Speichertechnik:Wo die Wolke wohnt

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Nicht nur der Boden im Innovation Lab von E-Shelter erlaubt Einblicke. Hier sollen auch IT-Projekte unter Realbedingungen getestet werden. (Foto: e-Shelter)

Zugangskontrollen, mehrere Internetanbindungen, Notstromaggregate und sogar Treibstoffvorräte - ein Besuch im größten deutschen Rechenzentrum. Hier schlägt das Herz der Digitalisierung.

Von Helmut Martin-Jung, Frankfurt

Die großen Betonringe stehen hier nicht zur Zierde. Ein stabiler Metallzaun, zahlreiche Überwachungskameras und eben die schweren Betonringe sollen verhindern, dass sich jemand - womöglich auch mit roher Gewalt - Zutritt auf das Gelände verschafft. Das wäre gefährlich, denn hier in Frankfurt, in den schmucklosen Industriebauten der Firma e-shelter an der Eschborner Landstraße wird Deutschland umgebaut. Hier ist einer der wichtigsten Orte der Republik, an denen konkret wird, was oft so vage mit dem Begriff cloud umschrieben wird. "Hier", sagt Toan Nguyen von e-shelter selbstbewusst, "findet die digitale Transformation statt".

Die neue digitale Welt erscheint einem ja oft sehr virtuell, so also würden irgendwo in den Wolken auf irgendwie magische Weise die Filme herumwabern, die sich die Menschen über ihre Internetverbindung laden. Als würden all die Kundendaten, Urlaubsbilder, Katzenvideos nicht am Ende doch einen physischen Ort brauchen, an dem sie - wenn digital codiert als Nullen und Einsen - gespeichert sind. Doch den braucht es natürlich, und es braucht immer mehr davon. Die Menge an Daten wächst nahezu unfassbar schnell. Allein in einem Krankenhaus entstehen pro Tag drei Terabyte an Daten. Um sie auf herkömmlichen DVDs zu speichern, bräuchte man mehr als 200 Stück davon. Und: Es geht ja nicht nur darum, die Daten bloß zu horten, sie verfügbar zu halten. Der größte Mehrwert entsteht, wenn man die Unmengen von Daten auch auswertet.

e-shelter, der größte Anbieter von Rechenzentren in Deutschland, verfügt alleine in Frankfurt, an seinem größten Standort, über rund 65 000 Quadratmeter Nettofläche, und unmittelbar neben dem bisherigen Gelände ist bereits wieder ein neues Gebäude im Bau, schon gegen Ende des Jahres soll es bezugsfertig sein. Die Firma wächst und wächst und hat mittlerweile einige Expertise dabei entwickelt, wie man Rechenzentren plant und baut. Das gefiel dem japanischen Telekommunikations-Konzern NTT so gut, dass er 85 Prozent der Firma übernahm. Firmengründer Rupprecht Rittweger, der das Unternehmen aufgebaut hat, blieb aber als Firmenchef im Amt.

Seine Expertise ist gefragt, denn wer bei einem Anbieter wie e-shelter seine Server einstellt, erwartet reibungslosen Betrieb, 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche. Und der will organisiert sein. Gut 100 der insgesamt 550 Mitarbeiter von e-shelter sind allein für die Gebäudesicherheit zuständig. Sie gehören also nicht zu einer Fremdfirma, gleiches gilt für die Mitarbeiter des firmeneigenen Catering-Dienstes Freshforce. Auch dahinter stehen Sicherheitsgründe: "Wir wollen nicht, dass alle zwei Monate neue Leute bei uns auf dem Firmengelände herumlaufen", sagt Nguyen. Wer in die Serverräume will, muss erst den Empfang passieren, dann eine weitere Schleuse mit zwei Türen, von denen sich immer nur eine öffnen lässt.

