SPD, Linke und die Arbeiter:Lufthoheit über den Gewerkschaftstischen

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Wie es IG-Metall-Chef Berthold Huber und dem SPD-Vorsitzenden Kurt Beck immer wieder gelingt, die Linkspartei bei den Gewerkschaftern wieder auszubooten.

Daniel Brössler, Berlin

Eigentlich ist die Sache aus Sicht der Linkspartei ganz einfach. "Aktionen der Gewerkschaften zum Erhalt von Arbeitsplätzen, Tarifverträgen und sozialen Rechten unterstützen wir solidarisch", postulieren die programmatischen Eckpunkten der Partei. In der Praxis fällt der Schulterschluss nicht immer so leicht. Das haben vor einigen Wochen Männer und Frauen in gelben Streikwesten demonstriert. Während des Linken-Parteitags bauten sich die Verdi-Gewerkschafter im Cottbuser Messesaal auf, um gegen die Tarifpolitik des rot-roten Senats in Berlin zu protestieren.

DGB-Chef Michael Sommer und Kurt Beck: Lufthoheit über den Gewerkschaftstischen (Foto: Foto: AP)

Wenn es nur der Frust Berliner U-Bahn-Fahrer wäre, müssten sich die Linken vielleicht noch keine Sorgen machen, doch für das Wahljahr 2009 droht der Partei Dauerknatsch mit jenen, mit denen sie so gerne Seit an Seit marschieren würde. Einen Vorgeschmack lieferte ein ziemlich unfreundlicher Briefwechsel. IG-Metall-Chef Berthold Huber verbat sich in einem Schreiben an die Links-Parteichefs Oskar Lafontaine und Lothar Bisky "jede offene und klammheimliche Vereinnahmung durch die Linke".

Beide ließen den "lieben Berthold Huber" postwendend wissen, man sei "einigermaßen überrascht" und führe nichts dergleichen im Schilde. "Vielmehr entsteht bei vielen Mitgliedern der Gewerkschaften der Eindruck, dass die SPD-Mitglieder an der Spitze der Gewerkschaften der alten Partnerschaft zwischen SPD und Gewerkschaften zu einem neuen Frühling verhelfen wollen, trotz Agenda 2010, Rente mit 67 und Beteiligung an völkerrechtswidrigen Kriegen", gifteten Lafontaine und Bisky zurück.

Beck nicht ohne Geschick

Schon seit einigen Monaten beobachten Lafontaine und seine Leute mit wachsendem Unmut die von SPD-Chef Kurt Beck nicht ohne Geschick betriebene Rückeroberung der Lufthoheit über den Gewerkschaftstischen. Die Aufnahme des Porsche-Betriebsrats Uwe Hück ins SPD-Wahlkampfteam ist in dieser Hinsicht der jüngste, aber mit Sicherheit nicht der letzte Schachzug. "Die SPD ist es, die die Gewerkschaften vereinnahmen will", klagt Klaus Ernst, Vize-Chef der Linkspartei und Bevollmächtigter der IG Metall in Schweinfurt. In Opposition zu SPD-Kanzler Gerhard Schröder und dessen Agendapolitik hatten Ernst und andere Gewerkschafter den westlichen Linkspartei-Vorläufer WASG gegründet. Viele Gewerkschaftsbosse wie Ex-IG-Metall-Chef Jürgen Peters sahen's damals mit Wohlwollen.

Die Zeiten haben sich geändert. Längst haben sich die Sozialdemokraten von Teilen der Schröder-Agenda distanziert. Nun umwerben sie die Chefs der DGB-Gewerkschaften, mit Ausnahme des grünen Verdi-Manns Frank Bsirske ohnehin allesamt Halter von SPD-Parteibüchern. Den 1. Mai durfte Beck dieses Jahr bereits wieder bei einer Kundgebung in Mainz neben DGB-Chef Michael Sommer begehen - eine lange verwehrte Ehre. Kritik von links daran verbittet man sich. "Wir kommen ganz gut ohne die Ratschläge der Linken aus. Das werden wir auch weiter so halten", ließ die IG Bergbau, Chemie, Energie wissen.

Die Linkspartei steht vor einem Dilemma. Einerseits kann sie Streit mit den Gewerkschaften in etwa so gut gebrauchen wie die CSU einen Zwist mit der katholischen Kirche. Anderseits muss sie davon ausgehen, dass die Führungen von SPD und Gewerkschaften sich noch enger unterhaken werden, je näher die Bundestagswahl rückt. In der Linkspartei gibt es daher Überlegungen, die Konfrontation mit dem DGB notfalls offen auszutragen. Ins Visier der Linken könnten dann verstärkt Leute wie der IG-Metall-Mann Klaus Brandner rücken. Der SPD-Abgeordnete hatte im Bundestag für die vom DGB bekämpfte Rente mit 67 gestimmt. Daran, heißt es, könne man ja erinnern.

© SZ vom 30.06.2008/lala - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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