Simbabwe:Ein Land auf der Verliererseite

Die Inflationsrate liegt bei über 430 Prozent, die Wirtschaft schrumpft massiv. Die Vertreibung der weißen Farmer, politische Willkür, unzählige wirtschaftspolitische Fehlentscheide - innerhalb von drei Jahren ist Simbabwe an den Rand des Ruins geraten.

Von Jean-Pierre Kapp

(SZ vom 21.10.03) — Die Inflation hat die Marke von 430 Prozent überschritten, das Bruttoinlandprodukt soll 2003 um mindestens 12 Prozent zurückgehen. Weite Teile der Bevölkerung können inzwischen nur noch Dank der Verteilung von Nahrungsmitteln durch das Welternährungsprogramm überleben.

Simbabwe: Die Vereinten Nationen befürchten, dass bis Ende des Jahres über 5,5 Millionen Menschen in Simbabwe auf Hilfe des Welternährungsprogramms (WFP) angewiesen sein werden.

Die Vereinten Nationen befürchten, dass bis Ende des Jahres über 5,5 Millionen Menschen in Simbabwe auf Hilfe des Welternährungsprogramms (WFP) angewiesen sein werden.

(Foto: Foto: AP)

Wandel dringend vonnöten

"Wenn nicht bald ein wirtschaftlicher und ein politischer Wandel einsetzt, ist das Land nicht mehr zu retten", sagt Tony Rowland, Generaldirektor der simbabwischen Fabrik Zimplow, einem Unternehmen im Industriegebiet von Bulawayo, der zweitgrößten Stadt des Landes.

Zimplow stellt mechanische Pflüge her. Das Unternehmen ist wie die wenigen andern verbliebenen Industriebetriebe in einem täglichen Kampf ums Überleben. Der Verkauf von Pflügen sei innerhalb eines Jahres von 68000 auf 50000 zurückgegangen, klagt Rowland. Dass die Fabrik noch nicht schließen musste, ist einzig den steigenden Exporten zu verdanken.

Exodus der Landwirte

Die bürokratischen Hürden für den Export sind hoch, die Ausfuhr lohnt de facto kaum. Aber ohne das Auslandsgeschäft könne das Unternehmen nicht überleben, sagt Rowland.

Denn die simbabwische Käuferschaft wird jeden Tag kleiner. Die weißen Farmer wurden von den "Kriegsveteranen" des Staatschefs Robert Mugabe von ihren Ländereien verjagt. Nun versuchen sie, sich in der Hauptstadt Harare mit geretteten Traktoren und Lastwagen eine Existenz im Transportwesen aufzubauen - wenn sie nicht nach Europa und Australien ausgewandert sind.

Niedergang durch Enteignung weißer Farmer

Die Kleinbauern und Landlosen, denen ein Teil des beschlagnahmten Landes überlassen wurde, haben kein Geld, um einen Pflug zu kaufen. Eingeleitet worden war der wirtschaftliche Niedergang vor drei Jahren, als Mugabe um seine Wiederwahl fürchtete und deshalb die Enteignung praktisch aller weißen Farmer verfügte.

"Inzwischen befinden sich nur noch 584 der ursprünglich 4137 kommerziellen Farmen im Besitz von Weißen und sind produktionsfähig", sagt der Präsident der Commercial Farmers Union (CFU), Doug Taylor-Freeme. 643 weitere Farmen seien nur teilweise besetzt und können von ihren rechtmäßigen Besitzern noch bewirtschaftet werden - zumindest in Teilen.

Zusammenbruch der landwirtschaftlichen Produktion

Die Vertreibung der weißen Farmer führte nach Angaben des CFU-Präsidenten zum fast völligen Zusammenbruch der kommerziellen landwirtschaftlichen Produktion, damit auch der Deviseneinnahmen Landes. Die kommerzielle Tabakproduktion ging zwischen 2000 und 2003 von 230000 auf 60000 Tonnen zurück, die kommerzielle Maisproduktion von 810000 auf 185000 Tonnen.

Die Auswirkungen sind enorm: Massenhaft gingen Arbeitsplätze auch in Zulieferbetrieben verloren, in einem Sektor, der bis zum Jahr 2000 für Simbabwe der wichtigste war. Aber nicht nur die Landwirtschaft ist von der Krise betroffen. Auch die für das Land äußerst wichtigen Sektoren Bergbau und Tourismus liegen danieder.

Wegen der extrem hohen Inflationsrate stiegen auch die Preise für den Unterhalt der Minen. Der Umsatz im Bergbau ging in Dollar gerechnet zwischen 2000 und 2003 um 35 bis 40 Prozent zurück, schätzt der simbabwische Ökonom Eric Bloch. Die Zahl der ausländischen Touristen sank von zwei Millionen im Jahr 2000 auf gerade noch 250 000.

Treibstoff ist knapp

Am Taxiplatz bei den Victoria-Fällen ist die Stimmung schlecht. "Es ist nichts mehr los", sagt Lazarus, einer der Taxifahrer. Er wisse nicht mehr, wie er seine Familie ernähren soll. Für die 20 Kilometer weite Fahrt zum Flughafen muss er zuerst noch Benzin in einem Hinterhof auftreiben, bevor es losgehen kann.

Die Tankstellen verkaufen wegen der zu niedrig angesetzten offiziellen Preise seit Wochen keinen Treibstoff mehr. Bezahlen kann Lazarus nur die Hälfte der zehn Liter in bar. Solange die ausländischen Gäste fehlen, fehlt ihm das Geld.

Monatseinkommen von etwa 20 Dollar

Von der Misere betroffen sind mit Ausnahme des inneren Machtzirkels um Mugabe alle Simbabwer. Ein normales Einkommen von etwa 100 000 Zimbabwe- Dollar, was zum Schwarzmarktkurs etwa 20 Dollar entspricht, reicht angesichts der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten kaum mehr zum Ernähren einer Durchschnittsfamilie - denn die besteht in Simbabwe aus sechs Personen.

Ein Sack Maismehl von 10 Kilo kostet in Harare 8000, ein Kilo Brot 1100 simbabwische Dollar. Wer keine Familienangehörigen im Ausland hat, die Devisen nach Hause schicken, kann deshalb inzwischen fast nur noch dank der Verteilung von Nahrungsmitteln durch Hilfswerke überleben.

Verbesserung der Lage nicht in Sicht

Das Welternährungsprogramm (WFP) unterstützt zurzeit etwa eine Millionen Personen mit Nahrungsmitteln. Die Vereinten Nationen glauben aber, dass die Zahl der Bedürftigen bis Ende des Jahres auf etwa 5,5 Millionen Menschen hochschnellen wird. Mit einer Verbesserung der Lage wird auch nach der nächsten Ernte kaum gerechnet.

Solange es an Saatgut und Düngemittel mangelt, so erwarten die Experten, werden die Erträge weiter enttäuschen. Selbst wenn das Wetter mitspielt - Simbabwe steht auf der Verliererseite.

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