Software, gratis:Rockefellers Erben

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Immer mehr entwickelt sich Open-Source, also frei erhältliche, offene Software, zum Gegenkonzept des klassischen kommerziellen Geschäftsmodells von Microsoft.

Von Walter Ludsteck

Ein neues Geschäftsmodell ist dabei, die Software-Industrie zu verändern. Auf den ersten Blick sieht es aus, wie das Rezept, mit dem Rockefeller vor langer Zeit sein Vermögen gemacht hat: Er verschenkte Öllämpchen und verkaufte das Öl dazu. Heute bieten etliche Softwarefirmen so genannte offene Computerprogramme kostenlos an und versuchen, mit dazu passenden Dienstleistungen Geld zu verdienen.

Inbegriff des Open Source: Der Linux-Pinguin. (Foto: Foto: dpa)

Doch das Konzept der Open Source Software (OSS) geht weit über die Vorstellungen Rockefellers hinaus. Denn, wer will, kann die Software auch völlig eigenständig und damit gratis nutzen. Und hunderttausende von Menschen arbeiten weltweit daran, solche Programme zu erstellen und weiterzuentwickeln - unentgeltlich.

Was ist Open Source?

Doch was ist eigentlich Open Source Software? Es sind Programme der verschiedensten Art, die von der Open-Source-Gemeinschaft der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Ihr Kern, auch Quellcode (Source Code) genannt, ist offen gelegt. Jeder kann sich die Software gratis aus dem Internet herunterladen, sie nutzen und auch modifizieren.

Das steht in direktem Gegensatz zur üblichen Praxis der so genannten proprietären Softwarehersteller, die ihren Quellcode als Geschäftsgeheimnis hüten, für ihre Programme Lizenzgebühren verlangen und deren Software nicht verändert werden darf. OSS ist also ein Gegenentwurf zum bisher vorherrschenden Geschäftsmodell der Branche - und wird je nach Standpunkt gepriesen oder verdammt.

Zur Geschichte der Kostenlos-Software

Das Konzept der "freien" Software reicht zurück in die Pionierzeit der Computerära. Vielen damaligen Entwicklern ging es nicht zuerst um das große Geld, sondern um die geistige Herausforderung und das Vorantreiben des neuen Software-Wissens. Auch das Zustandekommen des Internets beruht zu einem guten Stück auf Open Source.

Lange Zeit war Open Source eine Sache für Insider, die von der etablierten Software-Industrie nicht ernst genommen wurde. Das hat sich geändert. Open Source ist heute ein nicht zu übersehender Marktfaktor. Gerade in Deutschland hat es einen starken Rückhalt. Zwar ist das Marktvolumen recht klein, doch es wächst rasant. Am bekanntesten ist wohl das Betriebssystem Linux, für das (in Konkurrenz zu Windows von Microsoft) sich unlängst die Stadt München entschied. Daneben gibt es eine ganze Reihe weiterer Programme.

Unentgeltliche Mitarbeit

Dass offene Software ankommt, hat mehrere Gründe. Angezogen werden Nutzer zuerst meist durch die Aussicht, Programme ohne Lizenzgebühren zu erhalten. Genau so wichtig erweist sich oft die gebotene Flexibilität, die Möglichkeit, Software an die individuellen Bedürfnisse anzupassen. Und schließlich hat die Leistungsfähigkeit (zum Beispiel bei Sicherheit oder Beständigkeit) der Programme erheblich zugenommen und kann sich durchaus mit kommerzieller Software messen.

Letzteres wird durch Entwicklergruppen in aller Welt gewährleistet, die freiwillig und unentgeltlich an Open-Source-Projekten mitarbeiten. Ihre Beweggründe sind immer noch so ähnlich wie zu Beginn der OSS-Bewegung. Der Erfolg von Open Source geht aber auch darauf zurück, dass etliche große Computerunternehmen seit vier, fünf Jahren dieses Konzept unterstützen - allen voran IBM.

Sie stehen meist nicht (oder nur teilweise) in Konkurrenz zu Open Source und können somit auf ergänzende Geschäfte hoffen. Die Großen der Branche arbeiten dabei oft mit den - kleineren - Firmen zusammen, die OSS salonfähig gemacht haben. Das geschieht, in dem sie die frei verfügbare Technologie anwenderfreundlich zurechtfügen und sie zusammen mit Dienstleistungen wie Integration oder Wartung vermarkten - nun gegen Geld. Die deutsche, kürzlich vom US-Konzern Novell übernommene, Firma Suse Linux ist im übrigen weltweit nach Red Hat die Nummer zwei dieser originären OSS-Branche.

Viele, die Open Source unterstützen, haben aber noch ein weiteres Motiv: Sie wollen die Dominanz Microsofts im Softwaremarkt eindämmen, seine Monopole brechen. Auch von Anwendern wird Open Source oft als einzige ernsthafte Alternative zu Microsoft gesehen.

Microsoft reagiert

Der weltgrößte Softwarehersteller hat bereits auf die neue Konkurrenz reagiert. Microsoft gewährt ausgewählten Anwendern nun weitgehende Einsicht in den Windows-Quellcode und war zum Beispiel im Wettbewerb um den prestigeträchtigen Auftrag der Stadt München zu erheblichen Preiszugeständnissen bereit.Ferner verzahnt der Konzern seine Produkte immer enger und macht sie im Wettbewerb weniger angreifbar. Darüber hinaus ist Microsoft mitten in einem großen Diversifizierungsprozess - auch um diesem Druck auszuweichen.

Schon jetzt also wirkt sich Open Source auf den Software-Markt aus. Und seine Bedeutung wird zunehmen. Allerdings agieren auch Open- Source-Unternehmen zunehmend kommerzieller. Immer öfter wird offene und proprietäre Software zusammen in Paketlösungen angeboten. Der Schluss, den ein Microsoft-Manager kürzlich auf einer Tagung des Münchner Kreises zog, liegt deshalb nahe: "Die beiden Geschäftsmodelle bewegen sich aufeinander zu."

© SZ vom 21.2.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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