Spielzeug: Was soll man schenken?:Überraschungsei aus Brüssel

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Europapolitiker feiern die neuen Regeln für die Sicherheit von Spielzeugen als Erfolg - Verbraucherschützer sehen das aber anders.

Cornelia Bolesch

Giftiges Blei im Spielzeug und leicht verschluckbares Puppen-Zubehör - das hat Eltern, Verbraucherschützer und Politiker in Europa aufgeschreckt. Der US-Hersteller Mattel rief 2007 gleich dreimal Spielzeuge aus den Regalen zurück, die er in der Volksrepublik China hatte anfertigen lassen.

(Foto: Foto: AP)

Auch die beliebten Barbie-Puppen waren betroffen. Zwar musste sich Mattel später bei den chinesischen Behörden entschuldigen: Nicht Schlamperei in Chinas Fabriken, sondern "Design-Fehler" des US-Konzerns seien für die Rückrufe verantwortlich gewesen. In Brüssel aber haben die spektakulären Aktionen die Reform der 20 Jahre alten europäischen Spielzeug-Richtlinie vorangetrieben.

65 Prozent kommen aus China

In Rekordzeit hat das Europaparlament am Donnerstag die neuen Vorschriften verabschiedet. Sie gelten auch für importiertes Spielzeug. Für das bevorstehende Weihnachtsfest kommt die Reform zwar zu spät. Doch in ein paar Jahren soll es in europäischen Kinderzimmern mehr Sicherheit geben. 65 Prozent aller in der EU verkauften Spielwaren stammen aus dem Billiglohnland China. Das meiste davon ist nicht sicher, wie Prüfungen immer wieder ergeben.

Seltsamerweise liegt die Zuständigkeit für die Spielzeug-Sicherheit in der EU nicht bei der Verbraucherschutz-Kommissarin, sondern beim Industriekommissar. Das erklärt vielleicht, warum bestimmte giftige Chemikalien zwar schon längst aus den Kosmetikartikeln verschwunden sind, aber immer noch im Spielzeug vorkommen dürfen. Künftig aber soll das anders werden. "Robust und weitreichend" nennt Industriekommissar Günter Verheugen die neuen Regeln für die Spielwarenindustrie.

Chemikalien, die Krebs erzeugen, das Erbgut verändern oder die Fortpflanzung gefährden können, dürfen nicht mehr in den "zugänglichen Teilen" von Spielzeug stecken. Schwermetalle wie Blei oder Quecksilber werden total verboten. Bei anderen Stoffen wie Nickel wurden die zulässigen Grenzwerte gesenkt. Für Spielzeuge mit kleineren Einzelteilen, die leicht verschluckt werden können, gelten strengere Auflagen. Auch 55 Duftstoffe, die Allergien auslösen können, sind nicht mehr erlaubt. "Warum muss eine Barbie-Puppe nach Erdbeeren riechen?", hat sich nicht nur die SPD-Europaabgeordnete Evelyne Gebhardt gefragt.

Die SPD-Politikerin hält die neue Spielzeug-Richtlinie für eine "wesentliche Verbesserung" gegenüber dem alten Gesetz. Sie kann deshalb verschmerzen, dass nicht alle Duftstoffe und nicht alle potentiell riskanten Chemikalien aus dem Spielzeug entfernt werden müssen.

Bei begründetem Verdacht, so Gebhardt, könne die Kommission vorläufige Verbote aussprechen. Es lohne sich also für Eltern wie für Verbraucherschützer, wachsam zu bleiben. Gut findet Gebhardt auch, dass die EU im vermeintlichen Interesse der Kinder nicht übers Ziel hinausgeschossen sei: "Die Überraschungseier dürfen bleiben."

Heide Rühle von den Grünen spricht dagegen von einem "fragwürdigen Weihnachtsgeschenk". Es könne bis zu vier Jahren dauern, bis gefährliche Chemikalien aus Puppen oder Teddys entfernt werden müssten. Für Pappbilderbücher dagegen würden weiter unsinnige Sicherheitstests gelten. Die EU-Kommission hat den Buchverlagen jedoch signalisiert, dass diese "Nuckel-Tests" überarbeitet werden sollen.

Halbherzige Überprüfung

Die "halbherzige Überprüfung der Sicherheitsstandards" ist für Rühle der größte Mangel im neuen Spielzeug-Regiment der EU. Zwar ist es der Kommission nicht gelungen, nationale Qualitätssiegel wie das deutsche GS-Zeichen ("Geprüfte Sicherheit") auszuhebeln, die von einer unabhängigen Stelle vergeben werden. Doch europaweit gilt weiterhin nur das CE-Siegel.

Mit dem garantiert aber nur der Hersteller selbst, das er sich an alle Vorschriften gehalten hat. Monique Goyens, die Präsidentin des Europäischen Verbraucherverbands, klagt, es habe der EU an "politischem Ehrgeiz" gefehlt. Auch die Bundesregierung kritisiert die neue Spielzeug-Richtlinie. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) sieht jedenfalls "keinen Anlass, Entwarnung zu geben".

Vielleicht wäre es ja besser gelaufen, wenn die Zuständigkeit für das neue Spielzeuggesetz vom Industriekommissar Verheugen zur Verbraucherschutz-Kommissarin Meglena Kuneva gewechselt wäre. Die ist aber nur für die Umsetzung in der Praxis zuständig. Den Donnerstag verbrachte sie im Brüsseler Kaufhaus "Traumland" und schloss einen Spielzeug-"Sicherheitspakt" mit Importeuren und Einzelhändlern.

© SZ vom 19.12.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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