutscher Prädikatsweingüter, die so etwas sind wie die S-Klasse der deutschen Weinwelt.

Der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) ist die S-Klasse der deutschen Weinwelt. Dass Mitglied Hans Lang auch an Aldi Süd liefert, behagt der auf Etikette achtenden Konkurrenz nicht. (Foto: Foto: dpa)

Da kommt man nicht so einfach hinein - es gibt rund 12.000 Winzer zwischen Ahr und Saale-Unstrut, Baden und Mosel. Und wer nicht mehr gut genug ist, der wird gegangen: Man will schließlich kompromisslos Deutschlands beste Weine machen.

Den VDP-Weinbauern gehören nur vier Prozent der deutschen Rebfläche, doch jeder achte Euro, den Deutschlands Winzer umsetzen, fließt in ihre Taschen. In diesem Jahr feiert der Verband sein hundertstes Jubiläum.

Synonym für billig, viel und mäßig

Musste es denn ausgerechnet Aldi sein? Dieses Synonym für billig, viel und mäßig, aber nicht für edel, rar und fein. 7,99 Euro kostete die Flasche Lang-Riesling damals im Discounter, viel mehr als die durchschnittlich zwei bis drei Euro, die deutsche Kunden für eine Flasche Wein ausgeben.

Doch Lang war mit seiner Aktion so zufrieden, dass er in dieser Osterwoche zum zweiten Mal Wein an Aldi-Süd verkaufte. Wieder ist es ein "Riesling Classic" für 7,99 Euro, diesmal der Jahrgang 2008.

Langs Verbands-Kollegen reagierten mit einer Mischung aus Neid, Missgunst, Ärger, kaum verhohlener Bewunderung und Entsetzen. Seither gibt es im VDP kaum eine Woche, in der die "Causa Lang" nicht zum Thema gemacht wird.

Das Thema ist heikel, weil noch weitere VDP-Winzer an Aldi liefern wollen, den größten deutschen Weinhändler. Das wäre so, als verscherbelte Porsche seinen Cayenne bei Lidl, schimpfen die Kritiker von Lang.

"Mut gehabt, etwas zu tun"

Sie fürchten um den Fortbestand des Weinfachhandels, der unter den Discountern und ihren Dumpingpreisen schon lange zu leiden habe. Andere sehen es dagegen als Chance für die deutschen Winzer, dass Aldi-Kunden vernünftigen Wein kaufen und trinken.

Trotz der Anfeindungen bleibt Lang sich treu. Er würde alles genau so noch einmal machen. "Viele Winzer klagen immer, dass die Franzosen, Spanier und Italiener uns so viele Kunden wegnehmen. Warum sollen wir also nicht darum kümmern, dass unser guter deutscher Wein stärker in den Mittelpunkt kommt? Anstatt mich nur in die Schmollecke zu begeben, haben ich eben Mut gehabt, etwas zu tun."

An Aldi sei nichts Anstößiges. "Warum auch?", fragt Lang. Der Discounter habe sehr hohe Qualitätsanforderungen, und immerhin belieferten viele VDP-Kollegen Tengelmann und Edeka, "da sagt auch keiner was Schlechtes".

Lesen Sie auf der zweiten Seite, welche Qualitätskriterien VDP-Verbandspräsident Steffen Christmann für entscheidend hält.

In anderen Ländern sei es ganz normal, dass gute Winzer Supermärkte belieferten, und acht Euro seien doch ein guter Preis. Damit habe er keinem Weinfachhändler Kunden weggenommen oder die Preise generell verdorben - im Gegenteil. "Der Wein war bei Aldi nach ein paar Tagen ausverkauft, und dann meldeten sich viele neue Interessenten direkt bei uns und wollten nachkaufen. Die habe ich dann natürlich sofort an die Fachhändler in ihrer Gegend verwiesen."

Der VDP hat strenge Richtlinien, er schreibt den Winzern vor, nur von besten Parzellen zu vinifizieren, die Erträge durch Ausdünnen künstlich gering zu halten, nur traditionelle Rebsorten zu pflanzen, so wenig Chemie wie möglich einzusetzen und den Weinen Ruhe zu gönnen, damit sie gut reifen.

"Zweischneidiges" Schwert

Und dann soll das Ergebnis der sorgfältigen Arbeit bei Aldi verkauft werden? Verbandschef Steffen Christmann sieht das Ganze als "zweischneidiges" Schwert. Einerseits sei erfreulich, dass es bei Aldi auch erstklassigen deutschen Wein zu einem anständigen Preis gebe.

Der Käufer erkenne: "Das ist ein wirklich guter Wein. Also darf er auch ruhig etwas mehr kosten, als ich sonst für Wein ausgebe." So schaffe man sich neue Kunden, denn denen werde der Wein für 2,50 Euro, den sie früher gekauft haben, anschließend nicht mehr schmecken. Zudem mache der VDP-Adler, das Markenemblem des Verbandes, beim größten deutschen Discounter auch noch Werbung.

Auf der anderen Seite sieht Christmann aber die Gefahr, dass bestimmte Marken und Produkte in eine "Abwärtsspirale geraten". Der normale Lebensmitteleinzelhandel werde vielleicht Zweifel bekommen, wenn VDP-Weine beim großen Konkurrenten Aldi zu kaufen sind.

Generell habe der Verbandschef aber kein Problem damit, auch wenn er persönlich keinen Wein an Aldi liefern würde. Ihn stört auch nicht, dass das VDP-Mitglied Fritz Keller vom Kaiserstühler Weingut Franz Keller als Berater für Winzergenossenschaften arbeite, die Weiß- und Spätburgunder an Aldi verkaufen: "Solange Preis und Qualität stimmen, warum denn nicht?"

Klar verständliche Bezeichnungen

Christmann interessiert sich nicht so sehr für die Lang-Geschichte. Wichtiger ist ihm, den Ruf des deutschen Weines generell zu verbessern. Das gelinge nur, wenn die bisher undurchschaubare Weingesetzgebung endlich abgeschafft würde und klar verständliche Bezeichnungen eingeführt würden, die auch tatsächlich für etwas stünden. Heute kann man eine Spätlese für 1,99 kaufen oder für 24 Euro. Die eine schmeckt fürchterlich, die andere großartig, und auf beiden Etiketten steht das gleiche, nur von unterschiedlichen Winzern.

Der Begriffswirrwarr ist groß: Es gibt Classic und Selection, Erstes Gewächs, und Großes Gewächs, Qualitätswein mit Prädikat, Auslese und Kabinett. "Nichts davon sagt dem Käufer eindeutig: Das ist ein wirklich guter Wein", kritisiert Christmann.

Daher müssten diese Bezeichnungen künftig zwingend an echte, überprüfbare Qualitätsanforderungen geknüpft werden - und nicht wie bisher an den Zuckergehalt der Trauben. Entscheidend sei vielmehr, wie viel oder wenig Ertrag ein Winzer je Hektar erwirtschafte, und ob seine Trauben alle aus einem Gebiet oder Weinberg stammten.

© SZ vom 11.04.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: