Spekulationssteuer:Neues Gesetz - alter Fehler

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Der Ehrliche war der Dumme: Wer bis 1999 Spekulationsgewinne aus Aktienverkäufen nicht versteuerte, musste kaum fürchten, entdeckt zu werden. Die Verfassungsrichter erklärten die damalige Besteuerungspraxis daher jetzt für verfassungswidrig. Ob die verschärfte Rechtslage mehr Steuergerechtigkeit mit sich bringt, ist allerdings umstritten.

Von Daniela Kuhr

An diesem Dienstag hat sich die Hoffnung zahlreicher Anleger zerschlagen: Auch in Zukunft werden sie Gewinne aus Wertpapiergeschäften in ihrer Steuererklärung angeben müssen.

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die Spekulationssteuer auf Wertpapierverkäufe für verfassungswidrig erklärt - aber lediglich in der Form, in der sie 1997 und 1998 erhoben worden war. Nur auf diesen Zeitraum bezog sich die Klage des Kölner Steuerrechtlers Klaus Tipke, der das Verfahren in Gang gesetzt hatte.

Zum damaligen Zeitpunkt hätten die Finanzämter kaum Möglichkeiten gehabt, nicht erklärte Spekulationsgewinne aufzuspüren, urteilten die Richter. Inzwischen aber hätten sich die Gesetze "deutlich" geändert, sodass sich die Entscheidung "nicht ohne weiteres" auf die Folgejahre übertragen lasse.

Unter Spekulationsgewinnen versteht man die Gewinne, die ein Anleger durch den Kauf und Verkauf etwa von Aktien oder festverzinslichen Titeln erzielt.

Verluste für die Zukunft

Die Differenz musste 1997 und 1998 grundsätzlich dann versteuert werden, wenn zwischen Kauf und Verkauf weniger als ein halbes Jahr lag. 1999 hat der Gesetzgeber die Spekulationsfrist auf ein Jahr heraufgesetzt und die Möglichkeit geschaffen, Verluste aus Wertpapiergeschäften mit Gewinnen zu verrechnen. Ist in dem Jahr der Veranlagung kein Spekulationsgewinn angefallen, kann der Steuerpflichtige seither seine Verluste für die Zukunft feststellen lassen.

Ob diese neuen Regelungen allerdings ausreichen, ist fraglich. "Das Gesetz hat sich 1999 in der Tat geändert", sagt der Münchner Rechtsanwalt Johann Seipl. "Ich wüsste aber nicht, inwieweit Spekulationsgewinne seither besser erfasst werden können."

Zwar müssen Banken seit 1999 dem Bundesamt für Finanzen mitteilen, wie hoch die Kapitaleinkünfte der Kunden sind, die einen Freistellungsauftrag erteilt haben, doch auch damit habe sich an dem Problem nichts geändert. "Bloß weil jemand Zinsen oder Dividenden kassiert, kann das Finanzamt daraus noch lange nicht schließen, dass er spekuliert", sagt Seipl. Er hält die Besteuerung von Spekulationsgewinnen auch in den Jahren nach 1998 für verfassungswidrig.

Dieser Ansicht ist auch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Das neue Gesetz "leidet unter denselben strukturellen Fehlern wie die ältere Fassung", urteilten die Aktionärsschützer am Dienstag nach dem Karlsruher Richterspruch.

Unterschiedliche Folgen

Für Anleger, die Gewinne aus Wertpapiergeschäften erzielt haben, ergeben sich nun unterschiedliche Folgen: Wer diese Gewinne in seinen Steuererklärungen der Jahre 1997 und 1998 angegeben und die Bescheide wegen des anhängigen Verfahrens angefochten hat, muss nach Ansicht von Seipl nichts weiter tun. "Ich gehe davon aus, dass die Finanzämter die Bescheide von sich aus ändern werden", sagt der Jurist.

Wer seinen Steuerbescheid damals nicht angefochten hat, habe allerdings "Pech gehabt". Darauf weist auch die DSW hin und fordert den Bund auf, "auf die allgemeine Bestandskraft der Steuerbescheide zu verzichten und allen Bürgern, die für diese Jahre Spekulationssteuer gezahlt haben, ihr Geld zurückzuerstatten" .

Glück haben dagegen wohl all diejenigen, die ihre Gewinne aus den Jahren 1997 und 1998 von vornherein verschwiegen haben. "Da die Regelung jetzt rückwirkend für nichtig erklärt wurde, brauchen sie ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung nicht mehr zu befürchten", sagt Seipl.

Musterverfahren für die Folgejahre steht bevor

Anders sieht es für die Steuererklärungen der Jahre nach 1998 aus. "Hier wird sich die Finanzverwaltung auf den Standpunkt stellen, dass die Gewinne zu versteuern sind", sagt Seipl. Die Anleger werden also zunächst zahlen müssen, selbst wenn sie Einspruch gegen ihren Bescheid eingelegt haben. "Es wird aber wohl nicht lange dauern, bis ein neues Musterverfahren für die Folgejahre läuft", ist Seipl überzeugt.

Er hält die Steuer auf Spekulationsgewinne erst seit diesem Jahr für verfassungskonform. Seit Januar müssen Banken ihren Kunden eine Jahresbescheinigung erteilen, in der alle Einkünfte wie Zinsen, Dividenden und Spekulationsgewinne aufgelistet sind. "Zudem kann die Finanzverwaltung von April 2005 an auch beim Bundesamt für Finanzen abfragen, bei welchen Banken ein Steuerzahler Konten besitzt", sagt Seipl. Damit - "aber eben erst damit" seien die Kontrollmöglichkeiten wirksam verbessert worden.

© SZ vom 10.03.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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