Sorgen um die Konjunktur:Wenn nichts mehr hilft, hilft der Staat

Die Wirtschaft taumelt und der Staat springt ein: Die große Koalition schnürt ein Konjunkturpaket von 25 Milliarden Euro. Auch die Autoindustrie wird entlastet: Die Kfz-Steuer für umweltfreundliche Neuwagen soll bis zu zwei Jahre ausgesetzt werden.

Wenn gar nichts mehr geht, hilft der Staat. Die Konjunktur ist infolge der Finanzkrise ins Stocken gekommen, die Unternehmen jammern, die Bevölkerung ist verunsichert. Nun greift die Regierung ein. Bis zu 25 Milliarden Euro will die große Koalition in den kommenden beiden Jahren investieren, sagte SPD-Fraktionschef Peter Struck der Berliner Zeitung.

Sorgen um die Konjunktur: VW-Produktion in Wolfsburg: Der Staat unterstützt die Wirtschaft mit einem Konjunkturpaket - auch die Autoindustrie profitiert.

VW-Produktion in Wolfsburg: Der Staat unterstützt die Wirtschaft mit einem Konjunkturpaket - auch die Autoindustrie profitiert.

(Foto: Foto: AP)

Bereits am kommenden Mittwoch will das Kabinett das Wachstumspaket beschließen. Unstrittig sind dabei nach Angaben Strucks die Förderung der Gebäudesanierung bis 2015, Verkehrsprojekte und die zeitlich begrenzte Wiedereinführung von Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen. Aus dem Arbeitsministeriums kämen zudem Vorschläge zur Sicherung von Arbeitsplätzen.

Kfz-Steuer soll ausgesetzt werden

Zudem will die Bundesregierung die Kfz-Steuer für umweltfreundliche Neuwagen bis zu zwei Jahre lang aussetzen. Dies bestätigte Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) im ARD-"Morgenmagazin". Finanzminister Peer Steinbrück (ebenfalls SPD) werde den Bundesländern den Vorschlag machen, "besonders saubere Fahrzeuge" für eine befristete Zeit von der Steuer auszunehmen. Allerdings müssten die Länder, denen diese Einnahmen bislang zustehen, noch zustimmen. Insgesamt flossen vergangenes Jahr durch die Kfz-Steuer 8,9 Milliarden Euro in die Kassen des Staates.

Nach Informationen der Rheinischen Post sollen die Halter von Neuwagen der Schadstoffklassen Euro-5 und Euro-6, die im kommenden Jahr angeschafft werden, für zwei Jahre keine Steuern zahlen müssen. Käufer von Autos der Abgasnorm Euro-4 erhalten ein Jahr Steuerfreiheit. Die Steuerausfälle würden für 2009 auf zwei Milliarden Euro beziffert. Künftig sollen die Einnahmen aus der Kfz-Steuer nicht mehr an die Länder, sondern an den Bund fließen. Im Gegenzug sollen die Länder einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer bekommen. Später solle, so Gabriel, die Kfz-Steuer statt von der Größe des Hubraums vom Ausstoß an Kohlendioxid (CO2) abhängig gemacht werden.

Um dieses Maßnahmenpaket umzusetzen, ist die Regierung sogar bereit, sich vom Ziel, im Jahr 2011 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, zu verabschieden. Eine höhere Schuldenaufnahme sei dafür verantwortbar, sagte Struck. Künftige Generationen bekämen eine Gegenleistung für die Lasten, die sie durch das Wachstumspaket zu tragen hätten: "Wenn wir jetzt zum Beispiel für die Sanierung von Schulen und Kindergärten Geld ausgeben, dann sind das Investitionen in die Zukunft."

Optimismus bei DIHK

Handwerks-Präsident Otto Kentzler sagte der Thüringer Allgemeinen, das größte Risiko für den Wirtschaftszweig sei derzeit die mangelnde Konsum- und Investitionsbereitschaft der Privatkundschaft. Eine "Kreditklemme" aufgrund einer Zurückhaltung der Banken könne er hingegen nicht erkennen.

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht derzeit keinen Grund für Rezessionsängste. DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun sagte der Online-Ausgabe der Bild-Zeitung: "Deutschland ist so gut aufgestellt, dass es keinen Anlass zu übertriebener Sorge gibt. Wir werden 2009 keine Rezession sehen, aber eine Abkühlung des Wachstums auf 0,5 Prozent."

Hilfe vom Staat bekommen nicht nur Auto- und Bauindustrie - auch die Finanzbranche kann Unterstützung durch den Staat anfordern. Das Interesse an dem 500-Milliarden-Euro-Paket der Bundesregierung ist bislang jedoch ziemlich gering. Neben der BayernLB, WestLB und HSH Nordbank hat bislang nur ein privates Institut unter dem staatlichen Rettungsschirm Schutz gesucht - der kriselnde Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate.

Gemeinsamer Antrag

Nun könnten weitere Privatbanken dazukommen. Die Süddeutsche Zeitung hatte bereits berichtet, dass die führenden deutschen Privatbanken in einer Art "Schicksalsgemeinschaft" die Hilfe des Bundes annehmen könnten. Finanzminister Steinbrück bestätigte am Mittwochabend gegenüber der Financial Times Deutschland (FTD): "In den nächsten vier bis fünf Tagen wird es eine ganze Reihe von Instituten geben, die die Hilfe in Anspruch nehmen werden." Darunter seien auch Banken, die sich zuvor anders öffentlich geäußert hätten.

Die FTD berichtete unter Berufung auf Regierungskreise, die Großbanken würden bereits am kommenden Freitag nach Börsenschluss einen gemeinsamen Antrag auf Garantien stellen. Ein Grund dafür sei, dass die deutschen Institute wegen der Pleite der US-Bank Lehman Brothers hohe zusätzliche Beträge in den deutschen Einlagensicherungsfonds einschießen müssten.

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