Spieler:Viel Umsatz, wenig Humor

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Computersportler fürchten noch immer, nicht anerkannt zu sein. Auf Kritik reagieren sie deshalb empfindlich.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Jimmy Kimmel war dann doch ein wenig verblüfft ob der Intensität des Hasses, der ihm für dieses noch nicht einmal besonders spektakuläre Segment seiner Late-Night-Talkshow Jimmy Kimmel Live! entgegenschlug. Satiriker sind Furor gewöhnt, Kimmels Kollege Jon Stewart sagte kürzlich: "Ich habe viele mächtige Menschen getroffen, meist begannen diese Gespräche mit der Frage, warum ich so ein Arschloch bin." In diesem Fall jedoch forderten die Menschen, dass Kimmel an Krebs erkranken, am nächsten Baum aufgehängt werden oder wenigstens von einer Klippe springen möge. "Es war das meistgehasste Video in der Geschichte unserer Sendung", sagt Kimmel nun.

Zuvor hatte Kimmel sich Ende August erdreistet, den Start der Plattform YouTube Gaming kritisch zu begleiten. Dort können Fans die Partien von Computersportlern betrachten. "Ich verstehe das nicht - das ist doch so, als würdest du zusehen, wie jemand im Restaurant deine Sachen isst", sagte Kimmel: "Wohin wird das nur alles führen?" Dann zeigte er einen Einspieler, am Ende ist Gott zu sehen, wie er die Menschen beobachtet und sich darüber ärgert, eine Spezies voller Idioten erschaffen zu haben.

Zwei Milliarden Computerspieler gibt es derzeit weltweit, etwa 90 Millionen davon bezeichnen sich selbst als Sportler. Zum Vergleich: Basketball gilt derzeit hinter Fußball als zweitbeliebteste Sportart der Welt, laut einer Erhebung der Sports & Fitness Industry Association spielen 500 Millionen Menschen Basketball, davon 50 Millionen in organisierten Ligen. So wie Basketballer gerne die Partien der Profis sehen, so betrachten E-Sportler gerne die Spiele der besten Akteure in der jeweiligen Disziplin: 200 Millionen Menschen verfolgen regelmäßig die Partien der Profis. Diese enormen Zahlen erklären den Erfolg der Streamingplattform Twitch, die im vergangenen Jahr für 970 Millionen Dollar von Amazon übernommen worden ist.

Computersport ist eine rapide wachsende Branche, die bald eine Milliarde Dollar pro Jahr umsetzen soll und im Zentrum der Gesellschaft angekommen ist. Die Hersteller von Spielen haben das Potenzial als Zuschauersport erkannt, sie entwerfen eigens Spiele für diesen neuen Markt. Auf die Spitze getrieben wurde das im Sommer durch das Spiel Choice Chamber, bei dem die Zuschauer den Schwierigkeitsgrad für die Spieler bestimmen konnten. "Die Stars der Szene interagieren mit ihren Fans, das macht sie nahbar", sagt Twitch-Geschäftsführer Kevin Lin: "Unsere Vision ist, dass es zur Norm wird, dass jeder einzelne Computersportler seine Partien überträgt."

Jimmy Kimmel mag von all dem keine Ahnung haben - so wie er keine Ahnung von vielen Dingen hat, die er jeden Abend veralbert. Mit den hasserfüllten Angriffen auf Kimmel jedoch schadet die Branche nicht Kimmel, sondern vor allem sich selbst. Wer erwachsen sein und ernst genommen werden möchte, der sollte gelassener damit umgehen, dass ein Komiker Witze darüber macht. Zwei Menschen in einem Mietshaus nerven gewaltig: Diejenigen, die andauernd Lärm machen - und diejenigen, die sich lautstark über den Lärm beschweren.

© SZ vom 11.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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