Zwei unabhängige, exklusive Stromleitungen versorgen das Areal mit Energie, ein Tank mit einer Million Liter Diesel für die Notstromaggregate steht bereit, dazu noch Lieferoptionen, falls ein Stromausfall länger dauern sollte, natürlich auch eine redundante Anbindung an verschiedene Internetanbieter - so viel Sicherheit könnte sich kaum eine Firma für ihr eigenes Rechenzentrum leisten. Deshalb lagern auch viele Großunternehmen ihre Rechenzentren hierher aus. Colocation nennt man das im Fach-Englisch. Firmen wie e-shelter stellen das Gebäude, sorgen für Kühlung, für Internetanbindung und Stromversorgung, und sie stellen die Racks auf. Das sind die Regale, in die dann die Mieter ihre Server-Hardware stellen. Drei dieser Standard-Racks enthalten im Durchschnitt Hardware für etwa eine Million Euro.

Server für teures Geld machen aber alleine noch keine digitale Transformation. Die neuen digital getriebenen Geschäftsmodelle wollen entwickelt und ausprobiert werden. Und das nicht nur simuliert irgendwo auf einem Computer, sondern unter realen Bedingungen, in einem Rechenzentrum. Denn in aller Regel müssen ja die neuen Dienste dann mit den bestehenden zusammen funktionieren, wenn das Unternehmen nicht Gefahr laufen will, dass es zu unvorhergesehenen Problemen kommt. Und das muss man eben ausprobieren.

In Frankfurt soll ein Zentrum entstehen, bei dem Firmen Technik-Partner finden

e-shelter hat deshalb ein Innovation Lab eingerichtet. Dort können Firmen neue Projekte auf Herz und Nieren testen. Alleine, oder auch zusammen mit Partnern. e-shelter hat dazu über die Jahre ein Netzwerk aufgebaut, darunter auch Start-ups. Viele davon haben auf ihrem Gebiet gute Lösungen entwickelt, sie hätten es aber alleine schwer, mit größeren Unternehmen in Kontakt zu kommen. Durch die Vermittlung von E-Shelter klappt das besser. Wenn der renommierte Rechenzentrumsanbieter eine Firma empfiehlt, sind große Unternehmen eher geneigt, auch mal mit einem kleineren Anbieter zusammenzuarbeiten. In diesen Wochen ziehen die ersten Firmen ins Innovation Lab ein. Die meisten davon, sagt Andreas Vogl von e-shelter, kommen mit einem klar umrissenen Anwendungsfall, den sie umsetzen wollen. Doch wenn sie dann mit den Partnern zusammentreffen, bringen diese oft neue Ideen ein. Was oft dazu führe, dass der ursprüngliche Gedanke um neue Facetten ergänzt werde. Manche Unternehmen, sagt Vogl, bräuchten auch mehr Hilfe als andere, "da gibt es unterschiedliche Reifegrade."

In den nächsten Monaten will e-shelter mehr und mehr Technologie-Partner anziehen und in Frankfurt eine Art Hub aufbauen, bei dem bisherige und neue Kunden Ansprechpartner für ihre Projekte finden können. Die meisten Kunden kommen - wie am Standort Frankfurt kaum anders zu erwarten - aus der Bankenbranche, dazu kommen Versicherer sowie Firmen aus den Bereichen Medien und Unterhaltung. Und natürlich haben auch Cloud-Anbieter wie Bechtle oder Vodafone hier Server untergestellt.

75 Prozent der deutschen Unternehmen setzen mittlerweile Cloud-Dienste ein. Die meisten aber, weiß Andreas Vogl, wollen ihre Daten nur ungern in öffentliche Clouds legen, wo sie sich die Hardware mit anderen Kunden teilen müssen. Sie setzen auf private Clouds, die Hardware jedoch steht zunehmend nicht mehr auf dem Firmengelände, sondern bei Anbietern wie e-shelter. Am häufigsten kommen Hybrid-Lösungen vor, bei denen die Unternehmen unkritische Daten bei Public-Cloud-Anbieter ablegen, kritische dagegen in ihrer privaten Cloud. Um sich hierbei nicht von einem Anbieter abhängig zu machen, nutzen vor allem größere Unternehmen auch mehrere davon.

© SZ vom 12.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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